„Die Abteilungsleiterin lädt zwei Kunden zum Essen ein. Wer betritt das Restaurant zuerst?“ Schon die erste Quizfrage, die Knigge-Expertin Annette Kessler stellt, stiftet Verwirrung. „Die Dame – Ladies first“, mutmaßt eine Teilnehmerin des Seminars. „Ein Herr, dann die Dame, dann der zweite Herr, zum Schutz der Dame“, sagt ihr Nachbar. Beide haben ein bisschen recht, verrät Kessler: „Der Gastgeber betritt zuerst den Raum und das ist in dem Fall die Dame. Dann weiß das Personal sofort, an wen es sich mit der Rechnung zu halten hat.“ Im Privaten aber gehe der Herr vor, um die Lage zu sondieren.
Business Dinner ist Ursprung vieler Geschäftsbeziehungen
Zwölf Teilnehmer haben sich für einen Abend im Zeichen der Etikette um den festlich gedeckten Tisch im Hotel Krone versammelt. Eingeladen hat das Institut für Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer Bodensee (IWT). "Viele Geschäftsbeziehungen haben ihren Ursprung im Business Dinner. Wir möchten gemeinsam mit Frau Kessler Unternehmen, Studenten und Auszubildende auf diese Herausforderung vorbereiten, sodass diese sich keine Chancen verbauen", sagt Judith Bomm, Referentin für Marketing.
"Man sollte diese Umgangsformen auf jeden Fall pflegen"
Nicole Fisel steht kurz vor ihrem Master in Maschinenbau. „Ich halte das für ein wichtiges Thema, zu wissen wie verhalte ich mich, wenn ich eingeladen werde“, sagt sie. Christoph Giesinger arbeitet bei einer Bank, Geschäftsessen gehören zum Job. „Da kommt es auch auf Stil und Etikette an“, sagt er. Er hat im Januar einen Knigge-Kurs besucht. „Dieser Abend ist die perfekte Ergänzung. Für mich fällt das unter lebenslanges Lernen.“
Michelle Fuchs hat ihr duales Studium im Maschinenbau gerade begonnen. Sie hat von ihrer Mutter viele Benimmregeln mitbekommen. „Ich wollte wissen, ob die noch aktuell sind“, sagt sie. Sie hat ihren Chef mitgebracht, den Unternehmer Alexander Merkel aus Ravensburg. „Man sollte diese Umgangsformen auf jeden Fall pflegen. Es hat auch etwas generationenübergreifendes, wenn sich alle an die gleichen Regeln halten“, sagt er.
Warum der Small Talk nicht zu unterschätzen ist
Eine gemeinsame Basis herstellen sei der tiefere Sinn der Etikette, sagt Trainerin Annette Kessler. „Diese Regeln stellen sicher, dass sich die Teilnehmer auf Augenhöhe unterhalten.“ Der Small Talk zu Beginn sei nicht zu unterschätzen. Er lege die Basis für die Beziehung. „Das Wichtigste ist die innere Haltung: Offenheit, Freundlichkeit, Interesse für den anderen“, sagt sie. Dabei sind Floskeln und kontroverse Themen tabu, kreatives Assoziieren dagegen erwünscht.

"Die Menüfolge sollte nicht an Ihrem Glas abzulesen sein“
Für das Benehmen am Tisch sind die Regeln genauer festgelegt: Die Serviette hat auf dem Schoß zu liegen, ein Drittel wird umgeschlagen. So kann der Gast den Mund säubern, ohne Lippenstift oder Fett auf die Kleidung zu bringen. „Am besten tupfen Sie sich jedes Mal den Mund ab, wenn Sie etwas trinken. Die Menüfolge sollte nicht an Ihrem Glas abzulesen sein“, sagt Kessler.
Die Besteckhaltung ist das A und O: locker liegen die Zeigefinger oben auf Messer und Gabel, die Gabelrücken zeigen zur Tischmitte.
Fünf Stichworte für die Super-Tischrede
Kessler zeigt den Gästen nicht nur, wie sie eine Dorade richtig tranchieren: Sie schneidet sie mittig vom Kopf zum Schwanz hin ein, klappt die Haut weg und löst die Filets von der Mittelgräte. „Wenn der Fisch richtig gegart ist, ist das gar kein Problem, er hängt nicht an den Gräten und das Fleisch ist noch fest“, sagt sie. Sie gibt ihnen auch das Gerüst für eine Tischrede an die Hand: „Merken Sie sich diese fünf Worte: Grüßen, freuen, wünschen, danken, hoffen. Dann halten Sie jederzeit eine Super-Tischrede“, empfiehlt sie. Sebastian Schmidt probiert es: „Ich begrüße Sie herzlich zu diesem Abendessen und freue mich, dass wir hier so schön zusammensitzen.“ In fünf Sätzen ist er fertig und die Rede gelungen.
Kartoffeln dürfen heute mit dem Messer geschnitten werden
Vieles sei in Sachen Etikette im Wandel, betont Kessler. Kartoffeln dürfen heute mit dem Messer geschnitten werden, da die Messer nicht mehr wie früher beim Kontakt mit Stärke anlaufen. Das Button-Down-Hemd gehört nicht zum Business-Outfit, gilt aber nicht mehr als gravierender Faux-Pas.
In manchen Restaurants ist sogar Bier zum Essen möglich. „In einem guten Restaurant wird der passende Wein empfohlen. Außer Wasser würde jedes andere Getränk den Geschmack des Gerichts verfremden“, sagt Kessler.
Im Ausland geht es um die jeweiligen Gebräuche
Bei Essen im Ausland sind die dortigen Gebräuche zu bedenken. „In China sollte man durchaus mit Stäbchen essen, schmatzen müssen Sie nicht.“
Am Ende des Abends sind die Gäste zufrieden. „Ich fühle mich auf jeden Fall sicherer. Ich bin kein Small Talk Typ, da war die Themenauswahl sehr interessant“, sagt Nicole Fisel. „Dass man doch über das Wetter reden darf, wusste ich nicht“, sagt Christoph Giesinger. Für Michelle Fuchs haben sich viele Regeln ihrer Mutter bestätigt. „Nur dass die Serviette nicht auf den Stuhl darf, war mir nicht klar“, sagt sie. Auch das Netzwerken funktioniert: Studenten unterhalten sich mit Unternehmensvertretern über ihre Perspektiven und mehrere Gäste tauschen Visitenkarten.