Der russische Angriff auf die Ukraine schlägt auch auf Südbaden durch. Die Suppenküchen für russische Arme, die von Doris Epple vor bald drei Jahrzehnten in Wangen (Kreis Konstanz) ins Leben gerufen wurden, stehen vor einem kaum lösbaren Problem: Die Organisation kann die gespendeten Gelder nicht mehr nach Russland überweisen, da das Land vom internationale Zahlungssystem Swift ausgeschlossen wurde.

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Ottmar Steffan von der Caritas Osnabrück, der die Geschäfte der Doris-Epple-Stiftung heute betreut.

Die Finanzen reichen höchstens für drei Monate

Steffan hat in den vergangenen acht Tagen unzählige Telefonate mit den Verantwortlichen in Russland geführt. „Was ich gerade erlebe, ist mit Worten nicht zu beschreiben: Entsetzen, Scham, Angst. Keine Hoffnung. Gar keine. Wieder fällt ein Eiserner Vorhang“, berichtet zum Beispiel Natalja Pewzowa, Direktorin der Caritas in St. Petersburg.

Sie verwaltet die Hilfsgelder aus Süddeutschland und gibt diese vor Ort aus – zum Beispiel für Nahrungsmittel oder für Kleidung für Obdachlose. Zwei, maximal drei Monate kann die Caritas vor Ort noch von der Substanz leben. Dann müsse man die Angestellten in den Sozialdiensten und den Küchen entlassen. Im Raum steht die Zahl 106 – so viele Mitarbeiter hat alleine die Caritas in St. Petersburg unter Vertrag.

Kein Geld – keine Suppen, Socken, kein Tee und keine Medizin. Auf diesen Nenner lässt sich die Arbeitsweise des deutsch-russischen Projekts bringen. Inzwischen melden sich die ersten deutschen Spender bei der Caritas; sie sorgen sich um die Zukunft der Suppenküche, nachdem die EU massive Sanktionen gegen Russland verhängte, von denen auch humanitäre Aktionen betroffen sind.

Doris Epple kam zunächst als Touristin

Doris Epple hat mir ihren sozialen Einrichtungen ein Werk geschaffen, das ihren Tod im Jahr 2020 überdauert. Die Rechtsform ist die einer Stiftung, die inzwischen an die Caritas in Osnabrück angedockt ist, die sich schon lange mit Russland beschäftigt. Epple kam in den 90er Jahren erstmals nach St. Petersburg, zunächst als Touristin. Schnell entdeckte sie die Not, die sich hinter den glänzenden Fassaden versteckt und die von der reichen Oberschicht ignoriert wird.

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Sie begann mit einer Suppenküche im ehemaligen Leningrad, gründete eine zweite. Später mietete sie Wohnungen an und organisierte einen medizinischen Basisdienst. Die gelernte Optikermeisterin schaffte dabei ein Kunststück: 100 Prozent der Spenden gelangten in das riesige Land, dessen Präsident damals noch Boris Jelzin hieß.

Sämtliche Arbeit an Verwaltung und Banküberweisungen leistete Epple in ihrer Freizeit als Pensionärin. Das machte sie unabhängig und schuf Vertrauen bei den Unterstützern.

Bild 1: Russlandhilfe von der Höri steht vor dem Kollaps, weil Spenden nicht mehr überwiesen werden können
Bild: Fricker, Ulrich

Russland ist nicht Putin

Indes warnt der Russland-Spezialist Steffan vor einer Dämonisierung des riesigen Landes. Er will die Bevölkerung von der aggressiven Führung unterschieden wissen. Die zunehmend verarmenden Unterschichten profitierten ohnehin nicht vom Gebaren der Oligarchen, sagt Steffan im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Ein großer Stein fiel dem Caritas-Referenten vom Herzen, als er sechs Freiwillige zurückholen konnte. Sie halfen im Rahmen des Freiwilligen Dienstes im Ausland (FDA) an verschiedenen Projekten in Russland mit. Schon bald nach der Kriegserklärung Russlands besorgte Steffan Flugtickets, um die Helfer nach Deutschland zu holen. Drei Tage später konnten sie in der Bundesrepublik sicher landen, berichtet er.