Mit einer eher unüblichen Maßnahme hat der Daisendorfer Gemeinderat auf die jüngste Ratssitzung reagiert: Eine Mehrheit der Mitglieder bat den SÜDKURIER zum Gespräch, um die Ausführungen von Bürgermeisterin Jacqueline Alberti aus der öffentlichen Sitzung am 26. März zurechtzurücken. Sechs der zehn Ratsmitglieder nahmen an dem Gespräch teil.
Konkret geht es um den „unvollständigen Zeitstrahl“, wie die Ratsmitglieder kritisieren, den die Bürgermeisterin zur Abstimmung über ein extern moderiertes Gespräch zwischen ihr selbst und dem Gemeinderat an die Wand des Ratssaals geworfen hatte. Dieser Zeitstrahl begann mit dem im Januar verlesenen offenen Brief des Gemeinderats an die Bürgermeisterin, in dem acht der zehn Ratsmitglieder Jacqueline Alberti mangelnde Kommunikation vorwarfen. Diesen Vorwurf der mangelnden Kommunikation drehte Alberti in der Ratssitzung am 26. März um und richtete ihn gegen den Gemeinderat.
„Geschichte begann wesentlich früher“
Sie seien „sprach- und fassungslos“ gewesen, sagt Gemeinderat Heinrich Straub. Denn „die Geschichte begann ja wesentlich früher“, kommt es aus der Gesprächsrunde. Weshalb man Albertis Zeitstrahl zum Konflikt zwischen ihr und den Räten auch „dringend korrigieren“ müsse, um nicht vor verdrehten Tatsachen zu stehen.
Und diese Korrektur, die die sechs Räte im Gespräch mit dem SÜDKURIER darlegten, liest sich so: In dem offenen Brief sei lediglich zusammengefasst worden, was sich zuvor über längere Zeit angestaut habe. Nämlich etliche Sachthemen, unerledigte Aufgaben, nicht weiterverfolgte Projekte oder Vorgänge, bei denen die Bürgermeisterin schlicht die Kommunikation abgebrochen habe. Über 30 für die Gemeinde wichtige Einzelprojekte habe man in einer Liste gesammelt, welche steckengeblieben oder gar nicht erst angegangen worden seien.
Offener Brief sollte weiteren Rücktritten zuvorkommen
Die Frustration sei derart gewachsen, dass erste Gemeinderäte über Rücktritt nachgedacht hätten. Als Thomas Ritsche diesen Rücktritt dann wahr gemacht habe, erst als Bürgermeister-Stellvertreter, dann auch als Gemeinderat, habe man beschlossen – „und zwar einstimmig“ –, einen externen Dritten einzuschalten, der helfen sollte, die Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin wieder ins Lot zu bringen.
Dabei ist Birgit Schley, die erst kürzlich zur ersten Bürgermeister-Stellvertreterin gewählt wurde, eines wichtig: „Es ging nie um Persönliches, wie manch einer vielleicht denkt, sondern stets um wichtige Sachthemen für die Gemeinde.“
Zeitstrahl des Rats beginnt am 2. November 2023
Und so beginnt der Zeitstrahl des Gemeinderats bereits am 2. November 2023. Da habe man sich erstmals mit dem Konstanzer Berater Martin Brugger getroffen, um die Anliegen zu bündeln. Am 14. November habe er, sagte Gemeinderat Heinrich Straub, bei einem Termin mit Jacqueline Alberti die Sorgen des Gemeinderats geäußert und angekündigt, dass sich der Moderator im Auftrag des Rates bei der Bürgermeisterin melden werde.
Berater wartet vergebens auf Rückmeldung Albertis
Am 30. November habe ein vertrauliches Gespräch zwischen Alberti und Berater Martin Brugger stattgefunden, mit der Vereinbarung, dass sich die Bürgermeisterin dazu rückmeldet. Nachdem die letzte Gemeinderatssitzung 2023 ohne Rückmeldung Albertis vergangen sei, habe Brugger sie am 13. Dezember an die Vereinbarung erinnert. Am 20. Dezember habe der Moderator den Gemeinderat informiert, dass er keine Rückmeldung erhalten habe. Nachdem auch bis zur ersten Sitzung 2024 keine Rückmeldung Albertis gekommen sei, habe Heinrich Straub am Ende der öffentlichen Sitzung den bekannten Brief verlesen.
„Natürlich wollten wir ein solches Tribunal vermeiden“, sagt Christian Hack, aktuell zweiter Bürgermeister-Stellvertreter. Doch „welche Alternativen hatten wir noch?“, kommt es aus der Runde. Die Zeit bis zur Wahl im Juni abzusitzen und zuzuschauen, wie sich der eine oder andere schon vorher aus dem Gremium verabschiedet hätte?
Anwesende kritisieren „Verdrehung der Wahrheit“
Dass Jacqueline Alberti nun mit ihrem verkürzten Zeitstrahl, der nicht in der Sitzungsvorlage enthalten war, den Gemeinderat überrumpelt und so versucht habe, den Spieß umzudrehen, ist für den einen „unverschämt“, für den anderen „unsportlich“ – für alle Anwesenden aber „eine Verdrehung der Wahrheit“. Der offene Brief sollte aus Sicht der Ratsmitglieder ein letztes Mittel sein, um eine gemeinsame Arbeit zum Wohle der Gemeinde zu retten.
Jetzt moderiertes Feedback-Gespräch Ende April geplant
Nun wird es voraussichtlich Ende April ein moderiertes Feedback-Gespräch mit einem anderen, von Jacqueline Alberti ausgesuchten Moderator geben, in dem die Liste der offenen Sachthemen besprochen werden soll: Auf der Tagesordnung stehen aus Sicht der Räte das Gemeinde-Leitbild, das Tourismusprogramm, die eingeschlafene Bürgerwerkstatt, der Bebauungsplan Ortsmitte oder auch die Zukunft des „Dorfkrugs“.