Jahrelang lief alles prächtig, doch seit einiger Zeit mehren sich die Hiobsbotschaften in Friedrichshafen. Gerade erst wurde bekannt, dass der Medizin Campus Bodensee so tief in die roten Zahlen gerutscht ist, dass er selbst zum Patienten wird. Schon lange ist der Flughafen Friedrichshafen ein Verlustgeschäft und wird auch in diesem Jahr wieder frisches Geld brauchen. Und die Messe Friedrichshafen verkündet mit Ach und Krach noch schwarze Zahlen.
Daneben kommen weitere Mehrkosten auf die Stadt zu: Bei der Großbaustelle B 31-neu (21 Millionen Euro, weitere Kostensteigerungen werden erwartet), das Bauprojekt Karl-Olga-Park (31 Millionen Euro) beginnt, der Uferpark soll neu gestaltet und das Millionenprojekt Museumsquartier (rund 19 Millionen Euro) umgesetzt werden. Dazu kommt, dass auch bei der ZF Friedrichshafen die Dinge nicht einfacher werden, weil der Automarkt im Umbruch und der ZF-Gewinn derzeit eher im Sink- statt im Steigflug ist. Viele Aufgaben für Oberbürgermeister Andreas Brand, der als Stadtoberhaupt und Aufsichtsrat in den städtischen Unternehmen maßgeblich an der Bewältigung der vielen Herausforderungen beteiligt ist.
Die Messe im Umbruch
Erstmals seit vielen Jahren blieb OB Andreas Brand der Bilanzpressekonferenz der Messe fern. Statt sich dort den Fragen der Presse zu stellen, überreichte er im Strandbad lieber dem 50 000. Badegast einen Blumenstrauß. Messe-Geschäftsführer Klaus Wellmann und Finanzchef Stefan Mittag übernahmen es ohne ihren Aufsichtsrats-Chef, die schlechten Nachrichten zu verkünden. Zwar betonte Klaus Wellmann immer wieder, dass sich das Unternehmen „nicht in der Krise befinde“, doch der erwartete Umsatzrückgang für 2019 ist deftig.
Von 36 auf 27,3 Millionen wird er sinken. Schwarze Zahlen sind künftig nur noch deswegen möglich, weil die Messe die Mietzahlungen drosselt. „Als Folge der unsicheren zukünftigen Ertragslage wurde mit der Besitzgesellschaft Internationale Bodensee Messe eine Modifikation des Mietvertrags vereinbart“, heißt es im Lagebericht der Messe.
Statt eine Festmiete zu zahlen, „orientiert sich die Mietzahlung unmittelbar am operativen Ergebnis der Messe Friedrichshafen„, heißt es weiter. Nur mit diesem Instrument rutscht die Häfler Messe nicht auch noch in die roten Zahlen. Auf Nachfrage des SÜDKURIER, wie viel Miete denn noch gezahlt werde, gab es bei der Bilanzpressekonferenz keine Antwort. Die Stadt Friedrichshafen ist Mehrheitsgesellschafter der Besitzgesellschaft und wird so auf viel Geld verzichten müssen.
2018 erhielt sie noch 6,6 Millionen Euro für die Überlassung der Hallen. „Mittel- und langfristig ist die Notwendigkeit eigenkapitalgestützer Maßnahmen durch die Gesellschafter jedoch wahrscheinlich“, heißt es im Lagebericht der Besitzgesellschaften. Das bedeutet, dass auch hier die Stadt zahlen muss.
Medizin Campus Bodensee
Rund 24 Millionen Euro hat der Hauptgesellschafter des MCB, die Stadt Friedrichshafen, bisher aufgewendet, allein um die Verluste des kommunalen Klinikverbunds seit 2014 auszugleichen. Seit Mittwoch kommen noch einmal 10,8 Millionen Euro dazu, die der Gemeinderat für Betriebskostenzuschüsse, Investitionen und Instandhaltungen freigegeben hat. Aber ein Ende ist nicht abzusehen.
Denn der MCB in seiner derzeitigen Form, mit den Kliniken Weingarten, Tettnang und Friedrichshafen, wird so nicht weitermachen können. „Ein ‚Weiter so‘ halten wir nicht für richtig“, sagte OB Brand vor dem Gemeinderat. Der Aufsichtsrat und die Gesellschafter haben vorerst vor, das Klinikum Friedrichshafen zu stärken, das Krankenhaus 14 Nothelfer zu einem reinen Facharztzentrum umzubauen und das Tettnanger Krankenhaus zu einer Fachklinik mit angeschlossener Reha zu machen. Bis zum Herbst soll der Fahrplan dafür stehen, über den aber nicht der Häfler Gemeinderat zu entscheiden hat, sondern das Sozialministerium in Stuttgart.

Dazu kommt, dass das Häfler Klinikum deutlich in die Jahre gekommen ist. Spricht man mit Ärzten oder Pflegern, hört man von undichten Fenstern, einer veralteten Heizung, überalterten Intensivstationen und vielem mehr. So kann es auch sein, dass ein Neubau nötig wird, weil das derzeitige Haus in seiner jetzigen Architektur nicht in ein modernes Krankenhaus umzubauen ist. Denn auch die Patienten legen heute Wert auf Krankenhauszimmer, die zumindest einen gewissen Komfort bieten. Wie teuer ein Neubau werden würde, ist unklar. Hier geht es ganz schnell um Millionenbeträge in dreistelliger Höhe. In der Ratsvorlage war bereits eine Summe von 190 Millionen Euro angegeben, in der Pressekonferenz war von 250 Millionen Euro die Rede.
Flughafen Friedrichshafen
Die Rufe danach, den Flughafen aufzugeben, mehren sich. Die Grünen fordern schon lange, aus der Dauerschleife der wiederkehrenden Finanzspritzen auszusteigen. Denn auch der Airport ist ein Defizitgeschäft. Erst Ende 2017 hatten die beiden Hauptgesellschafter, Stadt Friedrichshafen und Bodenseekreis, neue Darlehen in Höhe von 17,4 Millionen Euro gewährt. „Der wesentliche Teil der Zahlungen erfolgt in drei Tranchen in den Jahren 2018, 2019 und 2020, wovon 2018 und 2019 geflossen sind. Das Darlehen des Landes in Höhe von einer Million Euro ist noch nicht ausgezahlt“, erklärt Flughafen-Chef Claus-Dieter Wehr. Zwar entwickeln sich die Passagierzahlen nach oben, doch die schwarze Null ist in weiter Ferne. 2018 betrug der Verlust 1,9 Millionen Euro, für 2019 geht der Airport davon aus, dass der Fehlbetrag deutlich steigen wird.
Mit der Einstellung des Flugbetriebs der Germania, für die Flughafen-Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr nicht verantwortlich ist, droht die nächste Schieflage.
Im Lagebericht des Flughafens heißt es deutlich: „Für den Fall, dass kein adäquater Ersatz für die Germania gefunden werden kann, könnte es ... mittelfristig erforderlich werden, dass die Gesellschafterweitere Finanzmittel ... zur Verfügung stellen“. Ein Ende der Airport-Subventionierung ist also nicht in Sicht.
Rolle des Gemeinderates
Der alte Gemeinderat hat in einer Art Sitzungsmarathon kurz vor Schluss über die Bilanzen zu befinden. Das MCB-Desaster ertrugen die Stadträte am Mittwoch und gaben einstimmig ihren Segen. In der letzten Sitzung am Montag wird es um die Messe und den Flughafen gehen. Spannend aber wird sein, wie sich der neue Gemeinderat, der sich am Mittwoch konstituiert, zu den vielen Problemen stellt. Und ob dieser von Oberbürgermeister Andreas Brand eine Richtungsänderung fordert. Zumal jetzt sieben Fraktionen am Ratstisch sitzen und keine bürgerliche Mehrheits-Allianz mehr. (mom)