Mit einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und zehn Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung endete am Montagnachmittag der Prozess gegen einen 47 Jahre alten Arzt am Landgericht Ravensburg. Der Mann soll seine Ehefrau bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Dem Anklagevorwurf des versuchten Mordes war die Kammer nicht gefolgt. Richter Veiko Böhm fand in seiner Urteilsbegründung aber deutliche Worte für den Angeklagten.
Zunächst wurden am zweiten Prozesstag jedoch weitere Zeugen und die Sachverständigen gehört. Ein Kripo-Beamter sagte aus, dass der 47-Jährige am 3. November 2024 in Friedrichshafen angekommen war. Am Tag darauf sollte es ein Umgangstreffen mit seinen Kindern geben. Warum dieses ausgerechnet in der Stadt stattfinden sollte, in der sich die Ehefrau mit den Kindern nach der Flucht vor ihm in einem Frauenhaus aufhielt, konnte nicht geklärt werden. Offen blieb auch die Frage, warum die Mutter erst wenige Stunden vor dem Treffen per E-Mail über diesen Termin informiert worden war. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits mit erheblichen Würgeverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden.
Nach Angaben des Polizisten muss der 47-Jährige schon zuvor gewusst haben, dass sich seine Familie in Friedrichshafen aufhielt. „Unseren Ermittlungen zufolge hat eines der Kinder eine Notfallkarte beim Friseur liegen lassen, auf der er noch als Ansprechpartner vermerkt war“, sagte der Beamte aus. Auch durch die Benutzung einer Bankkarte soll er Kenntnis davon gehabt haben, dass die Familie nach der Flucht aus der gemeinsamen Wohnung in Nordrhein-Westfalen am Bodensee untergekommen war.
Rechtsmedizinerin Ines Ackermann hatte die Verletzungen in Augenschein genommen. „Beim Würgen gibt es eine enorme Bandbreite. Nicht jeder Griff ist lebensbedrohlich, aber es kann bis zum Tod führen“, sagte sie aus. Die Würgemale am Hals der 45-Jährigen, die von der Polizei dokumentiert wurden, sprechen für eine „kräftige Kompression“. Auch die Bewusstlosigkeit passe ins Bild. „Eher ungewöhnlich ist, dass sie eigenen Angaben zufolge sehr schnell bewusstlos wurde, davor beispielsweise keine Sehstörungen geschildert hat.“ Punktblutungen – etwa in den Augen – seien in der Klinik nicht dokumentiert worden. „Ob es sie nicht gab oder ob sie nicht genauer untersucht wurden, wissen wir in dem Fall nicht“, erläuterte die Rechtsmedizinerin. Gutachter Hans Knoblauch sah beim Angeklagten keine Anzeichen für eine wahnhafte Störung.
Staatsanwalt Martin Hengstler betonte in seinem Plädoyer, es sei nicht wirklich klar geworden, warum die Familie ihr privilegiertes Leben im Heimatland verlassen habe, um „in die Ungewissheit in Deutschland aufzubrechen“. Beide seien offenbar angesehen und vermögend, als Ärzte beruflich erfolgreich gewesen. Und doch wollte der Angeklagte nach Deutschland. „Ohne Stellenangebot, ohne ausreichende sprachliche Voraussetzungen, um hier direkt arbeiten zu können“, so Hengstler. Die bereits bestehenden Eheprobleme hätten sich in Deutschland verschärft. Ein Vorfall von häuslicher Gewalt im Frühjahr 2024 habe die Polizei auf den Plan gerufen. Damit werden sich die Gerichte in Nordrhein-Westfalen befassen.
„Er hat ihr jede Menschenwürde abgesprochen“
„Das Zusammentreffen am Tattag war keinem Zufall geschuldet“, so Hengstler. Der Angeklagte müsse seine Frau verfolgt und abgepasst haben. Seine Frau habe um Hilfe gerufen, daraufhin habe er sie gewürgt. „Er hat kräftig zugedrückt und sie ging zu Boden“, so der Staatsanwalt. Die Situation sei akut lebensbedrohlich gewesen, und der Angeklagte habe seine Tötungsabsicht nicht aufgegeben. Er habe erst mit dem Eintreffen der Zeugin von seiner Frau abgelassen. Daher sei die Tat als versuchter Mord in Tateinheit mit Körperverletzung einzustufen. „Er hat ihr jede Menschenwürde abgesprochen“, erläuterte er als Mordmerkmal die niedrigen Beweggründe und forderte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Die Nebenklage wertete die Zeugenaussagen als nachvollziehbar, stufte die Tat als unbeendeten Tötungsversuch ein und schloss sich der Bewertung der Staatsanwaltschaft an. Verteidiger Gerd Pokrop kam hingegen zum Ergebnis, dass das Ehepaar aufeinandergetroffen sei, „ohne dass es einen Tatplan gab“. Es kam zum Streit, das Gespräch sei eskaliert. Er stufte die Tat als gefährliche Körperverletzung ein. Die Strafe von sechs Monaten sei zur Bewährung auszusetzen, so seine Forderung. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, habe eine günstige Sozialprognose.
Die Kammer sprach den Angeklagten wegen gefährlicher Körperversetzung schuldig, verhängte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. „Wir werden nicht aufklären können, wie es dazu kam, dass der Angeklagte und seine Frau in Friedrichshafen aufeinandergetroffen sind“, sagte Richter Veiko Böhm. An einen Zufall könne man eigentlich nicht glauben, Beweise dafür, dass der 47-Jährige die Attacke von langer Hand geplant habe, habe man aber nicht. Seine Frau sei eine „Bilderbuchzeugin“ gewesen, sagte er an den Angeklagten gewandt. Ihre Aussagen seien von gedanklichen Reflexionen und vielen Details geprägt gewesen – und das ohne Belastungseifer. Ganz im Gegenteil zu seinem Auftritt vor Gericht. „Der glich einer Agenda, um seine Ehefrau schlecht zu machen“, betonte der Vorsitzende und fügte hinzu: „Im Grunde war es nach der Aussage Ihrer Frau schon gelaufen.“
Mit Schattendasein nicht klargekommen
Der erfolgreiche und bewunderte Arzt habe in Deutschland plötzlich ein Schattendasein geführt. „Damit sind Sie nicht klargekommen.“ Das Gericht sei überzeugt, dass der Angeklagte seine Ehefrau massiv gewürgt habe, eine konkrete Lebensgefahr bestand. Die Kammer ging aber von einem strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt aus, da „der Angeklagte erkannte, dass die Geschädigte nicht sterben werde und freiwillig weitere Angriffe unterließ“.
Zum Strafmaß sagte der Richter: „So etwas kann nie nur eine Bewährungsstrafe geben. Da können Sie hundertmal nicht vorbestraft sein.“ Seine Kinder werde er auf lange Zeit nicht mehr sehen. Veiko Böhm hält es für ausgeschlossen, dass der 47-Jährige jemals als Arzt in Deutschland arbeiten wird und ließ ihn wissen: „Bei all dem Ärztemangel, den wir momentan haben, jemanden wie Sie wollen wir nicht haben!“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.