Herr Fiebig, die Bauern in Baden-Württemberg laufen Sturm gegen das geplante Insektenschutzpaket des Bundes. Was ist das Hauptproblem?

Das auf Bundesebene am Mittwoch beschlossene Gesetzespaket zum Insektenschutz konterkariert alle Bemühungen, die Politik, Verbände und landwirtschaftliche Erzeuger in den Jahren 2019 und 2020 zum Thema Insektenschutz auf Landesebene getroffen haben.

Das, was im Bund gerade diskutiert wird, gefährdet die familienbäuerliche Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: Wenn die Pläne so durchgehen sind sie der Sargnagel für die kleinräumige-regionale Landwirtschaft, wie sie für den Südwesten typisch ist. Außerdem wäre sie dem Naturschutz im größeren Rahmen auch nicht dienlich.

Warum?

Es besteht die Gefahr, dass die Produktionsbedingungen der heimischen Landwirtschaft derart verschlechtert werden, dass viele Erzeuger aufgeben. Dann müssen wir Salatköpfe, Obst und Getreide aus dem Ausland importieren. Und dort ist der Einsatz von Pestiziden oft gar nicht geregelt.

Nehmen Sie Kirschen aus der Türkei, Fleisch aus Südamerika oder Getreide aus der Ukraine. Wenn die Produktion hierzulande aufhört, werden Import aus solchen Weltregionen steigen, mit allen negativen Folgen für die Natur dort.

Benjamin Fiebig leitet seit Jahren den Südbadischen Bauernverband BLHV in Freiburg als Geschäftsführer.
Benjamin Fiebig leitet seit Jahren den Südbadischen Bauernverband BLHV in Freiburg als Geschäftsführer. | Bild: privat

Dennoch ist, auch aus regionaler Sicht, mehr Naturschutz doch gut?

Wir tun da bereits sehr viel, was in der Diskussion gar nicht gewürdigt wird. Durch das neue Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg wird bereits der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten grundsätzlich verboten. Diese Regel war Ausfluss der breiten Debatte über den Bienenschutz der hierzulande 2019 und 2020 geführt wurde. Damals haben wir uns nach langem Ringen im breiten Konsens darauf geeinigt, sogenannte FFH-Flächen vom strikten Pestizidverbot auszunehmen. Das neue Bundesgesetz will nun aber genau das wieder.

In Baden-Württemberg geht es dabei um über 11 Prozent der Landesfläche, auf denen heute Landwirtschaft noch möglich ist. Käme das Verbot, könnten wir die Landwirtschaft auf diesen Flächen komplett abschreiben. Obstbau ist beispielsweise ohne den Einsatz von zwingend notwendigen Insektiziden, biologischen wie konventionellen unter den heutigen Bedingungen schlicht nicht möglich.

Welche Bereiche der Landwirtschaft wären am härtesten getroffen?

Insbesondere der Obstbau wäre vom Insektizidverbot in FFH-Gebieten und eventuell auch in Vogelschutzgebieten massiv betroffen. Des Weiteren würde die Ausweitung des Biotopschutzes auch große Anteile des baden-württembergischen Grünlands und Streuobstes betreffen, die unsere Kulturlandschaft prägen.

Bei Markdorf stehen mehrere grüne Holzkreuze als Mahnmahl der Bauern auf einer Wiese. Zahlreiche Landwirte haben im Jahr 2019 als ...
Bei Markdorf stehen mehrere grüne Holzkreuze als Mahnmahl der Bauern auf einer Wiese. Zahlreiche Landwirte haben im Jahr 2019 als Zeichen des Protestes grüne Kreuze am Rande ihrer Felder aufgestellt. Mittlerweile hat man sich in Baden-Württemberg auf neue Regeln geeinigt. | Bild: Felix Kästle, dpa

Wieso sind Herbizide wie Glyphosat etwa im Steillagenweinbau so wichtig?

Generell will ich einmal klarstellen: Der Schutz der Insekten ist grade für uns Bauern ein ureigenes Anliegen. Wir setzen uns in vielfältiger Art und Weise dafür ein, aber wir müssen mit unseren Produkten eben auch am Markt überleben können.

Was die Steillagen oder Kleinststrukturen angeht, so gibt es schlicht keine mechanische Alternative zum Herbizid-Einsatz. Auch für diese besonders wertvolle Agrarstruktur brauchen wir chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Die Landesregierung hat dies erkannt und entgegen dem eingeleiteten Volksbegehren Herbizide und Insektizide in FFH- und Vogelschutzgebieten nicht generell verboten. Nun sollte auch die Bundesregierung beim Aktionsprogramm unbedingt gleichziehen.

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Warum hat der Bund nicht aus der Diskussion in Baden-Württemberg vor 2 Jahren gelernt und diese Punkte im neuen Gesetz entsprechend berücksichtigt?

Das Aktionsprogramm Insektenschutz bringt nun, beginnend mit dem Insektenschutzgesetz, die alte Problematik des Volksbegehrens erneut auf den Tisch. Es konterkariert und gefährdet Kompromisse, auf die sich Landwirtschaft und Naturschutz im Land im Sommer 2020 verständigt haben.

Das Insektenschutzgesetz auf Bundesebene durchkreuzt und überlagert die bei uns gefundenen Kompromisslinien. Es trifft jene am härtesten, die schon am meisten geleistet haben und denen das Landesgesetz noch vieles abverlangen wird. Es gefährdet außerdem massiv die störungsfreie Fortsetzung des in Gang gekommenen Dialogprozesses, wie er auch im neu eingerichteten Kulturlandschaftsbeirat des Landes stattfindet.