Friedrichshafen – Welche Risiken bringt die Brexit-Entscheidung für den Häfler Dieselmotorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) mit sich? Diese Frage beschäftigt zurzeit Thomas Bittelmeyer, Chef des Betriebsrats. Er hofft, dass RRPS und damit die Leitmarke MTU, nicht erneut zum Spielball wirtschaftlicher Interessen wird, wie es in der Vergangenheit bereits der Fall gewesen sei, wie er in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER sagte. Entscheidend sei, ob sich der Einfluss der britischen Muttergesellschaft Rolls-Royce ändern werde. Ein geändertes Verhalten der Kunden in Folge der Brexit-Entscheidung könne hier ausschlaggebend sein.
Neben diesem globalen Thema ist der RRPS-Betriebsrat aktuell stark gefragt, was den vom Management jetzt auf den Weg gebrachten weiteren Abbau von Stellen in so genannten indirekten Bereichen anlangt. Aus der Belegschaft habe es viele Nachfragen gegeben, so Bittelmeyer. Die Firmenleitung hatte sich in der Vereinbarung zur Standort-Sicherung, die im April vereinbart wurde, zusichern lassen, bis zum Jahr 2020 bis zu 550 Arbeitsplätze – darunter maximal 150 im gewerblichen Bereich – abbauen zu können. Dies darf aber nur auf freiwilliger Basis der betroffenen Beschäftigten geschehen. Im Moment will das Management vor allem Bürojobs abbauen, die Produktion ist noch nicht im Fokus. Aktuell sind Bittelmeyer keine Planungen bekannt, auch Stellen direkt in der Produktion abzubauen.
Um Anreize zu schaffen, damit MTUler freiwillig gehen, werden je nach Betriebszugehörigkeit Abfindungen von bis zu 30 Monatsgehältern geboten. "Das ist in etwa der Maximalwert", so Wolfgang Boller, Pressesprecher von RRPS, auf Anfrage. Nach seinen Angaben haben sich bereits Interessierte gemeldet. "Mit ihnen werden jetzt die Verhandlungen aufgenommen. Da die Frist noch läuft, können wir keine Zahlenangaben machen". Für dieses Jahr gebe es keine konkrete Zielsetzung der Personalabteilung, wie viele Stellen abgebaut werden sollen. "Niemand wird gezwungen", sagte Bittelmeyer mit Blick auf die Abfindungsangebote. Er habe damit gerechnet, dass das Management noch in diesem Jahr die Option des Abbaus von Stellen auf freiwilliger Basis nutzen werde. Die Summen der Abfindungen seien attraktiv und würden deutlich über Zahlungen aufgrund eines Sozialplans bei betriebsbedingten Kündigungen liegen, so Bittelmeyer.
Wie Bittelmeyer gegenüber dem SÜDKURIER schilderte, hätten sich Beschäftigte von Betriebsräten beraten lassen, ob das Abfindungsprogramm für sie sinnvoll sei. Er sprach von einem attraktiven Angebot. Doch jeder Mitarbeiter müsse auch prüfen, ob ein Ausscheiden mit seiner Lebensplanung vereinbar sei. Und schließlich werde das Management nicht in allen Fällen einem Ausscheiden zustimmen, beispielsweise wenn Mitarbeiter Positionen innehaben, auf denen ihr Fachwissen weiter gefragt sei. Zum anderen fordert Bittelmeyer, dass der Stellenabbau nicht zu einer Verdichtung der Arbeit führe. Hier müssten die unternehmensinternen Prozesse im Auge behalten werden.
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Mit dem aktuellen Abfindungsprogramm will das Management von RRPS an den Standorten Friedrichshafen, Stuttgart, Hamburg und Duisburg Stellen in Bereichen außerhalb der unmittelbaren Produktion abbauen. Bis 29. Juli können sich Beschäftigte melden, die freiwillig das Unternehmen zum 31. Oktober verlassen wollen. Einen Personalabbau gab es bereits auf den Management-Ebenen, die direkt unter dem zweiköpfigen Vorstand angesiedelt sind. "Etwa ein Viertel der Führungskräfte der Ebenen 2 und 3 haben das Unternehmen verlassen", teilt Wolfgang Boller, RRPS-Sprecher, auf Anfrage des SÜDKURIER mit. RRPS-Chef Ulrich Dohle reagiert mit dem von ihm verfolgten Schrumpfungskurs auf die ausgebliebenen Umsatzzuwächse. Für Einbrüche bei den Aufträgen sorgte vor allem der niedrige Ölpreis. Dieser brachte das Frackinggeschäft in weiten Teilen zum Erliegen, da diese Technik der Ölförderung beispielsweise in den USA überhaupt nicht mehr rentabel ist. Somit benötigen in diesem Bereich aktive Firmen auch keine MTU-Motoren. (dim)