Die Deutschen essen immer weniger Fleisch. Im Jahr 2021 waren es noch 55 Kilogramm pro Kopf – das ist laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung der niedrigste Wert seit Beginn der Berechnung im Jahr 1989. 2011 waren es noch 62,8 Kilo pro Kopf gewesen.

Während tierisches Fleisch von unseren Tellern verschwindet, werden in Deutschland immer mehr Ersatzprodukte produziert. Im Jahr 2021 waren es laut Statistischem Bundesamt 97.900 Tonnen, im Jahr zuvor 83.700 und zwei Jahre zuvor noch 60.400 Tonnen.

Immer weniger Metzger

Eine Berufsgruppe, die unter dieser Entwicklung ächzt, sind die Metzger. Im Jahr 2021 ging die Zahl der eigenständigen Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk laut Statistischem Bundesamt auf 10.870 Betriebe zurück – 2002 waren es noch knapp 19.000.

Heißt im Klartext: Rund 8.000 Metzger weniger in 20 Jahren. Trotz dieses Rückgangs ist die Zahl der Beschäftigten immens: Knapp 137.400 Mitarbeiter sind im Fleischerhandwerk tätig. Wie sieht ihre Perspektive aus? Welchen Wert hat Fleisch noch für die Konsumenten?

Frischetheke in einer Konstanzer Metzgerei Video: Jürgen Rössler

Der Krieg in der Ukraine mit Auswirkungen auf die Energie- und Lebensmittelpreise lässt ein Schnitzel fast schon zum Luxusgut werden. Jedenfalls ein qualitativ hochwertiges. „Der Trend seit Kriegsbeginn geht weg von Bio und regional hin zu billig“, sagt Katharina Müller, Geschäftsführerin der Metzgerei Otto Müller in Konstanz.

Hohe Qualität mit dementsprechenden Preise habe es schwer am Markt. Katharina Müller zeigt Verständnis für die Menschen: „Die Preissteigerungen insgesamt sind immens.“ Nicht jeder könne den bisherigen Lebensstil beibehalten.

„Es kommt auf die Qualität der Produkte an. Dann muss der Kunde entscheiden.“: Katharina Müller, Geschäftsführerin der ...
„Es kommt auf die Qualität der Produkte an. Dann muss der Kunde entscheiden.“: Katharina Müller, Geschäftsführerin der Metzgerei Otto Müller. | Bild: Hanser, Oliver

Fleisch wird immer teurer

Im Jahr 2021 waren laut Statistischem Bundesamt die Preise für Fleisch und Fleischwaren um 3,0 Prozent gegenüber 2020 gestiegen und damit etwa im gleichen Maße wie die Verbraucherpreise insgesamt. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 hatte sich das Bild gewandelt. Verbraucher mussten für Fleisch zunehmend überdurchschnittliche Preissteigerungen hinnehmen.

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Für private Haushalte könnten die Fleischpreise ein Beweggrund sein, das eigene Verbrauchsverhalten zu ändern und weniger Fleisch und Fleischwaren einzukaufen. Immerhin kosteten Fleisch und Fleischwaren im Mai 2022 16,5 Prozent mehr als im Mai 2021.

Unter den Fleischsorten verteuerte sich am stärksten Geflügel mit 23,8 Prozent. Rind- und Kalbfleisch kostete 22,3 Prozent mehr, Schweinefleisch war 21,2 Prozent teurer. Zum Vergleich: Die Inflationsrate lag im Mai 2022 bei +7,9 Prozent, die Preise für Nahrungsmittel stiegen im gleichen Zeitraum um 11,1 Prozent.

Qualität statt Quantität

Eine andere Entwicklung als Katharina Müller beobachtet Metzgermeister Simon Reiner. Er ist Chef der Metzgerei Hierling in Konstanz-Dettingen und trotz stagnierender Zahlen nicht beunruhigt. Ganz im Gegenteil. „Wir beobachten, dass die Menschen höheren Wert auf Produkte der Region legen“, sagt Simon Reiner. Heißt: Seltener Fleisch, aber wenn, dann „gute Qualität aus der Heimat“.

Simon Reiner führt die Metzgerei Hierling seit 2018.
Simon Reiner führt die Metzgerei Hierling seit 2018. | Bild: Oliver Hanser

Die Metzgerei Hierling schlachtet montags Schweine, donnerstags Rinder. „Wir kennen unsere Landwirte persönlich und wissen, dass sie die Tiere mit Respekt und Wertschätzung behandeln“, sagt Simon Reiner. Die Tiere würden alle auf dem Bodanrück gehalten. Für den Metzgermeister ist das optimal: „Es gibt keine weiten Anfahrtswege, Frische und Transparenz sind für uns selbstverständlich.“

Obwohl Katharina Müller einen Trend zu Billigfleisch sieht, geht sie bei der Metzgerei Otto Müller einen ähnlichen Weg. „Seit 100 Jahren setzten wir auf die Philosophie hochwertiger regionaler Produkte“, sagt sie. „Davon weichen wir nicht ab.“ Billigprodukte sollen weiterhin keinen Platz in der Theke finden. Immerhin sei die Schweizer Kundschaft zurückgekehrt nach der Pandemie. „Wir dürfen uns hier am Bodensee nicht beschweren.“

Transparenz durch persönlichen Kontakt

Laut Katharina Müller lautet die einzig mögliche Antwort auf die Herausforderungen: Qualität. „Wir arbeiten mit Landwirten aus der Region zusammen, bei denen das Tierwohl höchste Priorität hat.“ Über die Qualität des Fleisches werde schon beim Bauern direkt im Stall entschieden.

Im persönlichen Kontakt und bei regelmäßigen Besuchen werde mit den Landwirten abgestimmt, unter welchen Bedingungen die Aufzucht erfolgen solle. „Dadurch erhalten wir die Transparenz, um auch in Zukunft eine hochwertige Fleischqualität garantieren zu können.“

Simon Reiner erklärt, wo sich welche Stücke beim geschlachteten Rind befinden Video: Jürgen Rössler

Auch Simon Reiner erzählt von regelmäßigen Besuchen auf den Höfen seiner Landwirte. Auf der Homepage der Metzgerei Hierling gibt eine Liste Auskunft über Namen und Adressen der Lieferanten. „Regionalität hat Bio eigentlich längst abgelöst.“ Wenn er in Discountern oder in Supermärkten Fleisch für ein paar Euro je Kilogramm aus Ländern vom anderen Ende der Welt sieht, dann verdreht er die Augen: „Das hat nichts mehr mit Nachhaltigkeit und Qualität zu tun.“

Problem Massentierhaltung

Massentierhaltung haftet neben den miserablen Bedingungen für die Tiere zudem der Makel des gigantischen Co2-Ausstoßes an. Die Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen bezeichnet Intensivtierhaltung als größten Co2-Treiber – noch vor dem globalen Verkehr. Die Experten haben ausgerechnet: 14,5 Prozent der weltweiten durch Menschen verursachten Treibhausgasemissionen kommen aus der Haltung und Verarbeitung von Tieren.

Rund acht Prozent der Deutschen ernähren sich vegan oder vegetarisch. Die große Mehrheit isst Fleisch. 2019 wurden in Deutschland 59,7 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde für den Verkauf geschlachtet, schätzt das Statistische Bundesamt. 98 Prozent dieses Fleisches kommt aus Massenhaltung.

Respekt gegenüber Tier und Kunde

Für Simon Reiner ist das keine Option. „Wir holen die Tiere persönlich ab und schlachten sie bei uns“. Die Kette sei von Anfang bis Ende nachvollziehbar. Seine fachmännisch ausgebildeten Mitarbeiter versuchen zudem, das gesamte Tier zu verarbeiten. „Auch das hat etwas mit Respekt und Wertschätzung zu tun. Wir sind ausgebildete Facharbeiter und wissen genau, was wir machen“, sagt Metzgermeister Simon Reiner.

Das sieht auch Katharina Müller so. „Service für die Kunden muss auch an der Theke stattfinden, in dem wir fachmännisch beraten.“ Dazu gehöre auch der freundliche Umgang. Am Ende müsse aber der Konsument entscheiden, „ob er im Internet einkauft oder beim stationären Handel oder beim Discounter.“

So zerlegt ein professioneller Metzger einen Schweineoberschenkel Video: Jürgen Rössler

Dass es immer weniger Metzger gebe, die ihr Handwerk nach traditionellen Methoden ausüben, sieht Simon Reiner im Verhalten der Konsumenten begründet. „Wenn wir Billigfleisch vom Discounter kaufen, brauchen wir uns nicht zu wundern“, sagt er. „Wenn ich mir Fleisch oder Wurst für 99 Cent kaufe, will ich gar nicht wissen, was da alles reinkommt.“

Katharina Müller sieht nicht nur beim Discounter-Angebot Probleme. Bio-Fleisch aus dem Supermarkt komme oft aus ganz Deutschland oder sogar Europa „und das wird dann hunderte oder tausende Kilometer hierher gekarrt.“ Für sie sei Bio nur eine Marke. „Zack, Stempel drauf und fertig.“

Simon Reiner sieht sich alltäglich in der besten Kontrolle ausgesetzt – durch den Endverbraucher. „Wir stehen hinter der Theke und müssen für unsere Qualität gerade stehen“, erklärt er. „Unsere Kunden sind unsere Qualitätskontrolle. Wenn etwas nicht stimmt, erfahren wir es sofort.“

Simon Reiner hinter der Theke seines Hauptgeschäftes in Konstanz-Dettingen.
Simon Reiner hinter der Theke seines Hauptgeschäftes in Konstanz-Dettingen. | Bild: Schuler, Andreas

Bei den Massen-Metzgereien, die Wurst und Fleisch an Supermärkte und Discounter zum Spottpreis verscherbeln, sei dies anders: „Wer beschwert sich beim verantwortlichen Fleischer, wenn das Fleisch im Discounter schlecht war?“

Billigfleisch, Wurst von minderer Qualität zu erschreckend günstigen Preisen – sind das die Geister, die die Gesellschaft rief? „Das kann man so sagen“, sagt Katharina Müller. „Wir haben mündige Kunden, die selbst entscheiden dürfen, was sie einkaufen und wie viel ihnen Qualität wert ist.“