Nur ein Listenplatz bleibt unangefochten: Anna Hochmuth ist die einzige Kandidatin dafür und die Anwesenden wählen sie einstimmig auf Platz eins.
Sie studiert an der Zeppelin-Universität Politik, Verwaltung und internationale Beziehungen, gehört seit vier Jahren zu den Grünen und engagiert sich im Vorstand des Grünen-Ortsvereins, der grünen Jugend und in der Behindertenpolitik. "Meine Schwerpunkte werden Bauen und Wohnen sein, ich will mich für den Ausbau des Radwegenetzes, den ÖPNV und für Barrierefreiheit einsetzen. Und ich will einen jungen, dynamischen Wahlkampf machen", sagt sie.
Schon um den zweiten Platz wird gerungen: Ihr Vorstandskollege Felix Bohnacker muss sich gegen Gökhan Kahraman durchsetzen. Bohnacker arbeitet als Wirtschaftsinformatiker und lehrt an der Dualen Hochschule (DHBW). "Ich möchte der jungen Generation eine Stimme geben und dafür sorgen, dass Friedrichshafen auch für junge Leute attraktiv ist", sagt er.
Außerdem plädiert er dafür, Rad- und Bahnfahren attraktiver und Autofahren unattraktiver zu machen sowie den Seewald zu erhalten. Kahraman ist gebürtiger Häfler mit türkischen Wurzeln, Einzelhandelskaufmann und absolviert eine technische Ausbildung. Er spricht sich für eine andere Verkehrspolitik aus und für die Renovierung der Herberge.„Lasst uns wieder besser sein als die anderen Parteien: auf Platz eins eine Frau und auf Platz zwei jemanden mit Migrationshintergrund“, wirbt er. Mit einer Stimme Vorsprung geht die Runde an Bohnacker. Kahraman kann sich später Platz acht sichern.
Die ersten beiden Plätze auf der Liste hat der Ortsverein für Neulinge reserviert, die bisher nicht im Gemeinderat saßen. „Bekannte Gesichter auf den ersten Plätzen haben eine Art Doppelbonus, wir wollten jungen Leuten eine Chance geben“, sagt der Fraktionsvorsitzende Gerhard Leiprecht. Dafür sind die nächsten Listenplätze umso begehrter. Ratsmitglied Regine Ankermann, die sich für das Kulturhaus Caserne im Fallenbrunnen engagiert, tritt an gegen Sieglinde Ege, langjährige Reformhausinhaberin und im Stadtforum aktiv. Auch hier entscheidet eine Stimme: Ankermann kandidiert auf Platz drei. Ege erringt später Platz elf vor Dagmar Mader, die gerade in den Gemeinderat nachgerückt ist.
So geht es weiter: Fast an jeder Stelle kandidieren unbekannte Gesichter gegen kommunale Urgesteine. Für die Nominierung auf Platz vier hat Gemeinderat Ulrich Heliosch zwei Mitbewerber, bekommt aber eine satte Mehrheit und auch Gerhard Leiprecht wird nahezu einstimmig auf Platz sechs gewählt. Der stellvertretende Ortsvorsteher von Kluftern und jahrelange Vorkämpfer für die Bodenseegürtelbahn, Walter Zacke, verliert dagegen das Rennen um Platz zehn gegen den Chirurgen Jochen Reiter, der beim Roten Kreuz mitarbeitet.
Ungerade Zahlen den Frauen vorbehalten
Für die Besetzung von Platz fünf – die ungeraden Zahlen sind traditionell den Frauen vorbehalten – braucht es drei Wahlgänge. Mit Christine Heimpel und Stephanie Glatthaar treten zwei erfahrene Gemeinderätinnen an. Christine Heimpel hat im vergangenen Jahr die SPD verlassen und wechselte zunächst parteilos zur Grünen-Fraktion. Seit diesem Abend ist sie Mitglied der Grünen und verweist auf ihre Initiativen im Gemeinderat, wie den Einsatz für eine kommunale Schulküche oder ein besseres ÖPNV-Angebot.
Stephanie Glatthaar ist profilierte Verkehrs- und Stadtteilpolitikerin und wurzelt in der Fahrradbewegung. Neben ihnen bewirbt sich wieder Sieglinde Ege. Neu dazu kommt Maren Schwarz-Erfurth, Ärztin mit zwei kleinen Kindern. Sie sei als Jugendliche friedensbewegt gewesen und habe sich für Ökologie interessiert, sagt sie. Der Erfolg der AfD habe sie weiter politisiert. "Es ist wichtig, dass wir eine kluge, respektvolle Politik vor Ort machen und das möchte ich gern machen", sagt sie. Schließlich behauptet sich Heimpel auf Platz fünf, die anderen besetzen die folgenden ungeraden Stellen auf der Liste.
Versammlungsleiter Thomas Henne zeigt sich beeindruckt von der Diskussionsbereitschaft der Kandidaten, mahnt aber auch: "Bei der Kommunalwahl sind die Plätze nicht so wichtig, die Leute gucken die Listen durch, wen sie kennen." Erst kurz vor Mitternacht kann die Nominierung für die Kreistagswahl beginnen.
Trotzdem sagt auch Kreistagsspitzenkandidatin Christa Hecht-Fluhr: "So etwas habe ich noch nicht erlebt, obwohl ich seit 2004 bei Nominierungen dabei bin. Ich bin ganz begeistert, wie viel Engagement und Kompetenz die Kandidaten mitbringen." Um 2 Uhr morgens haben die Grünen alle 40 Listenplätze für den Gemeinderat und alle 22 für den Kreistag besetzt – und sie haben für beide Listen Nachrücker.
Die Nominierung
- Gemeinderat: Listenplätze 21 bis 40: 21 Natascha Acikgoez (29 Jahre), 22 Markus Hener (60), 23 Simone Kegelmann (45), 24 Matthias Klemm (50), 25 Helga Michelberger (68), 26 Hüda Tuzlu (52), 27 Christine Küsel (68), 28 Karl-Heinz Sander (71), 29 Gisela Roleder (57), 30 Volker Dunz (53), 31 Iris Steger (50), 32 Martin Emmert, 33 Katrin Klemm (40), 34 Günter Weber (57), 35 Sabine Wetzel (57), 36 Martin Frei-Borchers (51), 37 Sabine Proll (54), 38 Wolf-Rüdiger Schepkowski (62), 39 Sarah Kessler (31), 40 Frank Labitzke, 41 (Nachrücker) Annemarie Kersting (55), 42 (Nachrücker) Dagmar Buggle (50), 43 (Nachrücker) Sabine Lienhard (55), 44 (Nachrücker) Silvia Presser (60), 45 (Nachrücker) Christina Wolzen (54)
- Kreistag: Die Listenplätze von 1 bis 22 für den Kreistag: 1 Christa Hecht-Fluhr (63), 2 Ralf Lattner (51), 3 Helga Michelberger (68), 4 Tim Horras (20), 5 Simone Kegelmann (45), 6 Jochen Reiter (48) , 7 Sabine Proll (54), 8 Gökhan Kahraman (31), 9 Katrin Klemm (40), 10 Gerhard Leiprecht (69), 11 Sabine Wetzel (57), 12 Wolf-Rüdiger Schepkowski (62), 13 Sarah Kessler (31), 14 Arno Kleiß (64), 15 Andrea Dressler (50), 16 Peter Dressler (50), 17 Silvia Presser (60), 18 Roland Küsel (63), 19 Renate Huser (63), 20 Felix Bohnacker (22), 21 Anna Hochmuth (22), 22 Frank Labitzke, 23 (Nachrücker) Silja Klein (25), 24 (Nachrücker) Christine Küsel (68), 25 (Nachrücker) Ulrich Heliosch (37)