Mit ernster Miene gesteht der 20-Jährige die Taten, die ihm Oberstaatsanwalt Wolfgang Angster vor dem Amtsgericht Tettnang zur Last legt: Der junge Mann mit kindlichem Gesicht und schlanker Statur soll an seiner ehemaligen Freundin zweimal gegen ihren Willen Sex vollzogen haben, während sie schlief. Angezeigt hatte sich der 20-Jährige selbst. Am Ende der Verhandlung befindet das Jugendschöffengericht unter Leitung von Richter Peter Pahnke den Angeklagten der Vergewaltigung in zwei Fällen für schuldig.

Was war geschehen?

Der Angeklagte und die Geschädigte hatten sich nach Aussage des 20-Jährigen 2016 kennengelernt. In der bis Ende 2018 dauernden Beziehung sei es auch regelmäßig zu einvernehmlichem Sex gekommen. Laut Staatsanwaltschaft penetrierte der Angeklagte seine damalige Freundin jedoch zweimal, als sie schlief. Die junge Frau habe jeweils nichts mitbekommen und der Angeklagte habe es ihr später immer erzählt. Nach dem zweiten Mal habe die Geschädigte gesagt, sie wolle das nicht.

Dennoch vollzog der Angeklagte danach noch zweimal ungeschützten Sex an seiner schlafenden Freundin

Einige Monate nach dem Ende der Beziehung zeigte sich der 20-Jährige selbst bei der Polizei an – gegen den Willen seiner Ex-Freundin, wie von Richter Pahnke verlesene Handynachrichten der beiden zeigen. Mehrmals schreibt die junge Frau, dass sie nicht wolle, dass alles rauskomme, es bringe ja nichts. Zu Verhandlungsbeginn merkt Pahnke an, dass die Frau vielleicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit angehört werde. Nach Rücksprache mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung entlässt er sie, ohne dass sie aussagen musste.

Der Eingang des Amtsgerichts Tettnang, wo der Prozess stattfand.
Der Eingang des Amtsgerichts Tettnang, wo der Prozess stattfand. | Bild: Hurst, Carina

„Der Fall macht mich ratlos“, so Richter Pahnke. Wie könne es sein, dass die Frau nicht aufgewacht sei? Hatte sie Alkohol oder Drogen konsumiert? Nein, sie habe einfach einen sehr tiefen Schlaf, so der Angeklagte. Und warum überhaupt diese Tat, wo sie doch einvernehmlichen Sex hatten? „Da war halt das Verlangen und ich konnte mich nicht mehr halten“, so der 20-Jährige.

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Die Tat brauche „eine Sanktionierung durch Verurteilung“, so Oberstaatsanwalt Angster in seinem Schlussplädoyer

„Er hat das Vertrauen seiner Partnerin missbraucht und sie zum Objekt der eigenen sexuellen Begierde degradiert.“ Das Gericht folgt Angster und wendet Jugendstrafrecht an, obwohl der Angeklagte bei der zweiten Tat bereits 18 Jahre alt war. Aber nicht wegen einer Reifeverzögerung des heute 20-Jährigen, wie von Angster dargelegt, sondern weil die zweite Tat nicht isoliert von der ersten betrachtet werden könne.

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Eine Freiheitsstrafe werde nicht verhängt, da weder schädliche Neigungen noch eine besondere Schwere der Schuld vorlägen. Die sexuellen Kontakte seien nach den Taten fortgeführt worden. Für den Angeklagten spreche, „dass er sich selbst angezeigt hat und das auch psychisch verarbeiten will“, so Pahnke.

Das Gericht verurteilt den 20-Jährigen zu einer Geldbuße von 500 Euro zugunsten des Opferhilfevereins Weißer Ring, 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit und der Fortführung einer bereits begonnenen Psychotherapie.