Die blanken Zahlen sind deutlich: Die öffentlichen Verwaltungen wachsen, sie haben immer mehr Aufgaben. Im Jahr 2024 gab es etwa bei der Stadt Konstanz 1091 Stellen. Vor zehn Jahren waren es noch 789 Stellen, die Angestelltenzahl ist also um rund ein Drittel gewachsen. Und nun fordern die Gewerkschaften mehr Geld und Freizeit – was bedeutet das für die ohnehin angespannten Haushalte?

Acht Prozent mehr sollen die Beschäftigten von Kommunen und Bund bekommen, außerdem drei zusätzliche freie Tage für alle und einen weiteren für Gewerkschaftsmitglieder.

Anteil der Personalkosten an Haushalten wächst

Um noch einmal beim Beispiel Konstanz zu bleiben: Ein Prozent Tariferhöhung bedeuten 741.000 Euro mehr Personalkosten im Jahr, schreibt die Stadt auf Anfrage: „Die jetzige Forderung von Verdi beträgt acht Prozent, das wären dann knapp sechs Millionen Euro.“ Und der Anteil am Gesamthaushalt wäre so hoch wie lange nicht – die zusätzlich geforderten freien Tage sind in dieser Berechnung auch noch nicht berücksichtigt.

Konstanz ist dabei keine Ausnahme, in Villingen-Schwenningen würde der Anteil der Personalkosten am Gesamthaushalt nach Angaben der Stadt auf über 30 Prozent steigen, 2020 waren es noch etwas mehr als 25. Das lässt sich wegen verschiedener Haushaltsposten zwar nur bedingt vergleichen, zeigt aber eine Richtung an.

Tariferhöhungen bereits eingeplant

Die Kommunen rechnen bereits mit Mehrkosten, haben sie teilweise in ihren künftigen Etats eingeplant. In Villingen-Schwenningen wurde mit einer fiktiven Tariferhöhung von fünf Prozent gerechnet, in Waldshut-Tiengen mit 3,5 Millionen. Dort würde eine Erhöhung auf die geforderten acht Prozent „aufs Jahr gesehen Mehrkosten von rund einer Million Euro bedeuten. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Personalkosten um rund zwei Millionen Euro“, so die Stadt auf Anfrage.

Kurzum: Die Kommunen sind sichtlich gefordert, vor allem der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wird immer wieder als Grund für notwendigen Personalaufwuchs und steigende Kosten genannt. „Den größten Zuwachs haben wir im Bereich der Kindertagesstätten und der Ganztagesbetreuung an Grundschulen aufgrund der vom Gesetzgeber festgelegten Rechtsansprüche“, heißt es etwa aus Villingen-Schwenningen.

Aber auch im Bereich der Verwaltung habe es aufgrund „ständig zunehmender Aufgaben ständig Stellenzuwächse“ gegeben, etwa in den Bereichen Klimaschutz, Gleichstellung und Integration.

Verhandlungen werden genau beäugt

Laut Daten des Statistischen Bundesamtes sind die Tarifgehälter im öffentlichen Dienst zumindest bis 2023 weniger stark gestiegen als im Durchschnitt des Privatsektors. Allerdings wurden zuletzt im März 2024 die Gehälter erhöht – im Schnitt um 11,5 Prozent. Weil die Beschäftigten aus Steuermitteln bezahlt werden, werden ihre Verhandlungen genau beäugt. Wie also kommen die Gewerkschaften auf acht Prozent mehr Lohn?

Wilhelm Burgbacher, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft im Deutschen Beamtenbund, spricht von einer Fusion verschiedener Forderungen aus ganz Deutschland: „In den neuen Bundesländern herrschen immer noch andere Verhältnisse als hier in den alten. Dann spielt die Inflationsrate eine große Rolle, aber auch die normale Preisentwicklung, der Warenkorb. Und natürlich die Tarifabschlüsse in der freien Wirtschaft.“ Ziel sei es, für einen gewissen Gleichklang mit deren Entgelten zu sorgen.

Palmer für Nullrunde im öffentlichen Dienst

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sieht das mit Blick auf die klammen kommunalen Haushalte anders. Er findet: „Eigentlich wäre eine Nullrunde nötig im öffentlichen Dienst.“ Besonders absurd finde er, dass gerade in Mangelberufen wie bei den Erziehern Arbeitszeitverkürzungen durchgesetzt würden – schließlich seien viele Eltern von der Kinderbetreuung abhängig, um selbst arbeiten gehen zu können. „Da fehlt die Verantwortung fürs Ganze“, so Palmer.

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. | Bild: dpa

Es seien ja auch seine Beschäftigten, denen wolle er nichts Böses. Die Beschäftigten verdienten aber durchaus gut, sagt er. Weil die Gewerkschaften bereits kurz nach Ende der Friedenspflicht Warnstreiks zumindest nicht ausschließen, kritisiert Palmer eine „Eskalation des Arbeitskampfes“, die der Gesellschaft nicht guttue. „Das werfe ich den Gewerkschaften vor. Nicht, dass sie Forderungen stellen, das ist ihr Job.“

Fachkräftemangel auch in den Verwaltungen

Ein zentrales Argument der Gewerkschaften ist der Fachkräftemangel – 570.000 Fachkräfte fehlen bundesweit, 80.000 sind es in Baden-Württemberg. Der öffentliche Dienst müsse attraktive Konditionen anbieten können, um als Arbeitgeber konkurrenzfähig zu sein, lautet die Botschaft.

Gewerkschafter Burgbacher schildert ein wesentliches Problem dabei so: Wegen der zunehmenden Regelungsdichte in der Verwaltung – Stichwort Bürokratie – wäre eigentlich immer mehr Spezialisierung nötig. „Da, wo früher drei Gesetzesbücher auf dem Schreibtisch standen, sind es heute sechs Bände plus drei Meter Verordnungen“, so Burgbacher. Damit würden auch sogenannte Ermessensentscheidungen, die den Beschäftigten gewisse Freiheiten geben, immer seltener.

Heißt: Im Bauamt werden Ingenieure gebraucht, in der Sozial- oder Ausländerbehörde Juristen. Hoch qualifizierte Berufe also, die auch in der Privatwirtschaft gebraucht werden. „Wegen des Personalmangels müssen die Beschäftigten aber Generalisten sein, weil sie ständig in anderen Bereichen aushelfen müssen.“ Das führe zu einer wachsenden Arbeitsbelastung: Nach dem Gesundheitswesen folgt laut dem Psychoreport der Krankenkasse DAK der öffentliche Dienst mit den zweitmeisten Fehltagen.

Reichen Jobsicherheit und Sinnstiftung als Gründe?

Palmer hingegen sieht ein attraktives Berufsfeld im öffentlichen Dienst, die Bedingungen seien in den zurückliegenden Jahren für viele besser geworden. Und: Mit großer Jobsicherheit gerade in wirtschaftlich unruhigen Zeiten und der Sinnstiftung, etwas für die Gemeinschaft zu tun, müsse um gute Leute geworben werden. Das Gehalt, so ist das zu verstehen, das passt schon. Mit diesem Gesamtpaket müsste der öffentliche Dienst werben – das heiße, so Palmer, auch deutlich zu machen, wie gut die Bezahlung sei.

Dass man sich am Ende auf einen Kompromiss einigen werde und keine Nullrunde dabei herauskommt, sei aber auch ihm klar. Er wünscht sich aber, dass den Leuten reiner Wein eingeschenkt werde. Da wird er grundsätzlich: „Wenn Russland Krieg in Europa führt, wenn Trump die Zölle hochzieht und die Chinesen unsere Autos nicht mehr kaufen, dann gibt es weniger, dann gibt es nichts zu verteilen.“ Die Frage des sozialen Ausgleichs sei dabei immer relevant, Vermögende müssten ebenso ihren Beitrag leisten.

„Tarifauseinandersetzungen waren immer konfliktreich“

Er würde gerne mehr Klarheit hören, so Palmer. „Dann glaube ich auch an die Vernunft der Leute, dass da was in Gang kommt.“ Er möchte zurück zur Sozialpartnerschaft, also das konsensorientierte Verhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, die er verletzt sieht.

Burgbacher sieht das anders. „Tarifauseinandersetzungen waren immer konfliktreich. Und wir kennen auch die Sichtweise der Arbeitgeber, sprechen regelmäßig mit Gemeinde- und Städtetag. Dass hier keine Partnerschaft herrschen würde, ist so nicht. Nur sind eben die Interessenlagen unterschiedlich.“

Am 24. Januar starten die Verhandlungen, diesmal mit einer Besonderheit: Zwischen den Runden findet eine Bundestagswahl statt. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nannte die Forderungen kürzlich utopisch und unverantwortlich. Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die an den Tarifgesprächen teilnimmt, sagte in Richtung Gewerkschaften: „An ein paar Stellen sind wir sehr beieinander.“ Es dürfte spannend werden.