Nach rund anderthalb Stunden Podiumsdiskussion stand Simon Gröger am Dienstagabend von seinem Stuhl auf. Die Kandidaten sollten nun ein Schlusswort an die rund 400 Radolfzeller im Milchwerk und die Zuschauer im Livestream richten. Gröger war als Erster an der Reihe – schließlich hatte er sich zuvor im Schnick-Schnack-Schnuck gegen Amtsinhaber Martin Staab durchgesetzt.
Gröger sprach in Worten, die er in seinem Wahlkampf bereits häufig verwendet hatte: Gemeinsam und „auf Basis von Vertrauen“ müsse sich Radolfzell weiterentwickeln. Das könne „in einem wertschätzenden Miteinander“ gelingen. Anschließend erhielt er einen langen Applaus von den Zuschauern im Saal.
Staab betonte dagegen, dass Radolfzell einen OB mit Ecken und Kanten brauche und zitierte einmal mehr Manfred Rommel, ehemaliger Oberbürgermeister von Stuttgart: „Wenn Ihnen heute keiner so recht gefallen hat, dann wählen Sie halt einfach mich.“ Das gab moderaten Applaus und zeigte, dass die Podiumsdiskussion ein Duell ohne Dominanz gewesen war.
OB Staab geht Konfliktthemen aus dem Weg
Welche Gäste an diesem Abend aber welchen Kandidaten applaudieren würden, war bereits wenige Minuten nach Beginn der Veranstaltung deutlich geworden. Aussagen von Staab wurden von Unterstützern in den vordersten Reihen vehement beklatscht. Gröger hatte dagegen keine Unterstützer mitgebracht, erhielt dennoch Beifall aus weiten Teilen des Saals. Dies geschah beispielsweise, als er einen neuen Führungsstil im Rathaus ankündigte und Staab damit einen Seitenhieb verpasste.
Stärken und Schwächen der Kandidaten im Überblick
Auf genau diesen Konflikt ging der 57-Jährige Amtsinhaber bei einer Schnellfragerunde nicht konkret ein. Zum vermeintlich harten Umgang mit Mitarbeitern der Stadt in der Vergangenheit sagte er: „Das ist ein Fördern und Fordern, man muss auch motivieren und Kompromisse finden.“ Und wie er die Konflikte mit dem Gemeinderat sehe, in dem sich die Fraktionen von CDU, FGL und SPD Gröger einen Gegenkandidaten gesucht haben? Diese seien von der Presse aufgebauscht. „99 Prozent der Abstimmungen sind einstimmig erfolgt“, so Staab.
Gröger wirbt mit Kompetenzen als Wirtschaftsförderer – Staab zeigt in Antworten Detailwissen und Erfahrung
Die Nachfragen der Moderatoren brachten Staabs Selbstsicherheit nichts ins Wanken. Insgesamt konnte er sich bei der Podiumsdiskussion vor allem durch Erfahrung im Amt und Detailwissen von seinem Herausforderer abheben. Selbstlob über das Erreichte blieb nicht aus – trotz vermeintlicher Fluktuation bei Mitarbeitern der Stadt, trotz illegaler Waldrodung im Markelfinger Winkel und trotz Erziehermangel.
Im Laufe des Abends mussten Staab und Gröger aber nicht nur Antworten in einer Schnellfragerunde geben und ihre eigene Chefqualitäten bewerten, sondern auch Fragen zu unterschiedlichen Themen beantworten. Bei den Themen Mobilität oder Wirtschaft gab es Übereinstimmungen, bei den Streitpunkten Streuhau oder Wohnungspolitik gingen die Meinungen deutlich auseinander. Offensichtlich wurde im Milchwerk, dass sich beide Kandidaten am deutlichsten in ihrer Persönlichkeit unterscheiden: Staab zeigte sich als souveräner Redner mit Ecken und Kanten, Grögers Stärke sind möglicherweise eher die Gespräch mit den Menschen abseits der großen Bühne, auf die er im Wahlkampf besonders wert gelegt hat.
Trotz Nervosität keine Patzer beim Herausforderer
Trotz Unerfahrenheit leistete sich Gröger im Milchwerk keinen Patzer. Auch nicht, als ein Zuschauer ihn fragte, welcher Partei er als Kandidat, der von den Fraktionen von FGL, CDU und SPD im Radolfzeller Gemeinderat unterstützt wird, nach der Wahl beitreten werde. Schließlich würden diese offenbar seinen Wahlkampf aus Steuergeldern finanzieren, so der Fragensteller.
Die Parteienfrage sei bislang noch offen, antwortete Gröger. Den Vorwurf wegen der Steuergelder wies der Herausforderer aber zurück. Er merkte an, dass es sich dabei um Zuwendungen der Parteien aus Mitgliedsbeiträgen handele. „Einen Großteil der Kosten für meinen Wahlkampf übernehme ich selbst“, versicherte Gröger.