Am frühen Morgen des 7. Dezember 2022 stellen Ermittler des Bundeskriminalamts bei einer Razzia ein Haus in Frickingen am Bodensee auf den Kopf. Das Haus gehört Johanna Findeisen. Im Mai wird die Politikerin der Partei Die Basis dann verhaftet.

Seitdem sitzt Johanna Findeisen in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihr die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung von Hochverrat vor. Gemeinsam mit dem führenden Kopf der Bewegung der sogenannten Reichsbürger, Heinrich Prinz Reuß, und weiteren Personen soll sie einen Staatsstreich geplant haben.

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Die Umsturzpläne klingen naiv und hätten nach Überzeugung aus Ermittlerkreisen wohl nicht zum Erfolg geführt. Dennoch nimmt die Generalbundesanwaltschaft die Terrorgefahr als gegeben an. Rund 3000 Beamte waren im Dezember 2022 im Einsatz und durchsuchten Wohnungen in ganz Deutschland. Ein Schwerpunkt lag im Südwesten. Die Ermittlungen führten nun zu Anklagen gegen 27 Personen. Der Prozess gegen sie wird aus logistischen Gründen auf die Oberlandesgerichte Frankfurt, München sowie Stuttgart verteilt.

Sie kommt mit Reuß und Pescatore vor Gericht

Findeisen ist vor dem Oberlandesgericht Frankfurt angeklagt. Sofern das Gericht die Anklage annimmt, kommt sie gemeinsam mit Hauptverdächtigen wie Prinz Reuß, der früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann, sowie dem Ex-Fallschirmjäger-Kommandeur Rüdiger von Pescatore, der als Militär-Chef der Reuß-Gruppe gilt, vor Gericht. Unter anderem mit Pescatore soll sich Findeisen zu Gesprächen getroffen haben, wie aus Unterlagen der Ermittler hervorgeht, die dem SÜDKURIER vorliegen.

Wer ist die Politikerin vom Bodensee?

Johanna Findeisen wurde während der Corona-Pandemie politisiert. Sie war Bundestagskandidatin der Partei Die Basis, sie zeigte sich immer wieder in der Öffentlichkeit bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Ihren Beruf gibt sie als Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Supervision an, außerdem als Dozentin für Teamentwicklung und Interkulturelle Kompetenz. Sie ist geschieden und Mutter von drei erwachsenen Kindern.

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Aus Russland sollte Verstärkung kommen

Wie der Generalbundesanwalt in Karlsruhe nun mitteilte, war Johanna Findeisen spätestens seit November 2021 Mitglied der Vereinigung. Sie habe an mehreren Treffen mit Führungsmitgliedern der Gruppe teilgenommen. Sie habe eine Person aus ihrem Familienkreis dazu bewegt, 150.000 Euro an die Vereinigung zu zahlen. Im August 2022 habe sie an einer Sitzung des sogenannten Rates teilgenommen, dem obersten Führungsgremium der Reuß-Truppe, die sich nach dem geplanten Umsturz als Übergangsregierung gesehen hätte. Diese Sitzung fand auf dem Privatanwesen
von Prinz Reuß in Thüringen statt. Zudem habe sie sich im November und Dezember 2022 mit Vertretern des russischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main und Baden-Baden getroffen, um für die Ziele der Vereinigung zu werben. Ihre Parteifreunde erklärten das Treffen mit Vertretern Russlands damit, dass Findeisen am Rande der Gedenkfeiern zum Flugzeugabsturz in Überlingen lediglich einen Beitrag zur Völkerverständigung habe leisten wollen.

Glaube an real nicht existierende „Allianz“

Die Angeschuldigten gehörten zu einer terroristischen Vereinigung, die sich Ende Juli 2021 gebildet habe, so die Überzeugung des Generalbundesanwalts. Ziel sei es gewesen, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform, zu ersetzen. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe teilte am Dienstag mit: „Sie folgten einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen, bestehend aus Narrativen der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie.“ Die mutmaßlichen Terroristen seien fest davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines „Deep State“ regiert werde. Befreiung habe ihr die Allianz versprochen, ein angeblicher Geheimbund, der aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Militärs und Geheimdiensten gebildet werde. Auch wenn die Reuß-Gruppe offensichtlich an diese Allianz glaubte, in Wahrheit existiert so etwas nicht.

Tote hätten sie beim Umsturz in Kauf genommen

Ab August 2021 habe die Vereinigung Pläne für einen bewaffneten Überfall im Reichstagsgebäude in Berlin geschmiedet. Bundestagsabgeordnete sollten festgenommen, ein Systemumsturz herbeigeführt werden. Die Rekrutierung von militärischem Personal, die Beschaffung von Ausrüstung und ein Schießtraining seien vorbereitet worden, so die Anklageschrift. Die Tötung von Menschen wäre in Kauf genommen worden.

In der Gemeinde Frickingen im Bodenseekreis, insbesondere in ihrem persönlichen Umfeld, gilt Johanna Findeisen als friedliebende ...
In der Gemeinde Frickingen im Bodenseekreis, insbesondere in ihrem persönlichen Umfeld, gilt Johanna Findeisen als friedliebende Bürgerin, die sich um die Integration benachteiligter Menschen kümmerte. | Bild: Hilser, Stefan I SK-Archiv

Das beträchtliche Waffenarsenal der Terrorgruppe

Angegliedert an den sogenannten Rat, also der Möchtegern-Übergangsregierung, war der „militärische Arm“, der unter Führung von Rüdiger von Pescatore gestanden haben soll. Diesem Teil der Vereinigung oblag es, die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen. Die Vereinigung verfügte über finanzielle Mittel in Höhe von etwa 500.000 Euro, teilt die Bundesanwaltschaft mit. Ihr Waffenarsenal habe aus 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, fast 500 weiteren Waffen und mindestens 148.000 Munitionsteilen bestanden. Angehäuft wurden außerdem Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln. Mit der Zeit schottete sich die Vereinigung nach außen zunehmend ab. Mitglieder und Interessenten hatten eine sog. Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Verstöße dagegen sollten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet werden.