Seit 2003 ist der promovierte Ingenieur Peter Hedrich eigentlich Rentner, doch auf Ruhestand hat der Endsiebziger keine Lust. Ganz im Gegenteil: Der Häfler ist derzeit unter anderem in Neu-Ulm als Berater gefragt, wo eine Forschungsfabrik für sogenannte Wasserstoff-PEM-Brennstoffzellen entsteht.

Mit dem Projekt „HyFab“, vom Land mit Millionen gefördert, soll die Produktion von Stacks – also der gestapelten Zellen – serienreif werden. Genau damit kennt sich Peter Hedrich bestens aus: Er hat schließlich die erste Brennstoffzellenfabrik der Welt gebaut. Die ging 1999 in Vancouver, Kanada in Betrieb und produziert bis heute.

Als Peter Hedrich 2003 in Rente ging, schenkte ihm Daimler diese Mini-Brennstoffzelle hinter Glas. Auf dem Schild steht der Dank an den ...
Als Peter Hedrich 2003 in Rente ging, schenkte ihm Daimler diese Mini-Brennstoffzelle hinter Glas. Auf dem Schild steht der Dank an den „Vater der ersten Brennstoffzellenfabrik“. | Bild: Cuko, Katy

Dass der damalige Produktionsleiter der MTU für die Werke weltweit im Dezember 1995 nach fast 30 Jahren seinem Arbeitgeber den Rücken kehrte, hat viel mit dem Prototypen des ersten in Serie gebauten Brennstoffzellenautos zu tun. Wer weiß schon, dass die Wiege des späteren Necar (New Electric Car) von Mercedes-Benz zumindest in Teilen in Immenstaad stand?

Testfahrzeug mit 60 Kilowatt Leistung

Eine Forschergruppe bei Dornier packte Mitte der 1990er Jahre einen 800 Kilogramm schweren „kalten Verbrenner“ testhalber auf einen Mercedes-Kleintransporter. „Außer den zwölf Stacks passte nichts mehr in den Laderaum“, erzählt Peter Hedrich schmunzelnd. „Aber die 60 Kilowatt Leistung haben gereicht, um mit dem Auto bis nach Ulm zu fahren und von dort regelmäßig nach Untertürkheim.“

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Dass er an diesem Testfahrzeug damals selbst mit schrauben und auch darin mitfahren durfte, hat viel mit Werner Tillmetz und Günther Dietrich zu tun. Beide Ingenieure waren dank Necar mit ihrem „Projekthaus Brennstoffzelle„ bei der Daimler-Benz AG 1997 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Jahre zuvor hatten sie für Dornier bereits Brennstoffzellentechnik für den europäischen Raumgleiter „Hermes“ entwickelt.

Erste Begegnung Mitte der 90er Jahre

Hedrich lernte die visionären Männer 1995 als Repräsentant der MTU bei der Eröffnung des Daimler-Forschungszentrums in Ulm kennen. „Auf einer Etage wurde Brennstoffzellentechnik präsentiert“, erinnert er sich. „Und ich hatte keine Ahnung davon. Google gab‘s damals ja noch nicht.“

Die Brennstoffzelle hat es Peter Hedrich schon Mitte der 1990er Jahre angetan. Mit deren Herstellung beschäftigt er sich bis heute.
Die Brennstoffzelle hat es Peter Hedrich schon Mitte der 1990er Jahre angetan. Mit deren Herstellung beschäftigt er sich bis heute. | Bild: Cuko, Katy

Ein Antrieb, der keine Rußwolken in die Luft bläst? Der MTU-Produktionsleiter für Dieselmotoren war beeindruckt. So beeindruckt, dass er Wochen später beim Anruf von Werner Tillmetz im Auftrag von Daimler keine zehn Sekunden gezögert habe und das Jobangebot annahm, erzählt er.

„Es gab kein Lehrbuch, wo drin stand, wie man solch eine Brennstoffzellenfabrik baut“

Der Konzern wollte die erste Brennstoffzellenfabrik der Welt bauen und brauchte jemanden, der die Produktion plant, was absolutes Neuland war. „Es gab kein Lehrbuch, wo drin stand, wie man solch eine Brennstoffzellenfabrik baut. Als Benchmark haben wir uns die Windelfertigung in Crailsheim und die Milchtütenproduktion in Mönchengladbach angeschaut.“

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Dass die Daimler-Benz AG die Brennstoffzellenfabrik dann nicht in Deutschland, wie ursprünglich geplant, sondern im kanadischen Vancouver hochzog, brachte die Lebensplanung des Wahl-Häflers ein wenig durcheinander. „Meine Frau war hochschwanger“, erzählt er. Nach der Geburt von Peter junior nahm er kurzerhand seinen Sohn und seine Frau Elena mit an die kanadische Westküste.

„Gezählt hat nur die totale Euphorie“

„Es war für uns eine sensationelle Zeit an der English Bay,“ schwärmt der Ingenieur noch heute von diesem Aufbruch. „Gezählt hat nur die totale Euphorie. Wir waren beseelt von dem Gedanken, die Brennstoffzelle in Autos, U-Boote oder Busse hineinzubringen“, erzählt Peter Hedrich rückblickend. Bei Bussen hat es am ehesten funktioniert.

Dieses Foto hängt in Peter Hedrichs Arbeitszimmer. Es zeigt die Necar-F-Cell-Flotte von Mercedes im Jahr 2002 vor dem Brandenburger Tor ...
Dieses Foto hängt in Peter Hedrichs Arbeitszimmer. Es zeigt die Necar-F-Cell-Flotte von Mercedes im Jahr 2002 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Es war das erste in Serie gebaute Brennstoffzellenfahrzeug der Welt. Die Stacks darin hat Peter Hedrichs Fabrik in Vancouver produziert. | Bild: Peter Hedrich

1999 ging die erste Brennstoffzellenfabrik von Daimler und Ballard in Betrieb. 15 000 Brennstoffzellen-Stacks pro Jahr war die geplante Kapazität der Fabrik in Vancouver damals. Parallel plante Hedrich im Auftrag der Inhaber eine Fabrik für die Großserie, prüfte, ob die Produktion von 250 000 Fahrzeug-Stacks profitabel ist.

Brennstoffzellen nicht billig in der Produktion

„Das kommerzielle Ergebnis war verheerend“, stellte er in seiner Machbarkeitsstudie fest. Zwar sei die Brennstoffzelle technisch einfach, doch „billig produzieren, wie damals gehofft, lässt sie sich bis heute nur mit Schwierigkeiten“. Grund: Zellmembran und Katalysator aus Platin seien sündhafte teure Materialien. So kosteten nur die vier Zellblöcke für zwei Brennstoffzellenbusse, die Mitte der 1990er Jahre testhalber durch Mannheim fuhren, umgerechnet mehrere Millionen Euro.

Neuer Hype um Brennstoffzellen

Bis heute gibt es laut Peter Hedrich außer in China kein Werk, das Brennstoffzellen in Großserien herstellt. Die damalige Euphorie musste schmerzhaft zurückgefahren werden. Nach vielen Jahren der nachgeschalteten Grundlagenforschung ist jetzt mit deutlich geringeren Membranstärken und Platinbeladungen ein neuer Hype ausgebrochen. „Wasserstoff als Primärenergie hat eine echte Zukunft“, glaubt der Ingenieur.

Patent für Bipolarplatte aus Metall

2002 kam Peter Hedrich mit seiner Familie zurück nach Friedrichshafen. In seinem letzten Berufsjahr vor der Rente brachte er noch ein Projekt mit Patent zu Ende: die Bipolarplatte aus Metall. Bis dahin wurden die Platten aus Graphit hergestellt, „in der Produktion eine Riesen-Sauerei“, sagt der Tüftler.

Diese Bipolarplatte auf Metallbasis hat Peter Hedrich mit Ingenieuren entwickelt und das Patent darauf. Sie wird bis heute produziert.
Diese Bipolarplatte auf Metallbasis hat Peter Hedrich mit Ingenieuren entwickelt und das Patent darauf. Sie wird bis heute produziert. | Bild: Cuko, Katy

Als er 2003 bei Daimler in den Ruhestand verabschiedet wurde, bekam er als Abschiedsgeschenk eine kleine Brennstoffzelle in einem großen Glasrahmen, auf den er bis heute stolz ist. Auf dem kleinen Schild darunter steht der Dank „an den Vater der ersten Brennstoffzellenfabrik„. Abschied? „Nee. Noch nicht!“

Heute berät Peter Hedrich Start-up-Unternehmen

Er ist weiter als Berater in Sachen Brennstoffzellentechnologie gefragt – vor allem bei jungen Münchner Start-ups, die heute kleine Brennstoffzellen produzieren, unter anderem für Wohnmobile, Telekom-Antennen oder Heizanlagen für Einfamilienhäuser.

Minen-Truck mit Wasserstoffantrieb

Sein neues Brennstoffzellen-Hobby sind allerdings die Heavy-Duty-Vehicle wie Busse, Trucks, Regionalbahnen, Fährschiffe und sogar große Minen-Trucks mit mehr als 100 Tonnen Gewicht – womit sich der Kreis zur MTU wieder schließt. „Wenn der erste Minen-Truck in Südafrika in Betrieb geht, werde ich den auch selbst fahren! Das wird kein 12- oder 16-Zylinder-Diesel sein, sondern ein 20-Stack-Modul mit Wasserstoff„, sagt Peter Hedrich voller Tatendrang.