Die 32-jährige Angelika Grundler ist in zehn Jahren weit herumgekommen. Baden-Baden, Wiesbaden, Hamburg, London, Zürich und Canterbury in Neuseeland sind Stationen der gelernten Restaurantfachfrau aus Frickingen. Wenn Grundler von ihren Berufsjahren erzählt, schwingt eine große Portion Begeisterung mit. Dass sie einmal als Sommeliére erfolgreich sein würde, hätte sie anfänglich nicht gedacht.
Wohl aber, dass sie irgendwann wieder in den elterlichen Landgasthof „Paradies“ nach Frickingen zurückkehren würde. „Dass hier in Frickingen meine Heimat ist, war immer klar“, unterstreicht Grundler. Nur die Zeit ihrer Rückkehr sei offen gewesen. Zunächst verließ die damals 19-Jährige nach dem Abitur ihr Zuhause, um etwas von der Welt kennenzulernen. Nach einer Ausbildung zur Restaurantfachfrau in einem Fünf-Sterne-Wellnesshotel in Baden-Baden und Gesellenjahren innerhalb Deutschlands zog es die junge Frau nach England.
Bauchkribbeln bei Flasche für 1500 Pfund
Sie wohnte in einer Wohngemeinschaft in London und schlug sich zunächst als Kellnerin durch. Während ihrer Tätigkeit in dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten, französischen Restaurant „The Waterside Inn“ lernte sie die Grundzüge des Sommelier-Berufs und der französischen Kultur des Weinverkostens kennen. Es sei faszinierend, was ein winziger Schluck aus einer vor dem Servieren geöffneten Weinflasche über dessen Herkunft und Qualität verrät. „Anfänglich hatte ich Bauchkribbeln, wenn ich eine Flasche für 1500 Pfund öffnen und probieren musste“, verrät Grundler. Sie stieg in das fünfköpfige Sommelier-Team des britischen Sterne-Restaurants auf. Allein das Verkosten habe ihr nicht ausgereicht.
Viele Sachbücher zum Thema hat sie gelesen. Weil die Berufsbezeichnung Sommelier nicht geschützt ist, hat sie an dem Londoner Wein- und Spirituosen-Institut „Wine & Spirit Education Trust/International Wine & Spirit Centre“ eine Weiterbildung absolviert. Anschließend packte sie wieder das Fernweh. Ihr weiterer Berufsweg führte Grundler als Maitre d‘Hotel in ein Fünf-Sterne-Haus in die Schweiz nach Arosa. „Ich wollte den Spirit und die Dynamik des kleinen Skiortes miterleben“, erklärt Grundler den Wechsel in den Kanton Graubünden. Zwei Monate half sie auch bei der Weinherstellung im neuseeländischen Canterbury.
„Die Zeit in Zürich war ganz wichtig und prägend für mich“, sagt sie über die darauffolgenden drei Jahre, in denen sie in Zürich mit dem preisgekrönten Sommelier Marc Almert zusammenarbeiten konnte. Ihr Mentor habe sie motiviert, an vielen Wettbewerben teilzunehmen. Im Dezember 2021 wurde sie zur besten Nachwuchssommelière der Schweiz gekürt. Im September vergangenen Jahres erreichte sie den dritten Platz unter den Besten Sommeliers Deutschlands. „Unter den Besten zu sein, war für mich wie Königin sein“, erzählt die Ausgezeichnete.
Ein Jahr zuvor hatte sie Tochter Merle auf die Welt gebracht. Jetzt habe sie andere Aufgaben, sagt Grundler und verweist auf die gleichzeitige Übernahme des familiengeführten Hotel- und Gastronomiebetriebs in Frickingen. „Mein Beruf hat sich geändert – ich bin nicht mehr nur Sommelière“, erläutert sie bei einem Besuch im Gasthof. Täglich seien neue Herausforderungen zu bestehen, sagt die schwangere Geschäftsführerin, die zusammen mit Stefan Reich, Leiter des Eventlokals Bodano in Bodman-Ludwigshafen eine Familie gegründet hat.

Paar geht geschäftlich getrennte Wege
Geschäftlich geht das Paar getrennte Wege. Jeder kümmere sich um seinen Betrieb. Reich arbeite mit seiner Familie, sie mit ihrer. Ihr zur Seite stehen ihre Eltern, die den Betrieb 1987 ebenfalls aus Familienhänden übernommen hatten. Für die feine Küche sorgt Grundlers ältere Schwester Katharina Grundler-Meschenmoser als Küchenmeisterin und Betriebswirtin. Schwester Veronika ist Landwirtschaftsmeisterin und kümmert sich um Obstanbau und Brennerei. „Mit der Familie zusammenzuarbeiten, ist Fluch und Segen zugleich“, findet Angelika Grundler. Einerseits bestehe ein wunderbarer Zusammenhalt und es gebe viel Hilfe untereinander beispielsweise bei der Kinderbetreuung. Andererseits hätten sich die Rollen innerhalb des Familiengefüges verändert und müssten neu gefunden werden.
Grundler sagt, sie schätze sehr, wie weitsichtig ihre Eltern bei dem Hotel- und Restaurantbetrieb mit der Zeit gegangen seien. „Sie haben sehr gute Arbeit geleistet“, lobt Grundler. Zufrieden ist sie mit Küche und Weinkeller ihrer neuen Arbeitsstätte im beschaulichen Frickingen. Trotzdem denkt sie gern an den „Riesenweinkeller“ des Züricher Exclusivhotels „Baur au Lac“ zurück. Dort habe es allein zehn Seiten deutsche Weine gegeben. Auf der Frickinger Karte präsentiere sie eine Auswahl der ganzen Welt auf ebenfalls zehn Weinkarten-Seiten. Die Gäste aus Frickingen und dem Umland würden ihre Weinauswahl und Beratung schätzen, das sei die Hauptsache.
Der Sprecher der Seniorengenossenschaft Charles Nestelhut kehrt zum Beispiel gern bei Grundlers ein. Der Franzose und seine Frau Eva schätzen gutes Essen und edle Tropfen und holen, wie er betont, gerne Grundlers Empfehlungen ein. Die möchte sich auch von Frickingen aus weiter qualifizieren und messen, damit ihr Netzwerk in der Welt bestehen bleibt und sie ihre Gäste weiter fundiert beraten kann. Für 2025 möchte sie es wieder unter die besten Sommeliers Deutschlands schaffen.