Den Altdorfer Wald im Kreis Ravensburg mit Baumhäusern zu besetzen ist ihre Art des Protest. Für die rund 20 bis 30 jungen Klima-Aktivisten aus der Ravensburger Region steht fest: Sie verlassen den Wald erst, wenn der Regionalplan des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben (RVBO) gekippt und die Rodung gestoppt wird. Denn auf einer Fläche von elf Hektar Wald soll in dem rund 10.000 Hektar großen Forst künftig Kies abgebaut werden.
Blockade von zwei Kieswerken am Donnerstag
Den Regionalplanentwurf bezeichnen die Aktivisten als „Klima-Höllen-Plan“. Mit dem Protest aufzuhören ist für sie keine Option, sie wehren sich mit voller Vehemenz. Am frühen Donnerstagmorgen haben die Klimaaktivisten Zufahrten zu zwei Kieswerken blockiert. Sie spannten Seile, errichteten Holzblockaden und legten eine Kette an ein Zufahrtstor, wie eine Sprecherin der Polizei in Ravensburg am Donnerstag sagte.
Die Polizisten versuchten, die Blockade im Gespräch mit den rund zehn Aktivisten aufzulösen. Mindestens einer der Aktivisten sei aber mit einer Drehleiter der zur Hilfe gerufenen Feuerwehr von einem Baum geholt worden.
Aktivisten müssen sich wegen Nötigung verantworten
Die Aktivisten wurden vorläufig festgenommen und nach Ende des rund sechs Stunden dauernden Einsatzes auf ein Polizeirevier gebracht. Sie müssen sich nun wegen Nötigung verantworten. Einer der Beteiligten wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt.
Generell wird das Klimacamp kritisch beäugt. „Die Entwicklungen verfolge ich mit großer Sorge und Bedauern“, erklärte Bernhard Dingler, Leiter des Forstbezirks Altdorfer Wald, bereits Anfang April.
Wald-Besetzung für Aktivisten eine Abwägungssache
Von Woche zu Woche steigt die Zahl der Baumhäuser. Mehr als 15 sind es mittlerweile, wie Aktivist Samuel Bosch erzählt. Der 18-Jährige ist seit Tag eins dabei, er lebt seit Ende Februar ausschließlich im Wald. Dass die Besetzung ein Eingriff in die Natur ist und negative Auswirkungen auf Flora und Fauna hat, sei den Aktivisten bewusst. Bosch spricht von einer „Abwägungssache“: „Für die Natur ist das natürlich nicht gut, aber lieber besetzen wir den Wald, wie das für eine Kiesgrube gerodet wird“, findet er.
Kritisiert wurde die Waldbesetzung auch kürzlich von der Opposition im Landtag. Die Landesregierung riskiere, durch ihre abermalige Untätigkeit einen Präzedenzfall für die Region und das gesamte Land zu schaffen, teilte jüngst Klaus Hoher, agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion aus Salem (Bodenseekreis) mit.
Wenn eine Versammlung aufgelöst werden müsse, solle dies zeitnah durchgesetzt werden und dürfe sich nicht über Wochen hinziehen. Ansonsten würden in Zukunft immer mehr Aktivisten die gleichen Rechte für sich reklamieren und darauf setzen, dass der Staat schon nicht eingreifen werde, so Hoher.

Zuständige Behörde für den Altdorfer Wald ist das Landratsamt, welches „die Situation fortlaufend überprüft, um gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen treffen zu können“, schreibt Selina Nussbaumer von der Stabstelle des Landrats.
Räumung bislang noch kein Thema beim Landratsamt
Jüngst sagte der Ravensburger Professor Wolfgang Ertel, ein Unterstützer der Klima-Aktivisten: „Ich finde das Camp klasse, obwohl es illegal ist.“ Ertel hielt aus dem Altdorfer Wald eine Vorlesung. Ist die Besetzung illegal? Überschreiten die Aktivisten mit ihrer Art des Protests also Grenzen? „Unsere Bewertung ist noch nicht abgeschlossen“, heißt es vage von Seiten des Landratsamts. Eine Räumung scheint aktuell also wohl noch kein Thema zu sein.
Für die Aktivisten ist klar: „Wir gehen hier nicht freiwillig weg.“ Samuel Bosch engagiert sich im Altdorfer Wald vor allem bei den Aktionen mit Bannern. „Mit den Bannern wollen wir viele Leute erreichen. Sie müssen provokant genug sein“, sagt der 18-Jährige. Das Landratsamt hat in den vergangenen Wochen bereits Banner entfernt, wie die Aktivisten in einer Pressemitteilung schreiben. Ihre Reaktion? Ein neues Banner wurde aufgehängt – mit der Aufschrift: „Ihr könnt unsere Banner zerstören, aber nicht die Kraft, die sie schufen.“

Das Landratsamt geht darauf nicht darauf ein. Genau so wenig wie auf die Frage, wie man einordnet, dass die Aktivisten in den vergangenen Wochen mit ihren Aktionen immer wieder Straßensperrungen verursacht haben. Als Versammlungsbehörde stehe man aber in regelmäßigem Austausch mit den Baumbesetzern. Samuel Bosch sagte jüngst in einer Mitteilung der Aktivisten: „Bestimmt war es dem Landratsamt peinlich, wie viel Klimazerstörung es wegen des Politikversagens umsetzen muss.“
Mehr und mehr Baumhäuser kommen dazu
Der Baumhaus-Protest im Altdorfer Wald läuft also vorerst weiter. Die Zahl der Baumhäuser steigt und steigt – weitere Banner-Aktionen und Straßensperrungen werden wohl folgen.

Samuel Bosch erklärt, dass man keinen Konflikt mit dem Landratsamt oder der Polizei wolle, sondern immer nach Lösungen suche. Denn Fakt ist für die Waldbewohner: „Wir hoffen, nicht geräumt zu werden.“ Dafür würden sie Klima-Aktivisten den Wald auch so besetzen, dass „wir nur schwer zu räumen sind“. Zu Gewalt-Vorfällen sei es im Altdorfer Wald bisher nie gekommen. Und sobald die Rodung gestoppt wird, werde man gehen – um in einen anderen Wald umzuziehen, wo der Protest gegen Rodungen weitergeht.