Donnerstagmittag, Buslinie 40, kurz vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Im hinteren Bereich des Busses drei junge Frauen und ein junger Mann auf einer Vierer-Sitzgruppe, sie unterhalten sich laut, lachen. Keiner von ihnen trägt eine Maske. Ihnen gegenüber sitzt eine ältere Frau mit Mund-Nasenschutz, die immer wieder hinsieht, den Kopf schüttelt. Sie hat einen Gehstock bei sich, kann während der Fahrt nicht an einen anderen Platz wechseln. Sie traut sich nicht, etwas zu sagen, sucht Blickkontakt zu anderen Fahrgästen. Auch zu mir. Ich gehe hin, bitte die vier jungen Leute, eine Maske aufzusetzen.

Nicht alle wollen die Maskenpflicht in Bahn und Bus akzeptieren.
Nicht alle wollen die Maskenpflicht in Bahn und Bus akzeptieren. | Bild: Arne Dedert, dpa

„Was willst du denn, Alte“

Einige Fahrgäste murmeln Zustimmung, andere schauen weg. „Maske hab‘ ich vergessen“, sagt der junge Mann und grinst seine Begleiterinnen an. Ich weise höflich darauf hin, dass man nur mit Maske einsteigen darf. „Was willst du denn, Alte“, kommt zurück, „wir steigen eh‘ gleich aus.“ Es wird lauter, der junge Mann pöbelt, andere Fahrgäste mischen sich ein. Die Gruppe drängt zum Ausgang. „Ihr spinnt doch alle, glaubt ihr den Scheiß etwa, den die Medien da schreiben“ schimpft der junge Mann, rempelt mich an und hustet beim Aussteigen provokant Fahrgäste an. „Jetzt habt ihr alle Corona!“ ruft er. Der Busfahrer vorne hat nichts mitbekommen.

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Kein Einzelfall. Maskenverweigerer sitzen in vielen Bussen und Bahnen, oft wird auch nur der Mund bedeckt. Dabei ist das Tragen von Mund- und Nasenschutz durch die Corona-Verordnung in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und auf den Bahnsteigen vorgeschrieben. Zumindest in Stuttgart sind auf Bahnsteigen und in Bussen und Bahnen die entsprechenden Hinweise nicht zu übersehen und zu überhören, die Durchsagen kommen alle paar Minuten aus den Lautsprechern, werden auf den Fahrplananzeigern eingeblendet, überall gibt es Hinweisschilder. Wer sich nicht daran hält, riskiert ein Bußgeld zwischen 25 und 250 Euro.

Im Hamburg kontrollieren Mitarbeiter der Hamburger Hochbahn-Wache die Einhaltung der Maskenpflicht in U-Bahnen.
Im Hamburg kontrollieren Mitarbeiter der Hamburger Hochbahn-Wache die Einhaltung der Maskenpflicht in U-Bahnen. | Bild: Daniel Reinhardt, dpa

Im Zweifel lieber weiter gehen

Aber was tun, wenn Mitfahrer in Bus und Bahn und auf den Bahnsteigen die Maske verweigern? „Ansprechen ist prinzipiell möglich“, sagt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart auf Anfrage. „Aber man sollte daran denken, dass es auch Personen gibt, die von der Maskenpflicht ausgenommen sind. Und man sollte Fingerspitzengefühl für die Situation haben und sich im Zweifel nicht selbst in Gefahr bringen, sondern lieber entfernen und sich einen anderen Platz suchen.“

Noch immer drohen saftige Bußgelder

Die Polizei aber könne jederzeit hinzugerufen werden. „Lieber zweimal anrufen als gar nicht“, sagt die Sprecherin. Die Busfahrer jedenfalls kontrollieren nicht, ob Masken getragen werden, für die Zugführer geht es ohnehin nicht. Und die wenigen Fahrkartenkontrolleure, die im Streckennetz unterwegs sind, haben keine Handhabe, außer im Konfliktfall selbst die Polizei zu rufen.

Polizei muss Maskenpflicht durchsetzen

In einer Mitteilung des Verkehrsministeriums heißt es zwar, die Verkehrsunternehmen seien zum Mitwirken an der Durchsetzung der Maskenpflicht im ÖPNV angehalten, die Durchsetzung aber sei Sache der Ortspolizeibehörden oder in den Zügen der Bahn Sache der Bundespolizei. „Wir sind nicht autorisiert, die Maskenpflicht durchzusetzen“, bestätigt auch eine Sprecherin des Stuttgarter Bus- und Bahnbetreibers SSB. „Die Fahrer und unsere Prüfer sind aufgefordert, auf die Maskenpflicht hinzuweisen“, sagt die Sprecherin, „außerdem können sich Fahrgäste jederzeit an unsere Fahrer wenden, die dann Kontakt mit der Leitstelle aufnehmen können.“

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Gezielt von Orts- oder Bundespolizei kontrolliert wird jedenfalls nicht, allenfalls bei gemeinsamen Aktionen von Verkehrsunternehmen und Polizei, wie es sie zuletzt in Stuttgart am 23. Juli gab. Dabei waren zwei zentrale Haltestellen überprüft worden – von knapp 18.000 Fahrgästen waren 117 ohne Maske unterwegs, weniger als ein Prozent. Vor dieser Aktion hatte die Stadt Stuttgart lediglich 97 Bußgeldverfahren gegen Maskensünder eingeleitet, die in der Regel 30 Euro zahlen mussten.

Vor allem in Stuttgart ist der Protest gegen die Schutmaßnahmen gegen das Coronavirus groß.
Vor allem in Stuttgart ist der Protest gegen die Schutmaßnahmen gegen das Coronavirus groß. | Bild: Bäuerlein, Ulrike

Eine „dramatische Zunahme der Maskenverweigerer“, wie sie Regierungschef Winfried Kretschmann kürzlich vor Journalisten beklagte und vor einer zweiten Welle durch nachlassende Disziplin warnte, wollen weder die Sprecher von SSB noch der DB Regio bestätigen. Der Alltag an den Bahnsteigen aber spricht eine andere Sprache – und eigens kontrolliert wird nicht.