Guido Wolf saß am vergangenen Mittwoch oben auf der Zuschauertribüne des Landtags, letzte Reihe, ganz rechts. Weiter konnte der Abstand zum Geschehen unten im Plenarsaal gar nicht sein. Dort hatte gerade Winfried Kretschmann zum dritten Mal seinen Amtseid als Ministerpräsident abgelegt, dort wurden die Mitglieder der neuen Landesregierung vereidigt. Auch Wolfs Nachfolgerin im Amt, Marion Gentges, die neue Justizministerin.

„Ganz normal und wie immer war es natürlich nicht. Das waren für mich auch innerlich aufwühlende Momente“, sagt Guido Wolf ein paar Tage später. „Einerseits ist es eine demokratische Normalität, mit der ich auch gut umgehen kann. Aber andererseits war es auch persönliche Betroffenheit, aus dem Kabinett auszuscheiden. Da geht so manches in einem vor.“

Wolf am Ende – des Alphabets

Dass Wolf auf der Tribüne saß, hatte mit den Corona-Abstandsregeln und dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamens zu tun. Im Plenarsaal war nicht genug Platz für alle, es ging nach dem Alphabet, und Wolfs Name kommt bei der CDU zuletzt. Aber auch sonst spielt Guido Wolf, 59 Jahre alt, jetzt nicht mehr vorne mit.

Wolf war ganz vorne. Er war Landtagspräsident, CDU-Fraktionsvorsitzender, er griff 2016 nach dem Amt des Ministerpräsidenten, landete aber als Spitzenkandidat mit dem bis dato schlechtesten CDU-Wahlergebnis erstmals hinter den Grünen. Dass er danach ankündigte, eine Regierung gegen den Wahlsieger Kretschmann bilden zu wollen, kam nicht gut an. Seine Avancen Richtung SPD und FDP für eine „Deutschlandkoalition“ hatten kein Mandat seiner Partei, Wolf manövrierte sich damit ins Abseits.

CDU-Landeschef Thomas Strobl, der Wolf noch im Wettstreit um die Spitzenkandidatur unterlegen war, koalierte mit Kretschmann. Strobls persönliche Rechnung mit Wolf, sie blieb damals offen. Namens der Partei wurde der Spitzenkandidat für seinen Einsatz dagegen standesgemäß abgefunden – mit dem Justizministerium, plus der Zuständigkeit für Europa und Tourismus.

Er schob etwas an

Wolf richtete sich ein, machte seinen Job und erntete dafür nach außen durchaus Anerkennung. Er schob Justizprojekte an und setzte mehr Personal durch, richtete in Brüssel die Landesvertretung neu aus und widmete sich mit Begeisterung dem Tourismus. „Mein Grundprinzip im Leben und in der Politik ist, das, was ich tue, auch mit Herzblut zu tun“, sagt Wolf heute. „Das hilft, die Arbeit mit viel Leidenschaft zu erfüllen. Ich bin in der Rolle, in die ich gestellt wurde, immer voll und ganz aufgegangen, etwa damals als Landtagspräsident. So war das bei diesem Zuschnitt auch.“

Heftige Kritik unter der Hand

Aus dem Ministerium freilich drang immer wieder Unruhe nach draußen, Wolfs Führungsstil wurde unter der Hand heftig kritisiert, ein Vorwurf, der ihn schon aus Landratszeiten in Tuttlingen begleitete. Mehrere fähige Köpfe verließen das Justizministerium. Manchen ist noch eine Spitzenrunde im Hinterkopf, in der Wolf seinen hoch angesehenen Amtschef Elmar Steinbacher angebrüllt haben soll wie einen Schulbub.

Wolf dagegen blickt positiv zurück. „In der Justiz war es von Anfang an eine harmonische Zusammenführung, und das ist fünf Jahre lang so geblieben“, sagt er. „Die Rückmeldungen aus der Justiz sind allesamt sehr, sehr wohlwollend, und das freut mich.“

Nach der verlorenen Wahl 2016: In Stuttgart wird ein Plakat mit dem damaligen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf abgebaut.
Nach der verlorenen Wahl 2016: In Stuttgart wird ein Plakat mit dem damaligen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf abgebaut. | Bild: Patrick Seeger/dpa

Parteiintern freilich stand Wolfs Name seitdem auf der Liste derer, die immer wieder genannt wurden, wenn es um die mutmaßlichen Drahtzieher von Durchstechereien, Unruhen und Intrigen in der grün-schwarzen Zusammenarbeit ging. Zurückverfolgen ließ sich nie etwas. Aber es gibt auch heute noch Stimmen im CDU-Landesvorstand, die ihm unterstellen, Wolf habe Grün-Schwarz bis zuletzt scheitern lassen wollen. Dass Wolf sogar in diesem März noch hinter Strobls Rücken über eine „Deutschlandkoalition“ gesprochen haben soll, hält sich als unbestätigtes Gerücht, befeuert aus den Tiefen der Südwest-CDU – wiewohl sowohl Wolf als auch alle potenziell Beteiligten dies vehement verneinen. Es zeigt: Da ist noch so manches am Gären.

Direktmandat – aber schon beim Koalitionsvertrag nicht mehr gefragt

Nun geht Grün-Schwarz in die Neuauflage, und Wolf ist künftig „nur“ noch Landtagsabgeordneter. Als einer von zwölf CDU-Abgeordneten hat der 59-Jährige seinen Wahlkreis, Tuttlingen-Donaueschingen, direkt gewonnen. Dass er dennoch nicht mehr gefragt sein würde in der Regierung, deutete sich schon in der Besetzung der Arbeitsgruppen für den Koalitionsvertrag an. Bei Europa könne er mitmachen, bei der Justiz sei die Nachfrage zu groß, wurde ihm beschieden. Mit ihm habe niemand über eine neue Funktion in der Regierung gesprochen, sagt Wolf. „Ich wusste nur, was in der Zeitung stand, nichts anderes.“

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Ob er damit gerechnet hatte, keine Rolle mehr zu spielen? Wolf gibt sich als Profi. „Mich in einer Opferrolle zu sehen, ist nicht mein Ding. Politik lebt von gegebenen Rahmenbedingungen. Bestimmte Reflexe sind nach verlorenen Wahlen üblich – verjüngen, weiblicher, bunter werden“, sagt Wolf. „Neuaufstellungen nach Wahlen sind ganz normal. Es gibt kein Abo auf Ministerposten. Wenn jetzt bei dieser Aufstellung entscheiden wird, dass es ohne mich geht, dann akzeptiere ich das.“

Eine neue Zeit, nicht nur des fehlenden Dienstwagens wegen

Der Zukunft will Guido Wolf gelassen entgegen sehen. Politisch gestalten will er jedenfalls weiter. Das sei er schon seinem Mandat schuldig. „Ich habe nicht vor, mich auszuruhen“, sagt er. „Jeder weiß in der Fraktion, was ich einbringen kann. Und wenn es irgendeine Rolle gibt, für die man mich vorsieht, stehe ich sicher nicht beleidigt neben dem Feld.“ In der neu aufgestellten Fraktion fühle er sich wohl. „Es wird neu, es wird anders, aber ich gehe mit großer Bereitschaft, mich da weiterhin einzubringen, an die Arbeit.“ Dass jetzt eine neue Zeit angebrochen ist, hat er auch auf anderer Ebene zu spüren bekommen. Die vergangenen zehn Jahre stand ihm ein Dienstwagen mit Fahrer zur Verfügung. Nun hat er erst mal ein Auto zugelassen.