Peter Kremser hat am Telefon nicht viel Zeit – er bekomme mittlerweile einfach zu viele Anrufe, sagt er. Das sei mit seiner Arbeit nicht mehr vereinbar. Der Leiter der klinischen Studie von Curevac und Direktor des Tropeninstituts an der Uniklinik Tübingen hat in diesen Tagen alle Hände voll zu tun. Neben der Impfstudie begleitet der Professor auch den Modellversuch in Tübingen.

Professor Peter Kremsner leitet die klinische Studie zum Corona-Impfstoff von Curevac.
Professor Peter Kremsner leitet die klinische Studie zum Corona-Impfstoff von Curevac. | Bild: Moll, Mirjam

Das Tübinger Impfstoffunternehmen steht offenbar unter Druck. Denn auch Curevac selbst gibt sich auf Anfragen des SÜDKURIER inzwischen eher wortkarg. Die Aktie hatte seit Februar immer wieder Federn gelassen, legte jüngst aber wieder zu. Dennoch steckt das Unternehmen noch tief in den roten Zahlen. Andere Firmen sind längst mit ihrem Impfstoff auf dem Markt. Dabei gehörte Curevac im vergangenen Jahr zu den großen Hoffnungsträgern, startete als eine der ersten die klinische Studie. Inzwischen hofft das Unternehmen auf eine Zulassung im Juni.

Lauterbach fordert Schnellzulassung

Dabei könnte die deutsche Impfkampagne einen Schub durch das Tübinger Unternehmen gut gebrauchen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mediziner Karl Lauterbach forderte deshalb angesichts der steigenden Infektionszahlen die schnelle Zulassung von Curevac.

Unternehmenssprecher Thorsten Schüller hält eine kurzfristige Zulassung in der EU dagegen für wenig realistisch: „Es ist unwahrscheinlich, dass die regulatorischen Behörden vor Vorliegen der Wirksamkeitsdaten eine Zulassung geben werden“, sagte er dem SÜDKURIER auf Nachfrage. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn erteilte derlei Forderungen zuletzt aber eine Absage. Doch Schüller sagt auch, dass eine Zulassung „ohnehin in den nächsten Wochen der Fall sein wird“.

Kremsner jedenfalls gibt sich zuversichtlich. Alle 40.000 Probanden seien in die entscheidende dritte Phase der klinischen Studie aufgenommen, haben also ihre Impfung erhalten. In den kommenden Wochen werden genügend Daten für die Zulassung vorhanden sein, so die Erwartung des Professors.

Zulassung in der Schweiz?

Das Unternehmen hat sich bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), die für die Zulassungen im EU-Markt zuständig ist, für das sogenannte Rolling-Review-Verfahren angemeldet, wobei nach und nach die relevanten Daten für eine Zulassung eingeliefert werden können, um am Ende die finale Prüfung zu beschleunigen.

Auch in der Schweiz hat Curevac inzwischen eine entsprechende Schnellzulassung beantragt. Dass der Impfstoff dort schneller als in der EU zugelassen wird, gilt aber als wenig wahrscheinlich. In der Regel folgt die Schweizer Behörde den Empfehlungen der EU mit einigen Wochen Abstand.

Wie lange Curevac auf die Zulassung in der Alpenrepublik wird warten müssen, weiß auch die Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic noch nicht: „Die Dauer hängt von der Vollständigkeit der durch Curevac eingereichten Daten und den Resultaten der klinischen Versuche ab.“

Anfangs Finanzierungsprobleme

Unternehmenssprecher Schüller verteidigt den Rückstand des Curevac-Impfstoffs im Vergleich zu anderen: „Die Impfstoffentwicklung dauert üblicherweise acht bis zehn Jahre – daher sind wir mit unserer aktuellen Entwicklung gut unterwegs.“

Das Problem lag demnach anderswo: „Wir hatten anfangs nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung, um mit aller Kraft starten zu können.“ Das ist inzwischen anders – das Unternehmen erhielt Finanzspritzen von der EU, dem Bund und dem neuen Geschäftspartner GSK.

Hinzu kam ein weiteres Erschwernis. Während die anderen Impfstoffe kurz vor der Zulassung standen oder schon bekommen hatten, als die Mutationen sich auszubreiten begannen, trafen sie die noch laufenden Studien bei Curevac schon zu Beginn der entscheidenden dritten Phase der klinischen Studie.

Die Virusvarianten hätten eine „genaue Analyse in unserer laufenden klinischen Studie 2b/3 nötig“ gemacht, erklärt Sprecher Schüller. Wie groß deren Einfluss auf die Studien sei, ließe sich noch nicht abschätzen, hatte Unternehmenschef Franz-Werner Haas in einer Videokonferenz gesagt.

Doch der Impfstoff scheint zu wirken: Präklinische Studien an Mäusen zeigen die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die südafrikanische Mutante des Virus.

Wirksamkeit zeichnet sich ab

Das bestätigt man auch bei der Uni Tübingen mit Blick auf die britische Variante, die in Europa zunehmend verbreitet ist. Zwar ließen sich zur klinischen Wirksamkeit noch „keine Aussagen treffen“. Denn die Studie läuft verblindet, die Ärzte wissen dabei ebenso wenig wie die Patienten, ob sie den Impfstoff bekommen haben oder ein Placebo. „In vitro sieht die Wirksamkeit gut aus, auch, was die britische Mutante angeht“, erklärt Kremsner.

Auch bei den Nebenwirkungen gibt es bislang Kremsners Angaben nach keine Auffälligkeiten, im Gegenteil: „Bereits beim Blick auf die verblindeten Daten kann man sehen, dass der Impfstoff genauso verträglich ist wie die bereits in der EU zugelassenen Impfstoffe.“

Studie mit Jugendlichen geplant

Bei der laufenden Studie in Panama und Peru hofft Curevac, sogar Jugendliche ab 12 Jahren impfen zu können. Dafür müsste das bisherige Impfprotokoll aber angepasst werden. Einen entsprechenden Antrag hat Curevac bei den zuständigen Behörden Ende März gestellt.

Anfang März stellte das Unternehmen den erstern Prototyp eines RNA-Druckers vor. Er könnte maßgeblich für die Produktion werden. Die ...
Anfang März stellte das Unternehmen den erstern Prototyp eines RNA-Druckers vor. Er könnte maßgeblich für die Produktion werden. Die Herstellung des Botenstoffs, der mRNA, wäre damit nicht mehr auf die Großanlagenproduktion beschränkt. Man könne damit also schnell auf Krankheitsausbrüche reagieren und vor Ort produzieren. Noch ist das Gerät aber nicht in der Marktproduktion. | Bild: Firmenbild/Curevac/dpa

Damit könnte sich Curevac in Europa einen Marktvorteil verschaffen. Bislang ist nur Biontech für ab 16-Jährige zugelassen. Kein Impfstoff ist bislang für jüngere Kinder erlaubt.

Lieferstart noch offen

Wie schnell Curevac liefern könnte, wenn die Zulassung der EU erteilt ist, beantwortet der Sprecher indes nicht.

Zuletzt hatte das Unternehmen aber angekündigt, in diesem Jahr 300 Millionen Dosen zu produzieren, 2022 sollen sogar bis zu eine Milliarde Dosen möglich sein. Dazu hat sich Curevac Unterstützung von Bayer und GSK geholt. Auch in Heidelberg soll der Impfstoff produziert werden.

Kremser ruft noch etwas in Erinnerung. „Der Impfstoff von Curevac – einer ehemals kleinen Firma von der schwäbischen Alb – ist nach wie vor unter den Top 20 der Impfstoffkandidaten und hat damit etwa 250 weitere hinter sich gelassen.“

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