39 Jahre lang führte Dorothee Laufenberg ein Leben wie viele andere Menschen auch. „Ich war eine erfolgreiche Rechtsanwältin und hatte alles was man sich so vorstellt. Trotzdem drängte sich mir die Frage auf ob es das schon gewesen ist?“, erinnert sich die 62-Jährige, die sich heute nur noch "Schwester Dorothee" nennt. Für die Juristin war klar, dass sie etwas ändern will in ihrem Leben, ihm einen anderen, tieferen Sinn geben möchte.

Das alte Leben abstreifen

„Der Glaube und die Liebe zu Gott hatten in meinem Leben schon immer eine Rolle gespielt und darum habe ich auch noch neben Jura Theologie studiert und bin dann über Umwege in Laupheim auf die Steyler Missionsschwestern gestoßen und war fasziniert“, blickt Schwester Dorothee zurück, „ich war dort, um mir das Klosterleben anzusehen und war tief beeindruckt gerade auch von alten Schwestern, die sehr glücklich und zufrieden auf mich gewirkt haben." Die Juristin erkannte: Da will sie dazu gehören und so fiel ihr der Schritt, ihr altes Leben abzustreifen nicht schwer.

 

So beschreibt sie ihre Beziehung zu Gott

„Das Thema Gerechtigkeit spielte schon immer eine große Rolle in meinem Leben, aber jetzt war der Druck weg und was mir sicher geholfen hat war, dass ich aus meinem Berufsleben ein gutes Gespür für Menschen hatte und auch gerne mit Menschen zu tun habe“, erklärt sie. Für ihre Beziehung zu Gott hat die Ordensfrau ein paar interessante Vergleiche: „Ich erlebe mich als geliebte Tochter, oder als Kind. Kinder sind ja manchmal renitent und verstehen sich nicht immer mit den Eltern. Auch ich sollte immer auf den Willen Gottes hören und das ist nicht immer einfach. Gerade wenn es um Frieden und Gerechtigkeit geht, frage ich mich manchmal: Wie kann Gott so etwas zulassen? Aber so wie Eltern ihre Kinder lieben, auch wenn sie den größten Mist gebaut haben, ist alles in seiner Liebe untergebracht“, so Schwester Dorothee.

Schwester Bernadette geht regelmäßig in den Gebetsraum der Ordensfrauen. Gemeinsam mit Schwester Bernadette (ganz rechts) in Eriskirch.
Schwester Bernadette geht regelmäßig in den Gebetsraum der Ordensfrauen. Gemeinsam mit Schwester Bernadette (ganz rechts) in Eriskirch. | Bild: Susanne Hogl

Steyler Schwestern

Der Gemeinschaft gehören derzeit rund 3000 Schwestern weltweit an. Insgesamt arbeiten für den Orden in 48 Ländern 10 000 Schwestern, Patres und Ordensbrüder. Die Gründung fand 1889 im niederländischen Steyl statt.

In ihrer ersten Zeit bei den Steyler Missionsschwestern war Schwester Dorothee bei Solwoldi, einer Frauenrechtsorganisation, tätig. Zuletzt arbeitete sie in der Klinikfürsorge in Ulm. Die Umstellung sei die ersten Jahre groß gewesen. „Auch wenn viele Schwestern unserer Gemeinschaft keine Tracht mehr tragen, gab es trotzdem viele Dinge, an die ich mich gewöhnen musste“, gesteht sie ein. Neu war für die 62-Jährige, die mit einem Bruder aufgewachsen ist, vor allem das Leben nur unter Frauen. „Das ist nicht immer einfach. Aber es ist eben wie immer. Mit einigen versteht man sich spontan und bei manchen ist rasch klar, dass man zwar freundlich mit einander umgeht, aber eben keinen näheren Kontakt haben wird“, erzählt die Ordensfrau.

Familie akzeptierte die Entscheidung schnell

Ihre Entscheidung für ein endgültiges Leben in der Gemeinschaft wurde von ihrer Familie rasch akzeptiert: „Ich bin ja auch nicht weg für meine Familie, ich habe immer noch Kontakt zu Freunden und Familie und sehe sie auch wenn es terminlich passt." Am miteinander in der Gemeinschaft schätzt sie auch Dinge, über die sie sich in ihrem früheren Leben weniger Gedanken gemacht hat. „Im normalen Arbeitsleben ist meisten mit Mitte 60 Schluss und dann kommt oft nicht mehr sehr viel. Bei uns gibt es Schwestern, die mit Mitte 70 beispielsweise in andere Länder gehen und dort noch einige Jahre arbeiten. Das finde ich sehr gut, dass es diese Möglichkeiten gibt“, so Schwester Dorothee, die selbst ein paar Jahre in den USA gelebt hat im Auftrag der Gemeinschaft.

Das könnte Sie auch interessieren

Orden statt Kloster

Die Steyeler Missionsschwestern sind Ordensfrauen, keine Klosterschwestern. Sie leben zwar in einer Kongretation, also Ordensgemeinschaft, aber nicht von der Außenwelt abgeschlossen (klausuliert) im Kloster.

Einst 20 Schwestern, heute noch zwei

Vor zwei Jahren ist Schwester Dorothee jetzt gemeinsam mit Schwester Bernadette nach Eriskirch gekommen und lebt in einem kleinen Häuschen in Moos. „Hier sind seit 90 Jahren Schwestern und als das Gästehaus noch den Steyler Missionarinnen gehörte, waren zeitweise 20 Schwestern hier. Jetzt sind es noch Schwester Bernadette und ich“, so die Ordensfrau. In unmittelbarer Nähe zum Bodensee liegt neben einer kleinen Kirche das Gästehaus St. Theresia. Im Gästehaus gibt es Seminarräume, in denen die Kursangebote der Schwestern stattfinden.

Die beiden Ordensfrauen Schwester Bernadette (links) und Schwester Dorothee leben gemeinsam als Steyler Missionarinnen in St. Theresia ...
Die beiden Ordensfrauen Schwester Bernadette (links) und Schwester Dorothee leben gemeinsam als Steyler Missionarinnen in St. Theresia in Eriskirch-Moos.

Doch was machen Ordensschwestern den ganzen Tag so? Ein ganz normaler Arbeitstag beginnt für die beiden Schwestern mit dem Morgenlob im Gebetsraum, danach wird zusammen gefrühstückt. „Dann ruft der Schreibtisch. Wir bereiten im Moment unser Kursangebot für 2019 und 2020 'Der kleine Weg' bei uns in Eriskirch vor. Außerdem führen wir Gespräche im Rahmen der geistlichen Begleitung Einzelner und pflegen Kontakte zur Seelsorgeeinheit und zum Dekanant", erklärt Schwester Dorothee. Gemeinsam haben die Schwestern in unterschiedlichen Fachrichtungen Weiterbildungen gemacht und bieten jetzt ein vielfältiges Kursprogramm an. „Wir haben erkannt, dass immer mehr Menschen nach dem Sinn des Lebens und nach Halt in ihrem Leben suchen und wollen das mit unserer christlichen Spiritualität unterstützen“, berichtet Schwester Dorothee. Die Seminare und Kurse seien für alle offen. Die beiden Schwestern bieten beispielsweise Pilgertage für Frauen an und Kräuterseminare. Außerdem gebe es Angebote für Familien, beispielsweise über die Osterfeiertage.

Nachwuchssorgen

Nach Angaben der Deutschen Ordensobernkonferenz, leben rund 15 000 Ordensfrauen in 1249 klösterlichen Niederlassungen. (Stand 2017). 84 Prozent der Schwestern sind über 65 Jahre alt. Im Jahr 2017 gab es 61 Novizinnen.

Ordensfrauen stehen durchaus mitten im Leben

Schwester Dorothee ist es aber auch wichtig, zu vermitteln, dass Ordensfrauen durchaus mitten im Leben stehen: „Ich sitze auch mal in einem Café, treffe mich mit Freunden, genieße den See, und höre klassische Musik.“ Nach Angaben von Schwester Dorothee, steht ihr und ihrer Mitschwester ein kleiner Etat zur Verfügung, mit dem auch die persönliche Dinge und Lebensmittel angeschafft werden. „Einige Gemeinschaften geben den Schwestern Taschengeld, in anderen gibt es andere Regelungen“, so Schwester Dorothee. Das Vermögen, das die Schwestern vor den ewigen Gelübden hatten, werde treuhänderisch verwaltet. Die Schwestern regeln, was mit dem Geld nach ihrem Tod geschehen soll.

Das könnte Sie auch interessieren

Chance auf Bildung

Für Frauen haben Klöster historisch eine besondere Bedeutung, denn dort gab es im Mittelalter und auch noch in der Neuzeit oft die einzige Chance auf Bildung. Zudem war es die einzige Möglichkeit, selbstbestimmt ohne Mann und in Freiheit zu leben.

Bereut hat die 62-Jährige ihren Schritt für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft nie und auch der Zukunft sieht sie gelassen entgegen. „Bei uns gibt es keine einsamen alten Menschen, sondern inzwischen neben Häusern mit Pflegestationen auch Pläne für Mehrgenerationenhäuser, da der Altersdurchschnitt bei den Schwestern derzeit bei fast 80 Jahren liegt. Ich freue mich sehr darüber, dass es ein paar tolle junge Frauen gibt, die Interesse an unserer Lebensform haben“, sagt Schwester Dorothee.

Das könnte Sie auch interessieren

Wenn sie Werbung für ein Leben als Ordensfrau machen müsste, dann fällt das Schwester Dorothee gar nicht schwer, denn: „'Alles wirkliche Leben ist Begegnung' hat Martin Gruber einmal gesagt. Als Ordensfrau versuche ich in einer Beziehung zu Gott und den Menschen zu leben, mit allem was dazu gehört und die Menschen, mit allem was dazu gehört, zu verstehen und anzunehmen!“