So ein schöner Termin: Bei Sofie Schellinger in der gemütlichen Küche sitzen, zuschauen, wie sie Fasnetsküchle bäckt und sich auf einen Kaffee mit ihr und Versucherle freuen!
Ja, die Fasnacht muss schon zum zweiten Mal ausfallen, aber das hält die 91-Jährige nicht von Traditionen ab, Gottseidank! Gleich und gerne willigt sie ins Schaukochen ein und lässt sich auch das Rezept abluchsen. Es steht so in kaum einem Kochbuch und auch das Internet gibt für Fasnetsküchle, die je nach Region auch als Scherben oder einfallslos und profan als Schmalzgebackenes bezeichnet werden, oft die Zugabe von Hefe vor.
In dieser Zubereitung ist das Triebmittel hingegen nicht nötig, und somit eignet sich der Teig explizit für Schnellentschlossene und „Aufdieletzteminutebäcker“ wie mich: In einer Viertelstunde ist das Ganze zusammengerührt und man kann die Stückle im leicht siedenden Öl baden lassen.

Das Familienrezept wird über Generationen vererbt
Aber von vorn: „Es ist ein ganz altes Rezept von meiner Mutter, ich hab‘ es nur etwas geändert. So nehme ich lieber Dinkelmehl, das ist gesünder“, sagt die Hildegard von Bingen-Anhängerin, die auch sonst noch allerlei Stärkungs- und Gesundheitsmittel nach der Idee der Klosterfrau braut und rührt.
Das muss wirken, denn die 91-Jährige ist geistig wie körperlich fit, wuselt in der Küche herum und lässt sich auch von den Hunden, dem Deutsch-Drahthaar Xara und dem Rauhaardackel Lexi, und ihrer quirligen Urenkelin Marie nicht ablenken. Sofie Schellinger weiht das Mädchen in die Herstellung der Fasnetsküchle ein. „Das ist keine große Kunst“, wehrt die 91-Jährige ab.
Für viele aber doch. Denn es braucht schon etwas Gefühl, bis die rautenförmigen Leckereien fertig sind. Den Teig hat sie an diesem Tag schon zusammengerührt, weil sie am Morgen noch zu einer Diamantenen Hochzeit eingeladen war. Mittagsschlaf? Kommt eh nicht in Frage. Also gleich in die Vollen!
Der runde Teigkloß wird ausgewellt, drei bis vier Millimeter dick. „Halt wie Weihnachtsplätzle“, so Sofie Schellinger. Mit einem Teigrädle rollt sie Rauten aus. Das gibt schöne Kanten. Jetzt die Probe: Sie hält das Stilende eines Holzlöffels ins Öl, Marie schaut ihr konzentriert zu: „Wenn es am Stil kleine Perlen gibt, dann kann man die Küchle reintun“, erklärt die Urgroßomi. Brodeln sollte das Öl nicht, denn sonst würden die Küchle außen verbrennen und innen noch roh bleiben.

Der Hund bekommt das erste Probestück
„Man muss halt immer mal wieder probieren und das erste Probestück gehört dem Hund. Das hat meine Schwiegermutter immer gesagt.“ Schöne Traditionen muss man aufrechterhalten. Die zwei raufelligen Vierbeiner sind der gleichen Meinung und wissen diese zu schätzen. Und auch die Familienmitglieder, von denen drei mal kurz reinschauen und sich ein, zwei Küchle stibitzen, wie Schwiegertochter Tina und Enkelin Stefanie mit Toni.

Ein Teigling nach dem anderen, maximal vier auf einmal, lässt die 91-Jährige vorsichtig ins Öl plumpsen, wedelt mit ihrer Stricknadel die Stücke auseinander und dreht sie, nachdem sie leicht angebräunt sind, mit einem eleganten Schubs auf die andere Seite, bis auch diese mittelbraun ist. Mit der Schaumkelle werden sie rausgenommen und auf Küchenkrepp abgetropft. Leicht abgekühlt, darf Marie sie in Zimt und Zucker wenden. Fertig!

Rund 150 bis 200 Stück hat Sofie Schellinger immer am Schmotzigen Dunschdig gemacht. Seit 1956, seit ihrer Heirat, 65 Jahre lang. Quasi ein eisernes Jubiläum. Zwei, drei Stunden stand sie mit Herdplatte im Hof unter Dach, denn ein Negatives hat das Backen in Öl: Die Küche riecht intensiv nach Fett und man selbst noch langanhaltend wie ein Pommes frites.

Über die Küchle haben sich – vor Coronazeiten – immer die Narren hergemacht. Morgens um 9 kamen und kommen die fünf Holzfäller, um den Narrenbaum im Gemeindewald zu schlagen und auf den Hof zu bringen. Ihnen servierte Sofie Schellinger bis vor wenigen Jahren ein Rehessen. Anschließend kam der Musikverein, der den Baum mit einer Kinderschar und Erwachsenen abgeholt hat. Sie wurden mit Kaffee und den Fasnetsküchle bewirtet. Seit einigen Jahren backen „die Jungen“, wie sie sagt, Kuchen auf die Hand, und das närrische Treiben wurde von Küche und Wohnstube in eine Holzhalle verlagert – aber die Küchle von Sofie sind immer als erste weg. Was Wunder: Sie sind einfach wundervoll lecker!

Die Fasnetsküchle
- Das Rezept: Zutaten: 500 Gramm Mehl, Typ 405 oder 550, bevorzugt Dinkelmehl Typ 630, drei Becher Schmand, drei Esslöffel Zucker, eine Prise Salz, ein Esslöffel Backpulver, ein bis zwei Päckchen Vanillezucker, ein Esslöffel Raps- oder Sonnenblumenöl nach Bedarf. Das Öl zum Ausbacken muss über 100 Grad erhitzbar sein, Zimt und Zucker nach Geschmack.
- Die Zubereitung: Alle Zutaten tüchtig, am leichtesten mit einer Maschine, verrühren und zuletzt mit der Hand zu einem geschmeidigen Teig kneten. Etwa drei bis vier Millimeter dick ausrollen, mit einem Teigrädle oder einem Messer Rauten schneiden und im siedenden Öl ausbacken. Es dauert etwa zwei Minuten, bis sie leicht braun und gewölbt sind, dann mit einer Gabel, Stricknadel oder einem Holzlöffel wenden. Sind beide Seiten gebräunt, die Küchle mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf Küchentüchern abtropfen lassen. Noch warm großzügig in einer Mischung aus zwei Dritteln Zucker und einem Drittel Zimt (je nach Geschmack) wälzen und auf eine Schale legen. Ergibt 35 bis 40 Stück bei einer Größe von circa fünf bis sechs Zentimetern. Guten Appetit!