Der Polizeieinsatz in Unterkirnach wegen eines Ex-Soldaten, der drohte, sein Haus in die Luft zu sprengen, hat Fragen aufgeworfen. Legal besaß er mehrere Waffen, SEK-Beamte stellten kistenweise Munition, Schwarzpulver und Gewehre sicher.

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Wie viele Besitzer legaler Waffen es in der Region gibt, darüber hat der SÜDKURIER bereits berichtet. Doch werden diese Waffen und der Umgang mit Ihnen regelmäßig kontrolliert? So, dass kein Gewehr, keine Pistole in falsche Hände gerät und alles ordnungsgemäß aufbewahrt wird?

Unangekündigte Besuche zu Hause

Zuständig dafür sind die 14 Waffenbehörden in der Region, die angesiedelt sind bei Landkreisen oder Städten. So gibt es etwa im Landkreis Konstanz fünf Waffenbehörden: Die Städte Singen, Konstanz, Stockach und Radolfzell haben eigene, für den Rest ist das Landratsamt zuständig.

Oder genauer gesagt: Gerhard Paschotta. Schon seit 24 Jahren ist er im Ordnungsamt des Landkreises Konstanz Sachbearbeiter Polizeirecht und unter anderem für Waffenrecht zuständig. Zu den Aufgaben des Amtes gehört es, diejenigen, die legal Gewehre, Pistolen und Büchsen besitzen, unangekündigt zu Hause zu besuchen.

Gerhard Paschotta.
Gerhard Paschotta. | Bild: Landratsamt

Wie läuft eine Kontrolle ab?

Gerhard Paschotta erklärt, wie eine Kontrolle abläuft: „Der Waffenbesitzer zeigt seinen Tresor, wir haben eine Bestandsliste der Waffen dabei, die da sein sollten. Die haken wir ab. Es ist keine polizeiliche Durchsuchung, es wird etwa nicht in Nebenräume geschaut.“ In den Anfangsjahren war er selbst mit der Amtsleitung unterwegs.

„Wir schafften es vielleicht dreimal im Jahr“, sagt er. Doch seit 2014 hat sich die Anzahl der Besuche bei Waffenbesitzern vervielfacht. 2023 gab es 166 Kontrollen unter unter den 1239 Inhabern von Waffenbesitzkarten, also den Menschen, die offiziell Waffen besitzen dürfen. Im Schnitt, so die Kreis-Pressestelle, käme man auf 150 pro Jahr.

Pensionierte Polizeibeamte helfen aus

Denn: Die Zahl der Kontrolleure wurde erhöht. Zwei pensionierte Polizeibeamte übernehmen jetzt die Besuche. Nicht nur im Zuständigkeitsbereich des Landkreis Konstanz ist das so. Auch andere Waffenbehörden greifen auf Polizisten im Ruhestand zurück, zum Beispiel der Bodenseekreis. Und landete damit in einer deutschlandweiten Recherche zu Kontrollen der Waffenbehörden von Report Mainz 2021 auf den Top-Plätzen. Doch nicht überall wird so gut kontrolliert.

Im Gegensatz dazu ist bei der Waffenbehörde der Stadt Radolfzell nur eine Halbtagskraft auf Tour bei Sportschützen, Jägern und Sammlern. Immerhin, muss man sagen. Denn, wie Julia Theile Referatsleiterin in der Stadtverwaltung auf Anfrage berichtet, war die Stelle lange Zeit gar nicht besetzt. So konnten 2023 nur 22 Kontrollen bei Waffenbesitzern durchgeführt werden. Das ist im Vergleich wenig.

In Stockach hingegen ist Sophia Igl im Ordnungsamt allein für das Thema Waffenrecht zuständig. Mit einer Begleitperson schaut sie, ob bei den 825 legalen Waffenhaltern alles ordentlich zugeht. 238 Kontrollen schaffte sie 2023.

Was sagt das Gesetz?

Laut Waffengesetz müssen die Waffenhalter in „regelmäßigen Abständen“ unangekündigt besucht werden. Seit dem Amoklauf in Winnenden 2009 sollen Ämter überprüfen, ob die Schützen alles sicher aufbewahren. Denn: In Winnenden bewaffnete sich der Täter mit Waffen, die im Schlafzimmer der Eltern offen herumlagen.

Eine genaue Regelung, wie häufig die Behörde vor Ort auftauchen muss, gibt es jedoch nicht. Die Waffenbehörden entscheiden nach eigenem Ermessen. In Überlingen versucht die Waffenbehörde, alle fünf Jahre aufzutauchen, wie die Pressestelle auf Anfrage mitteilt. 69 Aufbewahrungskontrollen gab es 2023 unter den 413 Waffenhaltern. Unsere Recherche zeigt: Die Schlagzahl der Kontrollen ist von Amt zu Amt unterschiedlich und abhängig vom Personal.

Hätte eine Kontrolle den Vorfall in Unterkirnach verhindert?

Zurück zum Vorfall in Unterkirnach. Hätte eine Kontrolle bei dem 62-jährigen Ex-Zeitsoldaten den Großeinsatz verhindern können?

Es wird noch ermittelt. Einige Waffen in seinem Besitz besaß er wohl legal. Aber, gab die Polizei bekannt, nicht für alles vorgefundene Material hatte er die Erlaubnis. Von einem Waffenarsenal ist die Rede, Sprengstoff, Munition.

Braucht es also ein schärferes Waffenrecht, wie es Grüne und SPD im Bund schon lange fordern?

Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Ulm.
Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Ulm. | Bild: Grüne BW

Der grüne Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich aus Ulm befasst sich seit Jahren mit dem Thema. Er sagt: „Es gibt Landkreise, da finden faktisch kaum Kontrollen statt. Das hat mit Priorisierung zu tun, aber auch mit Stellen. Mit einer halben Stelle kommen sie nicht hinterher.“

Grüne und SPD wollen Waffenrecht verschärfen

Der 32-Jährige setzt sich für Veränderungen im Waffenrecht ein. Unter anderem möchte er, dass das psychologische Gutachten, das Menschen bis 25 absolvieren müssen, wenn sie eine Waffe wollen, für alle Altersgruppen verpflichtend ist.

Zum Fall Unterkirnach sagt er: „Laut jetzigem Stand ist die Person in der Vergangenheit häufiger aufgefallen, das wäre im Rahmen eines verpflichtenden Gutachtens möglicherweise ans Licht gekommen.“ Auch bei Menschen mit bestimmten schweren psychischen Erkrankungen sollte genauer hingesehen werden, so Emmerich.

Ganz anders sieht das der FDP-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Benjamin Strasser aus Berg bei Ravensburg. „Wir haben eines der strengsten Waffenrechte der Welt, wir brauchen keine Verschärfung.“

Benjamin Strasser, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium.
Benjamin Strasser, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium. | Bild: Elisa-Madeleine Glöckner

Strasser kennt sich im Bereich Extremismus aus, nach seiner Erfahrung seien die Legalwaffenbesitzer selten das Problem.

„Friedlich und leidenschaftslos“

Wie verhalten sich die Waffenbesitzer so bei den Kontrollen? Gibt es oft Ärger? Gerhard Paschotta vom Landratsamt sagt: „Nein, es läuft friedlich und leidenschaftslos ab.“ Und: „Andere Behörden wären froh, wenn sie so einen Kundenkreis hätten, das sind zumeist nette Menschen, die halt ein Hobby haben, es ist für sie ein Sport.“

Bei den Kontrollen 2023 gab es keine Beanstandungen des Landratsamtes Konstanz. Von allen 14 angefragten Waffenbehörden meldeten die meisten geringfügige Regelwidrigkeiten. In Radolfzell etwa: eine nicht ganz korrekte Schlüsselaufbewahrung, eine nicht ganz angemessene Munitionsaufbewahrung. In Überlingen: eine Ordnungswidrigkeit.

Im Landkreis Waldshut stießen die Beamten auf die meisten Beanstandungen. Bei 210 Kontrollen fanden sie drei geladene Waffen, ein unerlaubtes Magazin und einen falschen Waffenschrank, teilt die Pressestelle mit.

Sportschützen und Jäger unter Generalverdacht?

„Laut den aktuellsten Zahlen vom BKA, die leider von 2014 sind, stammen nur fünf Prozent der Waffen im Bereich Kriminalität von Legalwaffenbesitzern“, so Benjamin Strasser. Die 95 Prozent illegal Bewaffneten sollten der Fokus sein. „Die Sportschützen sind ehrenamtliche Vereine, die sich zu Recht gegängelt fühlen“, sagt er.

„Waffen sind keine Tennisschläger“

Davor warnt auch der Grüne Marcel Emmerich: „Der weit größte Teil der Menschen, die eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen, gehen einfach nur ihrem Sport nach, oder der Jagd.“ Aber es sei wichtig, genau hinzusehen. Denn. „Waffen sind keine Tennisschläger, deswegen ist es in öffentlichem Interesse, dass der Staat genau hinsieht.“

Auch der Angeklagte im Fall der vermissten Jasmin M, Robert S., war Hobby-Sportschütze und veröffentlichte von sich selbst Fotos, wie er ...
Auch der Angeklagte im Fall der vermissten Jasmin M, Robert S., war Hobby-Sportschütze und veröffentlichte von sich selbst Fotos, wie er mit mit historischen Schusswaffen trainiert. | Bild: Fb

Und in noch einem sind sich der Grüne und der FDP-Mann einig: Es brauche mehr Personal in den Waffenbehörden, um die Regeln, die es bereits gibt, noch besser umzusetzen. „Das kann aber kein Gesetz der Welt ändern“, so Benjamin Strasser. Da müsse das baden-württembergische Innenministerium Geld in die Hand nehmen.