Bio-Qualität muss er haben und unbedingt aus der Region kommen: Das, sagt Claudia Zillich, stand für sie fest, als sie sich auf die Suche nach dem Kaffee für ihr kleines Café in Friedrichshafen machte. Nun passen das hiesige Klima und die Bedürfnisse von Kaffeepflanzen in nur so wenigen Nuancen zueinander, dass der großangelegte Anbau hier und weit über die kommunalen und regionalen Grenzen hinaus scheitern würde. Und dennoch ist Zillich nicht nur fündig geworden, sie hat sich vorab sogar durch eine ganze Reihe von Möglichkeiten zwischen Allgäu, Oberschwaben und Bodensee durchprobiert.

Immer mehr kleine Kaffeeröstereien
Denn auf dem Weg von der Kaffeepflanze bis in die Tasse gibt es einen ganz entscheidenden Schritt, dem sich auch in und um Friedrichshafen einige Menschen verschrieben haben: die Röstung.
Die Anzahl an Röstereien in Deutschland hat sich in den vergangenen neun Jahren etwa verdoppelt, teilt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes, auf Anfrage mit. Trennscharf kategorisieren lassen sich die etwa 700 Betriebe ihm zufolge nicht. „Wir gehen nach aktuellen Schätzungen jedoch davon aus, dass rund 650 Unternehmen zu den kleineren Röstereien zählen“, so Preibisch
Kleine Rösterei, große Leidenschaft
Kleiner ist die Rösterei, die Franco Volaric vor drei Jahren zunächst in der Werastraße eröffnet hat und die seit knapp zwei Jahren nun in der Mühle Ittenhausen zu finden ist, zweifelsohne. Eigentlich sogar klein. Umso ausgeprägter ist die Leidenschaft, die mitschwingt, wenn der Mittsechziger erzählt. Vom Geruch, der ihn schon als Kind beeindruckte, wenn seine Großmutter aus Neapel zuhause Kaffeebohnen im Ofen röstete. Vom Praktikum in Triest beim besten Kaffeekenner und -röster, den er je kennengelernt habe. Davon, wie er vor wenigen Jahren den Trommelröster kaufte, auf dem er mal gelernt hat, und ihn von Holz- auf Gasbefeuerung umrüstete. Und von Kaffee selbst. Wie Wein wird dieser bei Verkostungen auch gerne mal wieder ausgespuckt. „Das bringe ich nicht übers Herz“, sagt Franco Volaric.

Kaffee als Türöffner zu anderen Genüssen
Was für Architektin Claudia Zillich das Café „Karamell“ in der Paulinenstraße und für Franco Volaric nach Jahren in der Gastronomie die Rösterei „Caffetino“ ist, ist für Marleen Sturm das „Vintage 1989“: die Erfüllung eines Lebenstraumes. Die Leidenschaft der Hotelfachfrau, die zuletzt als Sommelière tätig war, gilt dem Wein. In die Kunst des Kaffees ließ sich Marleen Sturm einweihen, als auch sie einen Röster in der Region gefunden hatte.
In ihrem Laden, den sie am 14. September in der Manzeller Straße in Schnetzenhausen eröffnet, könnte der Kaffee zugleich eine Art Türöffner zu Wein und Feinkost sein. In eine Vinothek, so skizziert es Sturm, traue sich mancher nicht sofort. Bei einem Café ist das etwas anderes.

Eine Frage der Gerechtigkeit und des Geschmacks
Bei aller Regionalität und dem Vorzug, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben, muss aber natürlich auch noch etwas anderes stimmen. Nicht zu bitter, nicht zu säuerlich – ausgewogen sollte der Kaffee fürs „Karamell“ sein. Oder wie es Claudia Zillich ganz grundsätzlich formuliert: „Er muss einfach richtig genial schmecken.“ Genau das, könnte man sagen, war der Haken, als Markus Boese in den 80er-Jahren begann, sich intensiv mit dem Thema fair gehandelter Kaffee auseinanderzusetzten. „Ich fand die Idee toll, gegen die ganze weltweite Ungerechtigkeit etwas zu setzen“, schildert er. Nur: Der Kaffee habe alles andere als gut geschmeckt.
In den folgenden Jahren habe er den Weltladen in Friedrichshafen mitgegründet und sich dafür eingesetzt, dass der fair gehandelte Kaffee immer besser schmeckt – und entsprechend immer erfolgreicher verkauft wird. 2006 eröffnete Boese seinen Laden in der Marktstraße in Markdorf. 2012 tauschte er den kleinen Ladenröster gegen einen 12-Kilo-Chargen-Röster aus und spezialisierte sein Geschäft komplett auf Kaffee. Voraussichtlich Anfang November zieht er mit seiner Kaffee-Manufaktur in den Westen Friedrichshafens.

Mehr als nur ein Heißgetränk
Angesichts des Kaffeekonsums in Deutschland – 2018 waren es dem Deutschen Kaffeeverband zufolge 164 Liter pro Kopf – mag sich dieser Gedanke aufdrängen: „Hauptsache, Kaffee!“ Allerdings beobachten die beiden befragten Röster und beide Gastronominnen auch eine andere Tendenz: Sowohl, was den Genuss als auch Herkunft und Handwerk hinter den Bohnen anbelangt. Kaffee sei für viele Menschen mehr als ‚nur‘ ein Heißgetränk, sagt auch Holger Preibisch. „Sein Genuss wird zelebriert, von der Auswahl der Bohne über die Zubereitung bis hin zur Präsentation in der Tasse. Auch Aspekte wie Herkunft, Qualität und handwerkliche Herstellung spielen eine immer größere Rolle.“

„Kaffee ist leider ein Produkt, das oft in Betrugsfälle verwickelt ist“, sagt Franco Volaric. „Wein, Olivenöl und Kaffee: Drei Produkte, die man in Massen vertreiben kann, ohne dass die Menschen wissen, was drin steckt.“ Er bezieht die Bohnen nach eigenen Angaben über ein Familienunternehmen in Triest. Dort kümmere man sich sehr darum, dass der Kaffee aus nachhaltiger Produktion stammt. „Im Grunde sind das alles Bio- und Fairtrade-Kaffees“, sagt Volaric. Oft fehle den Bauern aber das Geld für entsprechende Zertifikate.
Der Schwerpunkt in seinem Laden liege nicht auf Masse, sondern auf Qualität, Herkunft, Lage, Kultivierung und nicht zuletzt auf der Geschichte, die der Kaffee zu erzählen hat, sagt Markus Boese. In dem Segment fange er mit seiner neuen Rösterei – der Kaffee-Manufaktur am See – in Spaltenstein ab Anfang November erst so richtig an. Einen Cafébetrieb werde es dort nicht geben. Das könnten andere besser. „Um dem hohen Anspruch an ein Fachgeschäft gerecht zu werden, bieten wir eine kleine Espressobar“, ergänzt Boese aber. „Für das kurze, schwarze Glücksgefühl zwischendurch.“
Zu Besuch in der Rösterei „Caffetino“: Beim Rösten sind Sinne und Erfahrung gefragt
- Franco Volaric röstet „nach Bedarf“. Im Schnitt drei bis vier Mal pro Woche fängt das mit einem ruhigen Brummen an: Die gusseiserne Trommel des rund 80 Jahre alten Geräts muss zunächst aufgeheizt werden. „Sie ist perforiert“, sagt Volaric. So gelange nicht nur Hitze an die Bohnen, sondern auch etwas Flamme und Rauch. Auf ein kleines Fenster, das den Blick ins Innere der Trommel richtet der „Caffetino“-Inhaber einen Scheinwerfer.
- Das Thermometer zeigt rund 200 Grad Celsius an, als Volaric einen Schwung Kaffeebohnen in die Trommel kippt. Bis zu 7 Kilogramm passen hinein. Durch die Bohnen sinkt die Temperatur zunächst wieder auf bis zu 100 Grad. „Je nachdem, wie viel Feuchtigkeit drinsteckt“, erklärt Volaric. Am Ende des Röstvorgangs werden die Bohnen bis zu 20 Prozent ihres Gewichts verloren haben.
- „Unsere Mindeströstung für Filterkaffee dauert etwa 15 bis 16 Minuten bei 170 bis allerhöchstens 180 Grad Celsius“, erklärt Volaric. Espressi röstet er bei 200 bis 220 Grad für 17 bis zu 25 Minuten – je nach Sorte. „Ich röste jede Kaffeesorte für sich und mische erst danach“, erklärt er.
- Jetzt kommt es auf die Sinne des Rösters an. „Das Ohr ist sehr wichtig.“ Ein bereits leise hörbares Knistern wird lauter, als Volaric eine kleine Schaufel mit einigen Bohnen aus der Trommel zieht. Eigentlich müsste man sagen: ein vielfachen Knacken oder Reißen – der so genannte „First Crack“. Hätte Volaric gerade einen Filterkaffee in der Mache, wäre der Röstvorgang „einen Ticken“ später abgeschlossen. „Espressobohnen müssen unbedingt bis zum zweiten Crack geröstet werden.“ Das Thermometer zeigt nun 220 Grad an, Volaric stellt die Hitzezufuhr aus. „Jetzt hat der Kaffee diese Eigenenergie, die Bohnen sind voll mit Hitze.“ Der richtige Moment für das Öffnen der Trommel ist jetzt noch eine Frage von Sekunden. „Da muss man ein bisschen Gefühl und Erfahrung haben.“
- Anschließend werden die Bohnen luftgekühlt. Wer jetzt einen besonders intensiven Kaffeegeruch erwartet, ist irritiert. Die Röstung mag abgeschlossen sein, aber: „Er muss sich noch weiter entwickeln“, erklärt Volaric. Bevor er die Bohnen verpackt, lässt er sie in großen Behältern ausgasen. „Ein Kaffee schmeckt erst nach etwa zwei Wochen so richtig“, findet Volaric. Das sei aber – nun ja – Geschmackssache eben.