Einer der beiden Zeugen sagt nicht die Wahrheit im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizeiaffäre um Andreas R.. Nur eine Version kann stimmen – entweder die von Ralf Michelfelder, früherer Chef des Landeskriminalamtes (LKA), oder die des CDU-Landtagsabgeordneten Christian Gehring, der zwar für die CDU im Ausschuss sitzt, aber vor dem Gremium als Zeuge aussagen muss. Ein Konflikt, der bereits Rücktrittsforderungen aus dem Ausschuss an Gehring aufbrachte.

Wie so vieles in dem Untersuchungsausschuss, dem politischen Schauplatz der unappetitlichen Affäre um Andreas R., dreht sich bei der Sitzung alles um die Frage: Wie und auf wessen Geheiß konnte der nun so skandalumwitterte Andreas R. trotz Zweifeln an seiner Eignung, Erfahrung und Spitzenbewertung so schnell in das Amt das höchsten Polizisten des Landes kommen?

Christian Gehring (CDU), Abgeordneter des Landtags von Baden-Württemberg, wurde beim Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre als Zeuge ...
Christian Gehring (CDU), Abgeordneter des Landtags von Baden-Württemberg, wurde beim Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre als Zeuge befragt. | Bild: Marijan Murat/dpa

Andreas R., 50, Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, seit November 2021 freigestellt wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung gegenüber einer jüngeren Beamtin, sieht am Freitag auf der juristischen Bühne seinem Urteil entgegen.

Im parallel laufenden Untersuchungsausschuss kommen mit jeder weiteren Zeugenbefragung und jedem weiteren Sitzungstag neue Fragen auf zu den Vorgängen hinter den Kulissen auf der Führungsebene von Polizei und Innenministerium. So auch im Fall Gehring und Michelfelder.

Hat Gehring über Michelfelder Gerüchte gestreut, dass dieser nach seiner Pensionierung Ausrüstungsgegenstände aus dem LKA behalten habe und gemeinsam mit Kräften aus dem Innenministerium das Interesse verfolgt, Michelfelders Ruf anzukratzen? Von wem gingen Hinweise darüber an einen Stuttgarter Journalisten, der daraufhin mit Recherchen und Berichten über Michelfelder begann?

Sollten Michelfelder bewusst in Frage gestellt werden?

Erfolgte das alles deshalb, weil sich zu dieser Zeit der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre bildete und Michelfelder weit und breit der Einzige aus der Polizeispitze war, der schon früh vor einer weiteren Beförderung von Andreas R. gewarnt, diesen als seinen Stellvertreter im LKA abgelehnt, gar als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet hatte – und dies auch im Untersuchungsausschuss aussagen und damit weitere Fragen über das Beförderungsgebaren an der Polizeispitze und im Innenministerium aufwerfen könnte?

Sollte Michelfelders Glaubwürdigkeit öffentlich angekratzt werden, indem man im Innenministerium auf seinen sofortigen Widerspruch gegen die dreieinhalb Monate gar nicht reagierte und ihn auch nicht über Nachfragen des Journalisten informierte?

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Das vermutet jedenfalls Michelfelder selbst, wie er erneut aussagt. Er verstand die Gerüchte, den Informationsfluss an den Journalisten und die Berichterstattung – gegen die er sich juristisch teils erfolgreich zur Wehr setzte – als „Einschüchterungsversuche“, ohne nachvollziehen zu können, wer davon profitieren könnte.

Gehring sagt dagegen: Nein, er habe zu keinem Zeitpunkt Gerüchte über Michelfelder verbreitet, schon gar nicht im Arbeitskreis Polizei der CDU. Und dort habe er auch nicht gefordert, sich mit Andreas R. nach Bekanntwerden der Vorwürfe zu solidarisieren. Aber Gehring bleibt mehrfach im Unklaren, als er im Ausschuss konkret gefragt wird. Michelfelder sagt dagegen: Der damalige Staatssekretär im Innenministerium, Wilfried Klenk, habe ihm auf Nachfrage genau dies bestätigt – dass eben Christian Gehring die Quelle von haltlosen Vorwürfen gegen ihn gewesen sei.

Nun ist Christian Gehring nicht nur CDU-Landtagsabgeordneter und Mitglied in eben jenem Untersuchungsausschuss. Gehring ist auch Polizeibeamter, war einst Personenschützer von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus, landete über den Staatsschutz 2019 im Landespolizeipräsidium, bevor er 2021 in den Landtag gewählt wurde. Die CDU-Fraktion wählte Gehring – trotz der Vorwürfe Michelfelders im Landtag – zum Sprecher ihres Arbeitskreises Polizei.

Es bleibt dem Ausschuss nun nur ein Weg, den Widerspruch der Zeugenaussagen zu klären und die Frage, wer Michelfelder schaden wollte: Wilfried Klenk, seit Ende Juli im Ruhestand, muss erneut als Zeuge geladen werden.