Kurz nach 20.30 Uhr an einem Dienstagabend auf dem Häfler Weihnachtsmarkt: Nur wenige Menschen tummeln sich zwischen den beleuchteten Hütten. Die meisten Buden haben seit 20 Uhr geschlossen, einzig der Stand der Weihnachtspyramide hat noch geöffnet. Das Tagwerk der vorweihnachtlichen Schausteller ist vollbracht.

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Für einen jedoch hat die Arbeit erst vor einer halben Stunde begonnen: Holger Schmermbeck bewacht nachts Krippe und Hütten der „Bodensee Weihnacht“. Bis 6 Uhr früh wird er auf dem Weihnachtsmarkt seine Runden drehen. „Das viele Laufen hält warm“, sagt der hochgewachsene Mann mit norddeutschem Akzent und lacht. „Und dank der beleuchteten Hütten und Bäume wird es auch nie komplett dunkel“, ergänzt sein Kollege Tony Grand, mit dem Schmermbeck heute unterwegs ist.

Schieben gemeinsam Dienst (von links): Holger Schmermbeck und sein Kollege Tony Grand.
Schieben gemeinsam Dienst (von links): Holger Schmermbeck und sein Kollege Tony Grand. | Bild: Jud, Marcel

Grand und Schmermbeck gehören zum Team der Häfler Sicherheitsfirma „MyVIP“, die seit 2007 mit den Kontrollgängen auf dem Weihnachtsmarkt beauftragt ist. „Pro Nacht sind zwei Sicherheitsmitarbeiter im Einsatz und am Wochenende jeweils drei“, erklärt Andrea Kreuzer, Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen, auf SÜDKURIER-Nachfrage.

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Doch zurück zu den beiden Nachtwächtern, die an diesem Dienstagabend Dienst schieben. Aus Paris sei er vor zehn Jahren an den Bodensee gezogen, erzählt Tony Grand: „Ich bin ausgebildeter Koch und habe zuerst auch hier in diesem Beruf gearbeitet, bevor ich zu einer Reinigungsfirma und schließlich zu MyVIP gewechselt bin.“ Wieder als Koch arbeiten wolle er nicht, betont der Franzose: „Ich bin in meinem neuen Beruf richtig zufrieden.“

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Auch Schmermbeck ist zugewandert: Aufgewachsen sei er in der niedersächsischen Kleinstadt Jever, erzählt der 35-Jährige, während er mit der Hand über seinen dichten Bart streicht. „Ich habe zuerst Schädlingsbekämpfer gelernt.“ Vor zwölf Jahren habe er dann genug von dem Beruf gehabt und eine Ausbildung zur Fachkraft „Schutz und Sicherheit“ absolviert. „In der Branche bin ich sehr glücklich, da man viel Abwechslung hat“, erklärt Schmermbeck seine Wahl.

Zunächst habe er in Wilhelmshaven für das dortige Ordnungsamt gearbeitet. Doch der Öffentliche Dienst sei ihm zu „straight“ gewesen, sagt Schmermbeck: „Alles erfolgt nach Schema F. Aber ich brauche Abwechslung.“

Irgendwo habe er schließlich die deutschlandweite Ausschreibung seines jetzigen Arbeitgebers entdeckt, der einen Projektleiter suchte, erzählt Schmermbeck

„Ich habe mich dann direkt beworben und beim Vorstellungsgespräch waren mein jetziger Chef und ich uns auch menschlich sofort sympathisch.“ Innerhalb weniger Wochen habe er sein komplettes Leben auf den Kopf gestellt und sei mit seinem Hund vom hohen Norden an den Bodensee gezogen.

Holger Schmermbeck, Nachtwächter auf dem Häfler Weihnachtsmarkt.
Holger Schmermbeck, Nachtwächter auf dem Häfler Weihnachtsmarkt. | Bild: Jud, Marcel

Als Projektleiter sei er „für alles Externe zuständig“, erklärt Schmermbeck. Doch nur im Büro sitzen und organisieren könne er nicht. Deshalb ist er auch immer wieder im Außeneinsatz. Wie diesen Winter an der „Bodensee Weihnacht“.

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Der abendliche Einsatz beginnt für Schmermbeck und seine Kollegen mit einer Kontrolle: Sind auch wirklich alle Hütten verschlossen?

„Um 22 Uhr, wenn die Weihnachtspyramide schließt und der letzte Katamaran anlegt, ist oft noch etwas mehr los, dann ziehen auch gerne Angetrunkene über den Markt“, sagt der 35-Jährige. Doch an diesem Abend bleibt es auch um 22 Uhr ruhig. Damit bleibt Zeit, sich in die Pausen-Hütte der Sicherheitsmitarbeiter zu setzen. „Hier können wir uns aufwärmen und eine Tasse Tee trinken“, sagt Schmermbeck, während er die Tür der Holzhütte aufschließt.

Bild 3: Durch die Nacht mit Holger Schmermbeck: Lernen Sie einen der Männer kennen, die den Häfler Weihnachtsmarkt bewachen
Bild: Jud, Marcel

Pausen legen die Sicherheitsmitarbeiter getrennt voneinander ein, sodass immer mindestens einer draußen auf dem Weihnachtsmarkt präsent ist, erklärt Schmermbeck: „Und wir sind immer über Funk verbunden.“

Stets in Kontakt: Die Funkgeräte in der Pausen-Hütte der Sicherheitsmitarbeiter.
Stets in Kontakt: Die Funkgeräte in der Pausen-Hütte der Sicherheitsmitarbeiter. | Bild: Jud, Marcel

Viel Platz haben Schmermbeck und seine Kollegen in der Hütte nicht: Neben einem Tisch stehen zwei Stühle, an den Wänden hängen ein Plan des Weihnachtsmarktes sowie dicke Jacken. „Falls es mal kalt wird“, sagt Schmermbeck und zieht unter dem Tisch eine Tasche hervor mit stichsicheren Westen hervor. „Die brauchen wir in der Regel nicht, aber die schweren Westen schützen im Winter zusätzlich gegen die Kälte.“

Bild 5: Durch die Nacht mit Holger Schmermbeck: Lernen Sie einen der Männer kennen, die den Häfler Weihnachtsmarkt bewachen
Bild: Jud, Marcel
Bild 6: Durch die Nacht mit Holger Schmermbeck: Lernen Sie einen der Männer kennen, die den Häfler Weihnachtsmarkt bewachen
Bild: Jud, Marcel

Auf dem Tisch liegt auch das Protokoll-Heft des Sicherheitsdienstes. „In dieses tragen wir fortlaufend jegliche Vorkommnisse ein“, sagt Schmermbeck, während er das Heft öffnet und darin blättert.

Bild 7: Durch die Nacht mit Holger Schmermbeck: Lernen Sie einen der Männer kennen, die den Häfler Weihnachtsmarkt bewachen
Bild: Jud, Marcel

Auffallend ist, dass die Seiten der Tage unter der Woche gähnend leer sind, während sie sich ab Freitag jeweils füllen. „Am Wochenende ist es generell weniger ruhig, da dann mehr Betrunkene unterwegs sind“, erklärt Schmermbeck. Da gelte es dann vor allem zu schauen, dass sich diese sich nicht „Haare kriegen“. Wie die Einträge im Protokoll zeigen, sind gravierende Vorfälle selten: Die handschriftlichen Notizen handeln vor allem von Fundsachen wie Handys oder Geldbeutel.

Das Protokoll Video: Jud, Marcel

Laut Stadtsprecherin Andrea Kreuzer komme es auf dem Häfler Weihnachtsmarkt auch selten zu Einbrüchen: „In den letzten Jahren gab es keine Einbrüche auf der Bodensee-Weihnacht. Die Anwesenheit der Sicherheitsdienste hat sich also bewährt.“ Auf den Einbruch in einen Bewirtungsstand Anfang dieses Jahres angesprochen, betont Kreuzer, dass dieser bei der Eisbahn stünde. Für diesen Bereich ist nämlich ein anderer Sicherheitsdienst zuständig.

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Dass Vorfälle wie Einbrüche auf dem Weihnachtsmarkt selten seien, bestätigt auch Schmermbeck, der sich vor unserem Treffen in die Einsatzprotokolle der vergangenen Jahre eingelesen hat. Dabei stieß er auf einen Fall aus dem vergangenen Jahr: „Zwei Kollegen wurden von zwei Betrunkenen mit Holzlatten attackiert, die diese von der Krippe abgebrochen hatten. Den Kollegen gelang es aber, die beiden Angreifer festzuhalten und auf dem Boden zu fixieren, bis die Polizei eintraf. Am Tag darauf kam dann der Rädelsführer vorbei und hat sich für sein Verhalten entschuldigt.“

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In der Regel richteten sich die Aggressionen der Besucher aber nicht gegen die Sicherheitsmitarbeiter, betont Schmermbeck: „Wir sind dann eher der ruhende Pol. Zu 99 Prozent müssen wir auch gar nicht körperlich eingreifen. Die Menschen sind in der Regel nicht böse, sondern wollen Feiern und ihre Ruhe haben.“

Es komme auch vor, dass sich Passanten an den Dekorationen der Hütten oder den Weihnachtsbäumen vergreifen, sagt Schmermbeck: „Vor allem die Kugeln am großen Weihnachtsbaum scheinen eine enorme Anziehungskraft zu besitzen und werden gerne mitgenommen.“

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Aus den Aufzeichnungen der vergangenen Jahre ist Schmermbeck vor allem ein sonderbarer Fall aus dem Jahr 2017 in Erinnerung geblieben: Seine Kollegen trafen damals auf einen älteren Anwohner in Trainingsanzug und Hausschuhen, der versucht habe, einen kleinen Weihnachtsbaum mitzunehmen. Wie in diesem Fall bleibt es dank Schmermbeck und seinen Kollegen aber zumeist bei einem versuchten Diebstahl.

Doch was, wenn wie an diesem Dienstagabend gar nichts passiert? Wird es einem da nicht langweilig?

„Nein“, sagt Schmermbeck: „Man trifft nachts immer wieder Leute, die Flaschen sammeln und froh sind, einen Schnack zu halten.“ Er treffe auch oft Standbesitzer, die nachts ihre Lager auffüllten. „Und manchmal ist man auch froh, wenn niemand da ist und man den Weihnachtsmarkt in aller Ruhe genießen kann – wenn wirklich die ‚stille Nacht‘ eintritt“, sagt Schmermbeck und lacht: „Andere machen Winterspaziergänge und wir haben unsere Arbeit.“

Der Weihnachtsmarkt bei Nacht.
Der Weihnachtsmarkt bei Nacht. | Bild: Katja Bode/Stadt Friedrichshafen