Nanu? Hier stimmt doch etwas nicht. Statt lasziver Frauen in sündigem Schwarz sind Mädchen in knallbunten Sommerkleidchen zu sehen. Statt Sekt an der Reling des Oberdecks der "München" wird Sangria auf der Ladefläche der "Euregia" ausgeschenkt. Und während die Malle-Party auf der Euregia langsam Fahrt aufnimmt, stehen die Freunde von Lack, Leder und nackter Haut etwas ratlos am Pier und warten auf ihr Schiff.

Eine schöne Frau in tierischer Begleitung – auch mit der Geschlechtszugehörigkeit wird gespielt.
Eine schöne Frau in tierischer Begleitung – auch mit der Geschlechtszugehörigkeit wird gespielt. | Bild: Anette Bengelsdorf

Weniger als sonst sind gekommen. Weniger bizarre Kostümträger und weniger Schaulustige – trotz der lauen Abendluft. "Wir radeln um den Bodensee und wollten hier in Friedrichshafen das Fußballspiel sehen", sagt ein Zuschauer aus Zürich im schwedischen Trikot. Jetzt sei er ganz überrascht, was hier so vor sich geht.

Latex-Tiere sind immer wieder ein Hingucker und erfreuen sich jedes Jahr großer Beliebtheit beim Publikum.
Latex-Tiere sind immer wieder ein Hingucker und erfreuen sich jedes Jahr großer Beliebtheit beim Publikum. | Bild: Anette Bengelsdorf

Voll in Gummi eingeschlossen, das Gesicht hinter einer Atemschutzmaske verborgen, verschnürt ein Fetischist die Handschuhe seiner "Gummipuppe". Wie eine zweite Haut umschließt sie schwarz-glänzender Latex und schon der Gedanke, so etwas anziehen zu müssen, führt zu einem Schweißausbruch. "Ich benutze dafür Babypuder oder Silikonöl,", erklärt die Dame, die durch ihre Gasmaske kaum zu verstehen ist.

Doch Babypuder habe an heißen Tagen die unangenehme Eigenschaft, Flecken auf dem Fußboden zu hinterlassen. So habe sie sich heute, da mit verstärkter Transpiration zu rechnen sei, für Silikonöl entschieden. Das Ganze daure dann etwa eine halbe Stunde.

Etwa eine halbe Stunde dauert es mithilfe von Babypuder oder Silikonöl einen solchen Latexanzug anzuziehen. Mit den Handschuhen hilft ...
Etwa eine halbe Stunde dauert es mithilfe von Babypuder oder Silikonöl einen solchen Latexanzug anzuziehen. Mit den Handschuhen hilft der Begleiter. | Bild: Anette Bengelsdorf

Welcher Kontrast zu mancher offenbusigen Dame und zu Männern, die nur ihre strategisch wichtigsten Teile kunstvoll verborgen haben. "Es ist Party und nichts Anderes", sagt einer, der schon zum 14. Mal aufs Torture Ship nach Friedrichshafen kommt. Das Kopfkino der "Stinos", also der Stinknormalen, sei viel wilder als jede Realität. Es gäbe nur Diskos, Shops und "Spielmöglichkeiten" an Bord und heute hoffentlich kein Fußball.

Das sei ein totales No-Go. "Wer 65 Euro bezahlt hat, kommt ganz sicher nicht zum Fußball schauen", sagt er und führt seine devot blickende Begleiterin am Halsband vor. Drei erkennbar fußballaffine Männer schleichen verschämt vorbei, wollen lieber nicht gesehen werden.

Fußball? Recht und gut, aber nicht auf dem Torture Ship. Dieser Stammgast hat dort Besseres zu tun.
Fußball? Recht und gut, aber nicht auf dem Torture Ship. Dieser Stammgast hat dort Besseres zu tun. | Bild: Anette Bengelsdorf

Dann kommt Ingrid Hannemann. Im Trikot der deutschen Nationalmannschaft und Ohrringen in Schwarz-Rot-Gold ist sie auf dem Weg zum Public Viewing im Lammgarten hängen geblieben. Sie habe ihr ganzes Wohnzimmer mit Fanartikeln dekoriert und nach dem Spiel gegen Mexiko voller Zorn wieder weggeräumt. "Wenn die Deutschen heute wieder verlieren, werfe ich alles weg", sagt sie mit funkelnden Augen.

Ein schwarzer Engel gibt sich seinem Meister hin.
Ein schwarzer Engel gibt sich seinem Meister hin. | Bild: Anette Bengelsdorf

Das Ballermann-Schiff ist längst ausgelaufen, als das Boarding auf der "München" endlch beginnt. Ein knapp bekleideter Mann mit schwarz-rot-goldener Blumenkette steigt ein. "Das Schiff ist mir heute wichtiger, als das Spiel", sagt er. Auf der "München" werden wohl ganz andere Spielchen im Mittelpunkt stehen.

Wer kann da wohl widerstehen? Eine Latex-Bombe zeigt mehr als sie hat.
Wer kann da wohl widerstehen? Eine Latex-Bombe zeigt mehr als sie hat. | Bild: Anette Bengelsdorf