Die Zeit läuft: In weniger als drei Wochen brauchen nicht nur die knapp 1.500 Polizistinnen und Polizisten des Polizeipräsidiums Konstanz eine Antwort auf diese Frage. Auch in Stuttgart dürfte die Personalie Kopfzerbrechen bereiten. Denn ab dem 1. April muss klar sein, wer das Präsidium am Benediktinerplatz künftig leitet.

Ursprünglich hatte das Innenministerium bereits im September 2024 einen neuen Polizeipräsidenten für Konstanz vorgestellt, doch gegen den Mann, der bisher einen Spitzenposten an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen inne hatte, wird seit Monaten ermittelt. Wegen der Vorwürfe gegen ihn übernahm zum Jahreswechsel der Ravensburger Polizeichef Uwe Stürmer kommissarisch das Amt.

Doch seine Interimszeit sollte nur drei Monate dauern – und die sind bald vorbei. Auch Stürmer weiß noch nicht, wie es weitergeht, erklärte er auf Anfrage. Er sei aber optimistisch: Der Sachverhalt sei ja weder komplex noch kompliziert. Nach seiner Einschätzung dürften die Strafverfolgungsbehörden bald eine Entscheidung treffen können. Von dieser hänge dann alles weitere ab.

Uwe Stürmer leitet als Interims-Präsident das Konstanzer Polizeipräsidium. Eigentlich endet seine Amtszeit am 31. März.
Uwe Stürmer leitet als Interims-Präsident das Konstanzer Polizeipräsidium. Eigentlich endet seine Amtszeit am 31. März. | Bild: Timm Lechler

Die Vorwürfe: Manipulation bei Leistungsprüfungen

Der Fall hat seinen Ursprung in der Ausbildung an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (HfPolBW). Dort sollen mehrere hochrangige Polizisten – ein Polizeipräsident, einen Vizepräsident, zwei hochrangige Polizisten sowie eine Tarifbeschäftigte – in einen Fall mutmaßlicher Falschbeurkundung verwickelt sein.

Baden-Württembergs Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz (2.v.l.) und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (3.v.l. CDU) ...
Baden-Württembergs Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz (2.v.l.) und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (3.v.l. CDU) müssen sich wieder Fragen zur Einstellungspraxis der Polizei gefallen lassen. | Bild: Christoph Schmidt

Ein Anwärter für den gehobenen Polizeidienst soll eine geforderte Mindestzeit in einer Sportprüfung – dem 5000-Meter-Lauf – nicht erreicht haben. Um mit Note 4,0 zu bestehen, darf man dafür längstens 24,5 Minuten brauchen, also 4:54 Minuten pro Kilometer.

Es war der zweite und entscheidende Versuch des Bewerbers, ein Scheitern hätte seine Entlassung bedeutet. Doch laut einem Hinweisgeber aus der Hochschule soll die Zeit im Nachhinein manipuliert worden sein – mit Wissen und Beteiligung mehrerer Führungskräfte. Das wurde im Innenausschuss des Landtags Mitte Januar deutlich.

Die Ermittlungen dauern indes weiter an, erklärte die Staatsanwaltschaft dem SÜDKURIER. Wie lange das noch dauern wird, könne man nicht sagen. Dass der Mann, der von Innenminister Strobl ursprünglich für das Amt am Bodensee vorgesehen war, seinen neuen Job antreten kann, gilt aber als ausgeschlossen.

Wie oft kommt so etwas vor?

Dass in Leistungsprüfungen geschummelt wird, ist offenbar kein Einzelfall. Auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Julia Goll teilte das Innenministerium im Februar mit, dass in den vergangenen zehn Jahren drei ähnliche Fälle bekannt wurden.

Zwei Mal seien gefälschte Sportnachweise im Bewerbungsverfahren vorgelegt worden, in einem Fall sei sogar der Bruder des eigentlichen Prüflings zur Wiederholungsprüfung angetreten. Wenn ein Verdacht auf strafbares Handeln bestehe, würden solche Fälle angezeigt, erklärte das Ministerium.

Bereits im November 2024, also noch vor Bekanntwerden der aktuellen Ermittlungen gegen hochrangige Polizeibeamte, hatte das Innenministerium auf eine Landtagsanfrage Golls geantwortet und eingeräumt, dass das Prüfungssystem im Nachhinein schon einmal geändert wurde.

Nachdem im Auswahlverfahren 2024 zunächst nur 78 von 1.723 Teilnehmern die Mindestpunktzahl von 35 von 70 möglichen Punkten (140 Fragen á 0,5 Punkte) erreicht hatten, schlug die Hochschule in VS einen „Erschwernisfaktor“ vor, um die Punktzahlen nachträglich zu erhöhen und das durchschnittliche Niveau früherer Jahre zu erreichen.

Nach Anwendung des „Erschwernisfaktors“ wurden 552 Bewerber zugelassen. Nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen will das Innenministerium prüfen, ob strukturelle Änderungen in den Prüfungsverfahren nötig sind.

Wie geht es nun weiter?

Das Innenministerium erklärte auf eine Anfrage des SÜDKURIER am Mittwoch nur: Erst wenn die strafrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen sind, werde über den Chefposten in Konstanz entschieden. „Unabhängig davon ist die Funktionsfähigkeit des Polizeipräsidiums Konstanz weiterhin voll sichergestellt und die Leitung der Dienststelle gewährleistet.“ Wer das machen soll, bleibt damit also: vorerst unklar.