Was hat das Hurraaa-Plakat für neue Lehrkräfte am Stuttgarter Flughafen für einen Krach gemacht. Selten gab es eine so breite Resonanz auf eine Werbebotschaft und selten wurde sie so unterschiedlich interpretiert. Die Idee der Werber war: 90 Prozent der Menschen, die derzeit aus einem Flieger steigen, kommen aus dem Urlaub zurück.

Und ein Gutteil von ihnen wird wenig Lust haben, am nächsten Tag wieder zum eigenen Job zurückzukehren und sich in den Alltag einzufinden. Warum also nicht über einen Jobwechsel nachdenken und etwas Anderes machen? Zum Beispiel Lehrerin oder Lehrer werden?

War das Plakat ein Angriff auf Lehrkräfte?

Mit einer etwas anderen Lesart witterten manche Leser des Plakats aber einen Angriff auf die fleißigen Lehrkräfte und unterstellten einen billigen Versuch, mit dem Faule-Säcke-Vorurteil Stimmung zu machen. Frei nach dem Motto: Keine Lust, dich anzustrengen? Dann werde Lehrer. Menschen mit dieser Lesart sind ernsthaft überzeugt, dass ausgerechnet das Kultusministerium als Auftraggeber der Kampagne seinen Lehrkräften Bequemlichkeit unterstellen wollte. Echt jetzt?

Karin Broszat, Vorsitzende des baden-württembergischen Realschullehrerverbands, sieht das jedenfalls so und reagiert scharf auf das Plakat. Sie sagt: „Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt. Deutlicher und niveauloser kann man die Geringschätzung des Lehrerberufs nicht ausdrücken. Die Verantwortlichen sollten sich in Grund und Boden schämen.“

Eine Nummer kleiner ging es wohl nicht im Ton. Ist das angemessen? Eher nicht.

Vielmehr drängt sich die Frage auf, warum eigentlich immer wieder die Lobbygruppen der Lehrer so schnell auf Zinne sind, wenn irgendwo auch nur ein Hauch von Anwurf oder Missverständnis ruchbar wird. Gibt es faule Lehrer? Klar gibt es die. So, wie es auch faule Polizisten gibt, faule Handwerker oder Journalisten, nur so als Beispiel. In jeder Berufsgruppe gibt es die Fleißigen, die als Vorbilder und Fixsterne taugen, und die Faulen.

Nicht jeder Lehrer geht auf dem Zahnfleisch

Deshalb irrt Frau Broszat, wenn sie behauptet, dass „die Lehrer aller Schularten auf dem Zahnfleisch daherkommen“. Das ist schlicht nicht richtig. Es gibt zahlreiche Selbstoptimierer unter ihren Kollegen, Schüler und Eltern können ein Lied davon singen. Und vor allem die fleißigen Lehrer selbst, die sich über die anderen Kollegen beklagen und manche Extrameile für sie mitlaufen müssen. So wie in jeder anderen Branche auch.

Es ist falsch, drei Monate Ferien für Lehrkräfte nicht als Privileg anzuerkennen oder gute Pensionen oder den sicheren Job im Beamtenstatus. Herrje, das ist halt so – nur kein Neid, jedem steht es frei, den Lehrerjob zu ergreifen. Allerdings: Für diesen fordernden Job muss man dann auch gebaut sein.

Lehrer zu sein, ist kein Ponyhof. Zumal in Zeiten nicht, in denen der Klassenteiler steigt, die Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund größer wird, die Infrastruktur marode ist. In manchen Regionen sind Lehrer eher Sozialarbeiter als Pädagogen, und die Arbeit mit schwierigen Eltern ist da noch gar nicht eingepreist.

Manche Berufsanfänger lassen sich deshalb von den Privilegien blenden, vermuten einen hohen Freizeitanteil und stellen dann im Klassenzimmer fest, wie anspruchsvoll der Job dann doch ist. Eine Studie der Uni Halle-Wittenberg hat herausgearbeitet, dass bis zu einem Drittel junger Lehrkräfte den Schuldienst auch deshalb nach fünf Jahren wieder verlässt.

Auch einmal das Gute betonen

So dumm es also ist, Lehrkräfte als faule Säcke zu diskreditieren, so falsch ist es auch, sie alle als Heroen der modernen Bildungswelt zu stilisieren. Lehrerverbänden und Gewerkschaften mag man deshalb empfehlen, nicht permanent so tun, als verträten sie die Geknechteten der Republik.

Der Job des Lehrers ist anstrengend, keine Frage. Der eines Krankenpflegers ist das aber auch. Oder eines Busfahrers. Warum nicht mal das Narrativ ins Positive drehen? Lehrer zu sein, ist erfüllend, stützt die Demokratie und das Miteinander. Das sagt übrigens auch Karen Broszat in einem Gastbeitrag für den SÜDKURIER in dieser Woche.

Damit dieses Narrativ glaubwürdig bleibt, müssen Kommunen und Politik dringend in die Infrastruktur investieren. In Schulgebäude, Sportstätten, digitale Ausstattung. Lehrer arbeiten zu häufig unter misslichen Umständen, das ist auch ein Teil der Wahrheit.

Ein weiterer Teil ist: Lehrer müssen permanent besser werden, weil die Anforderungen an den Job steigen und Zeiten sich ändern. Wer das aber kontrolliert? Niemand. Denn gegen Leistungskontrollen für Lehrer sträuben sich Verbände seit Jahrzehnten. Dabei würde das die Fleißigen belohnen und die Faulen sichtbar machen. Hurraaa, mag man denken. Ist aber nur ein Gedanke.