Die katholische Kirche wird sich in Baden völlig neu aufstellen. Zum 1. Januar 2026 werden 36 Großpfarreien gebildet, die sich aus Dutzenden Pfarreien zusammensetzen werden. Die 36 Großpfarreien lösen die bisherigen und ungeliebten 224 Seelsorgeeinheiten (SSE) ab. Mit diesem durchaus umstrittenen Schritt will Erzbischof Stephan Burger den massiven Mangel an Priestern auffangen und umverteilen. In einer Reihe von Beratungen und diözesanen Treffen wurde der neue Aufbau der Erzdiözese vorgestellt und diskutiert.
Wie groß die neuen Verbände sein werden, das verrät ihr bloßer Name. Zollern, Sigmaringen-Meßkirch, Linzgau oder Neustadt werden beispielsweise je eine Großpfarrei bilden. Schwarzwald-Baar, Konstanz sowie Waldshut entsprechen jeweils zwei Großpfarreien, die gewissermaßen die alten Einheiten schlucken. Dieser langwierige Prozess war im Erzbistum immer wieder diskutiert und gewendet worden.
1,7 Millionen Katholiken in Baden betroffen
Das Diözesanforum wurde einberufen, in dem der umwälzende Vorgang beraten wurde. Die Leitung um Erzbischof Burger bezog dabei viele Räte und Laien mit ein. Offen bleibt dagegen, wie die Umstellung von den insgesamt 1,7 Millionen katholischen Gläubigen in Baden aufgenommen wird. Denn um sie geht es letztlich.
Sie bilden auch das tragende Gerüst des Planes. Denn die Ehrenamtlichen werden in Zukunft noch stärker gefragt sein. Die angepeilten Bezirke – etwa zwei pro Landkreis – sind lediglich ein organisatorischer Rahmen. Das Leben vor Ort sollen dann vor allem Freiwillige bestreiten, die wiederum von Ehrenamtskoordinatoren angeleitet werden.
Um die Pfarrer zu entlasten, erhält jeder der geplanten Sprengel einen Geschäftsführer. Er oder sie sollen sich um all jene Dinge kümmern, die im Bereich Bauen, Kirchenrenovierung oder den Finanzen anfallen und die ebenso wichtig wie auch zeitlich aufwendig sind. Damit wären die Seelsorger von dieser Aufgabe ganz befreit. Sie könnten sich ganz auf ihre Kernaufgabe konzentrieren – also Gottesdienste und geistliche Begleitung.
Auch die Aufsicht über das beträchtliche Vermögen der Gemeinden – von Grundstücken bis hin zu sakralen Räumen – wird ab 2026 neu geordnet. Wo bisher die Stiftungsräte tagten, die aus dem Pfarrgemeinderat heraus gewählt wurden, soll die Kontrolle über die Güter in andere Hände gelegt werden. Aufsichtsräte werden dann die Stiftungsräte alten Schlages ersetzen. Die Aufsicht über die um ein Vielfaches größeren Haushalte wäre dann deutlich professioneller als bisher organisiert, hofft man in Freiburg.
Revolution durch die Hintertür
Die Gemeinde vor Ort wird damit nicht aufgelöst. Sie soll nach wie vor der Bezugsrahmen des einzelnen Gläubigen bleiben. Auch hier werden verstärkt Ehrenamtliche gefragt sein. Nach der neuen Ordnung wird es möglich sein, dass Laien zum Beispiel eine dörfliche Gemeinde leiten.
„Diese Gemeinden können von Männern und von Frauen geleitet werden“, sagt der Sprecher des Erzbistums, Marc Mudrak. Das wäre eine kleine Revolution durch die Hintertür: Eine Frau kann die Ortsgemeinde leiten – unter dem Dach der einige Dutzende Gemeinden umfassenden Großpfarrei.
Und wenn sich niemand bereit erklären sollte? Thomas Dietrich, Landvolkpfarrer, drückte es auf dem Diözesanforum so aus: „Wenn es niemanden gibt, der das macht, dann machen wir es halt nicht.“ Für Cäcilia Braun-Müller, ebenfalls Mitglied im Diözesanforum, geht die Förderung von Ehrenamtlichen die richtige Richtung. Sie erlebt bereits jetzt, wie wichtig die Freiwilligen sind. Wenn ihnen jetzt auch noch von rechtlicher Seite her Kompetenzen zugestanden werden, kann das die Entwicklung beflügeln.
Es gibt auch Kritik
Kritische Stimmen fehlt es nicht. Der Theologe Bernd Hillebrand (Freiburg) vermisst einen echten Aufbruch, wie er in einer Stellungnahme sagte. Er hatte sich eigentlich gewünscht, „dass über eine Idee von Gemeinden der Zukunft gesprochen wird und darüber, ob noch weiterhin Eucharistie der Mittelpunkt der Gemeinde sein kann oder um was sich eine Gemeinde in Zukunft versammeln wird.“ Die neuen Strukturen seien „womöglich nicht begegnungs- oder evangeliumstauglich“, fürchtet er.