Montags ist eigentlich Ruhetag in seinem Café. Doch genau das ist der wichtigste Tag der Woche für Steffen Sehring: Immer montags röstet er Kaffee. Seit Dezember ist in Überlingen wieder eine Kaffeerösterei beheimatet. Im ehemaligen "Grünen Baum" lebt nun eine Kaffeekultur mit vor Ort frisch geröstetem Kaffee auf. "Solid Ground" heißt das neue Café an der Ecke Grabenstraße/Jakob-Kessenringstraße. Guter Kaffee entstehe schon mit der Röstung, sagt Sehring: "Man muss aufpassen, dass nichts durch die Röstung verloren geht."
Vor zehn Jahren hat er als Barkeeper angefangen. Dabei hat er seine besondere Leidenschaft für den Kaffee entdeckt. Im Stuttgarter Café "Moulu" war er zuletzt, bevor er wieder nach Überlingen zurückkehrte. Inzwischen ist er gelernter Barrista, der nun auch Kaffee röstet. Und für das Rösten braucht man viel Fingerspitzengefühl und auch Erfahrung.
"Das ist wie Weihrauch, wenn beim Rösten die Haut der Kaffeebohnen abplatzt", schwärmt Winfried Ritsch von dem wunderbaren Duft frisch geröstetem Kaffees. Er kennt diesen Duft von früher: Von 1933 an betrieben seine Eltern in Überlingen ein Lebensmittelgeschäft – mit Kaffeerösterei. Die befand sich damals in der Christophstraße, also unweit der heutigen Rösterei.
"Die Röstmaschine stand bei uns mitten im Geschäft", erinnert sich Winfried Ritsch: "Der Kaffee kam in Säcken aus Hamburg." Anfangs wurde der Kaffee noch per Bahn nach Überlingen transportiert und mit Pferdefuhrwagen angeliefert. 40 bis 50 Sorten Kaffee hätten sie damals geröstet. Bis 1969, dann haben sie das Traditionsgeschäft in der Christophstraße geschlossen.
Ritsch spricht ganz euphorisch von einer Renaissance der Kaffeeröstereien: "Überlingen verträgt was Neues."
Wo früher im "Grünen Baum" einst der Stammtisch war, steht im "Solid Ground" jetzt die Röstmaschine. Steffen Sehrings Wunsch ist es, die gesamte Wertschöpfungskette nicht außer Acht zu lassen und dem Kaffee seinem Stellenwert in der Gesellschaft entsprechend gerecht zu werden. "Slow Food (Langsames Essen)" ist bereits ein Begriff in Überlingen, und um einen guten Kaffee zu trinken, darf man sich entsprechend auch Zeit nehmen. Behutsam und langsam gießt er heißes Wasser aus der Kupferkanne über die frisch gemahlenen Bohnen. "Der Kaffee darf zeigen, was er kann." Die Küche und das Hotel im ehemaligen "Grünen Baum" werden von Kauf (Naturata) betrieben. "Alles ist hier noch ein Prozess", beschreibt Steffen Sehring die weitere Planung. Auch Kulturveranstaltungen sollen im "Solid Ground" einmal fester Bestandteil sein. "Hier wird sich noch einiges entwickeln", so sein Ausblick in die nahe Zukunft.
Kaffee
Kaffee ist ein Genussmittel, für das nur geröstete und gemahlene Kaffeebohnen und heißes Wasser benötigt werden. Kaffeebohnen sind die Samen der Kaffeepflanze, die in tropischen Gebieten zwischen den Wendekreisen gedeiht. Die Pflanze braucht drei Jahre Wachstum, bis die ersten Samen geerntet werden können. Ein Mal im Jahr kann für die Zeit von etwa zehn Wochen geerntet werden. Zuerst wird vom Samen das Fleisch entfernt, so dass die Bohne übrig bleibt. Die wird getrocknet und anschließend geröstet. Von Johann Wolfgang von Goethe stammte einst die Idee, die Bohnen zu destillieren. Der Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge griff die Idee Goethes auf und entdeckte dabei den Wirkstoff von Kaffee: das Koffein.