Am Dienstag, 10. Dezember, beginnt einer der meistbeachteten Prozesse des Jahres. Und das am Amtsgericht Wuppertal. Hier werden drei Männer angeklagt, zwei 53-Jährige und ein 30-Jähriger. Es geht um die versuchte Erpressung der Familie von Rennsport-Legende Michael Schumacher. Reporter aus aller Welt werden dazu erwartet – und noch am ersten Tag zehn Zeugen.
Was hat das mit Südbaden zu tun?
Die drei Angeklagten sind am Bodensee bestens bekannt. Nur einer von ihnen, der frühere Türsteher Hüseyin S. (Name geändert, der Redaktion bekannt) der Diskothek Grey, befindet sich noch in Haft. Er soll die am Genfersee lebende Familie Schumacher im Juni dieses Jahres telefonisch kontaktiert und 15 Millionen Euro gefordert haben. Sein Sohn soll ihm dabei geholfen haben, eine E-Mail-Adresse einzurichten, von der aus eine Datei als Beweis an die Familie geschickt worden ist.
Wie kamen die Angeklagten an die Daten?
Die Dateien soll S. von seinem langjährigen Bekannten Peter W. (Name geändert) bekommen haben. Beide haben nach SÜDKURIER-Recherchen schon in den 2000ern gemeinsam im Konstanzer Nachtleben für Sicherheit gesorgt. Peter W. arbeitete viele Jahre für die Familie Schumacher. Hier war er laut Staatsanwaltschaft unter anderem mit der Sicherung von Daten beauftragt gewesen.
Wenige Tage nach Vater und Sohn wurde Peter W. in Wülfrath bei Wuppertal verhaftet. W. soll S. die Daten zunächst für einen fünfstelligen Betrag überlassen haben.
Die Ermittler entdeckten bei Durchsuchungen zwei Festplatten und vier USB-Sticks, auf denen sich laut Staatsanwaltschaft Wuppertal unter anderem „Videos und Fotodateien befunden haben sollen, die Aufnahmen des im Jahre 2013 verunglückten ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher beinhalten, die sowohl vor als auch nach dem Unfallgeschehen gefertigt wurden“.
Es sollen sich noch weitere vertrauliche Informationen auf den Datenträgern befunden haben. Durchsuchungen gab es unter anderem in Solingen, Wuppertal und Wülfrath. Auch in Kreuzlingen wurde kurzzeitig eine Person festgenommen. In Konstanz durchsuchten Ermittler den Zweitwohnsitz von S. sowie die Diskothek Grey, wo er zuletzt an der Tür stand. Auch W. war einst in dem Club beschäftigt.
Warum wird das Verfahren in Wuppertal geführt?
Das Amtsgericht Wuppertal ist zuständig, weil der mutmaßliche Haupttäter, ein 53-jähriger Wuppertaler, seinen Wohnsitz dort hat. Zudem soll die Erpressung von dort aus koordiniert worden sein, etwa die Kontaktaufnahme zur Familie Schumacher.
Mehrere Personen aus Konstanz haben dem SÜDKURIER allerdings bestätigt, dass ihnen die Daten bereits Ende 2022 zum Kauf angeboten worden sind. Der Plan: S. bat die Angesprochenen um eine fünfstellige Summe, um damit einen Rechtsanwalt in der Türkei zu bezahlen, der als Mittelsmann dienen sollte, um die Dateien zu Geld zu machen. Im Raum soll damals eine Summe von bis zu 20 Millionen Euro gestanden haben.
Ein Rechtsanwalt vom Bodensee hielt streng vertrauliche Bilder von Michael Schumacher bereits im Jahr 2021 in den Händen, wie er dem SÜDKURIER sagte. Einer seiner Mandanten, ein Mann aus Konstanz, habe ihn gebeten, das Material loszuwerden. Er übergab es daraufhin einer Mitarbeiterin der Familie bei einem Treffen in der Schweiz.

Was muss man vor dem Prozess wissen? Wird es auch um den Zustand von Michael Schumacher gehen?
Das Amtsgericht Wuppertal hat bestätigt, dass ein Antrag auf Nebenklage gestellt wurde. Über diesen war am Montag noch nicht entschieden worden. Das geschieht laut einer Sprecherin wohl erst während der Hauptverhandlung. Die Identität des Nebenklägers wurde offiziell nicht bekannt gegeben.
Dennoch ist es naheliegend, dass es sich um ein Mitglied der Familie Schumacher handelt. Ein Anwalt könnte im Verfahren versuchen, die Öffentlichkeit auszuschließen sowie alle Aussagen zu unterbinden, die Rückschlüsse auf den Zustand des Rennfahrers zulassen oder dass Bilder aktenkundig (und damit vervielfältigt) werden. Das dürfte die Verhandlung nicht beschleunigen.

Da es sich um eine versuchte Erpressung handelt, könnten die Angeklagten mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafen rechnen (§ 253 StGB). Der Haupttäter soll S. sein. Er ist bereits vorbestraft und stand unter Bewährung, als er verhaftet wurde. Auch die Mitangeklagten sind vorbestraft. Da das Amtsgericht zuständig ist, ist das Strafmaß jedoch auf maximal vier Jahre begrenzt.
Wie groß ist das Medieninteresse?
Aus London bis Istanbul bis Singapur bis Zürich: Medien aus aller Welt haben über das bevorstehende Verfahren berichtet. Um an dem Prozess teilnehmen zu können, nahm das Amtsgericht ein aufwendiges Auswahlverfahren vor. Nur wenige Kamerateams und Fotografen dürfen in den kleinen Verhandlungssaal. Es gibt 27 Plätze für Berichterstatter, der SÜDKURIER wird dabei sein.
Für den ersten Verhandlungstag sind zehn Zeugen geladen, auch vom Bodensee reisen einige an. Es bleibt abzuwarten, ob die Angeklagten sich äußern. Der zweite Verhandlungstag ist für den 23. Dezember angesetzt, die Urteile sollen erst im Februar 2025 fallen.