Dass mittlerweile die Nerven blank liegen, merkte man. Dass der angeklagte Zirkusdirektor eigentlich gar nicht hier sein will, auch. Das sagte er schon am ersten Verhandlungstag Anfang Juli. Doch brauchte es noch einen dritten Verhandlungstag, bis gegen ihn endlich ein Urteil feststand.

Die Uhr zeigt 9.04 Uhr. Das Verfahren läuft seit vier Minuten. Schon folgt die erste Unterbrechung. Eine weitere geladene Zeugin, die Schwägerin des angeklagten Zirkusdirektors, ist nicht auffindbar.

Die Anspannung im Gerichtssaal ist greifbar

Mit rotem Kopf sitzt er da, der Angeklagte. Noch immer war strittig, ob die Polizeibeamten am 3. Januar 2024, an dem sie den herzkranken Mann zu Boden drückten, nachdem es schon zum zweiten Mal binnen weniger Tage zu Ausschreitungen beim Weihnachtszirkus gekommen ist, rechtmäßig agierten oder nicht. Den Kopfstoß, den er dem Tierrechtsaktivisten Christoph Bürkle verpasst hat, woraufhin dieser zu Boden ging und beinahe von einem Auto überrollt wurde, hatte der Angeklagte schon eingeräumt.

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Einige Minuten später kommt die Zeugin. Von dem Tumult am 3. Januar habe sie klar etwas mitbekommen, hatte gehört, wie die Musik, die mutmaßlich den Protest der Tierrechtsaktivisten übertönen sollte, mal lauter, mal leiser gedreht wurde. Einen „Kindergarten“ nannte sie das, im Europa-Park werde schließlich auch laut Musik gespielt. „Es war wie im Film“, fasste die Zeugin den Tumult zwischen Zirkusmitarbeiter und Polizei zusammen.

Dann will der Verteidiger des Angeklagten, Kolja Prieß, zum wiederholten Mal die Bodycam-Aufnahmen der Polizisten sehen. Kurz darauf gibt es die zweite Unterbrechung, wenige Minuten später schon die nächste.

Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafe

Vor dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft folgt eine weitere, rund 15-minütige Unterbrechung. Und das Plädoyer hat es in sich: In allen Anklagepunkten, Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung, tätlicher Angriff, sollte der Angeklagte schuldig gesprochen werden. Das vorgeschlagene Strafmaß der Staatsanwaltschaft: Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.

Das lässt Verteidiger Koljia Prieß nicht auf sich sitzen. In seinem knapp 45-minütigen Plädoyer hält er eine flammende Rede gegen Polizeigewalt. Laut ihm hätten die Polizisten selbst vor Gericht gesagt, dass sie nicht wussten, auf welcher Rechtsgrundlage sie agierten. Wenn man bei allem, was Polizisten machen, ein Auge zudrückt, dann sei das das „Ende des Rechtsstaates“, sagt der Verteidiger.

Dass das Verfahren um den Zirkusdirektor nicht das Ende des Rechtsstaates sei, der Fall sogar eher noch zeige, wie die Demokratie funktioniert, begründet die Richterin bei der Urteilsverkündung. Sie spricht den Angeklagten schuldig und verhängt eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu 15 Euro (in Summe 3000 Euro).

Christoph Bürkle hat von dem verurteilten Zirkusdirektor einen Kopfstoß bekommen. Weiter demonstrieren, will er trotzdem.
Christoph Bürkle hat von dem verurteilten Zirkusdirektor einen Kopfstoß bekommen. Weiter demonstrieren, will er trotzdem. | Bild: Marina Schölzel

Und Christoph Bürkle? Der will weiter für Tierrechte im Zirkus demonstrieren, sagt er dem SÜDKURIER. „Wenn Menschen andere Menschen auf offener Straße angreifen, da weiß man, wie es sich hinter den Kulissen mit den Tieren verhält“, sagt er. „Solange es noch Tiere im Zirkus gibt, machen wir weiter. Denn die haben, anders als ich, kein Verfahren, keinen Verteidiger – sie haben uns. Das sind wir.“