Steht die große Kreisstadt Radolfzell mit ihren knapp 32.000 Einwohnern vor einer Oberbürgermeister-Dämmerung? Für neutrale Beobachter ist es nicht ausgeschlossen, für die Unterstützer des Herausforderers Simon Gröger wahrscheinlich, dass der Oberbürgermeister von Radolfzell am Sonntagabend nach der Wahl nicht mehr Martin Staab heißt.
Die Unterstützer von Simon Gröger, dem 36-jährigen Wirtschaftsförderer in Tuttlingen, kommen von der Freien Grünen Liste (FGL), der CDU und der SPD. Martin Staab, 57-jähriger Verwaltungswissenschaftler, Mitglied der Freien Wähler, seit acht Jahren OB in Radolfzell, bietet dieser Überzahl, was die Sitze im Gemeinderat angeht, die Stirn. Bei der Kandidatenvorstellung verwies Staab auf seine Erfahrung. Sie habe ihn gelehrt, der Stuhl eines Bürgermeisters sei weder schwarz, noch rot, noch grün.

Grüne, SPD und CDU unterstützen Herausforderer
Der OB stellt mit dieser Abgrenzung zu den Parteifarben seine Unabhängigkeit heraus und deutet damit eine Abhängigkeit des Herausforderers an. In der Tat haben Grüne, CDU und SPD Simon Gröger in dessen Büro angerufen, nach einigen Gesprächen als Gegenentwurf zu Martin Staab ausgewählt und als ihren gemeinsamen Kandidaten für die OB-Wahl präsentiert. Sie unterstützen Gröger im Wahlkampf auch finanziell mit je 3500 Euro.

Bringt das Gröger in eine Abhängigkeit, wie es ihm Staabs Unterstützer vorwerfen? Die Frage wäre: Welche Abhängigkeit und wofür? In einem Wahlkampf rechnet man mit Kosten von etwa einem Euro pro Einwohner, macht in Radolfzell über 30.000 Euro Wahlkampfkosten für einen Kandidaten. Auch Staab bekommt Spenden. „Von privater Seite“, sagt er. Birgt das Abhängigkeiten? Spenden im Wahlkampf sind legitim, ohne sie könnten viele Kandidaten gar nicht antreten.
Immer wieder Konflikte zwischen OB und Gemeinderat
Entscheidend für den Ausgang dürfte eher sein, ob die Wähler den Auslöser für die Kandidatensuche der drei Parteien nachvollziehen können. Im Dezember 2017 sprachen Vertreter von FGL und CDU nach der Vertrauenskrise zwischen OB Staab und Bürgermeisterin Monika Laule von einem Klima der Angst und des Misstrauens im Rathaus. Immer wieder machen Stadträte Konflikte am Umgang des OB fest. Sie wollen einen neuen Vorsitzenden für ihren diskursfreudigen Gemeinderat, der Auseinandersetzungen „auf Augenhöhe“ löst. Das verspricht Gröger, dessen Stärke das persönliche Gespräch ist. Staab verspricht weiter ein OB „mit Ecken und Kanten“ zu sein. Dessen Stärke ist seine bestimmende Art. Die finden gerade manche dann angebracht, wenn die Debatten im Gemeinderat kein Ende finden.