Ein 47-jähriger Mann muss sich seit Freitag wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Ravensburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, seine Frau im November 2024 in Friedrichshafen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben, um sie aus niedrigen Beweggründen zu töten.
Frau flieht ins Frauenhaus
Wie der Staatsanwalt ausführte, soll es schon im Heimatland des Paares körperliche Übergriffe des Mannes auf seine 45-jährige Frau und seine Kinder gegeben haben, die sich in Deutschland verstärkt hätten. Er spricht von Vergewaltigungen und häuslicher Gewalt. Die Ehefrau sei 2024 mit den Kindern in ein Frauenhaus an den Bodensee geflohen. Im November sollte ein Umgangstreffen des Vaters mit den Kindern stattfinden. Am Tattag habe die 45-Jährige ihre Kinder in Friedrichshafen zur Schule gebracht und anschließend vor einer Arztpraxis gewartet. Dort soll ihr Ehemann plötzlich hinter ihr aufgetaucht sein.
Nachdem sie ein Gespräch mit ihm abgelehnt und mit einem Anruf bei der Polizei gedroht hatte, habe er sie in einen Hinterhof gezerrt und in einer offenstehenden Garage gewürgt. „Dabei hat er mehrfach angekündigt, sie umzubringen“, so der Staatsanwalt. Als sie um Hilfe rief, würgte der 47-Jährige sie mit beiden Händen bis zur Bewusstlosigkeit, um sie zu töten, so der Vorwurf. Eine Zeugin habe ihn über die bewusstlose Frau gebeugt entdeckt. Der Angeklagte sei geflohen, konnte kurz darauf aber vorläufig festgenommen werden.
In einer knapp zweistündigen Befragung des Angeklagten machte dieser Angaben zu sich und seinem Familienleben. Zur Tat äußerte er sich nicht. Er stamme aus einem wohlhabenden Elternhaus, habe in seiner Heimat als Arzt ein Krankenhaus geleitet. Seine Frau habe er 2008 bei der Arbeit kennengelernt, auch sie sei Ärztin, etwa vier Monate später hätten sie geheiratet. Acht Jahre später kam ihr Sohn zur Welt, es folgten Zwillinge.
Familie zieht 2022 nach Deutschland
In Deutschland wollte er als Arzt arbeiten, die Chancen für seine Frau und die Kinder verbessern, sagte der Angeklagte aus. Da seine Ehefrau die Voraussetzungen für ein Visum vor ihm erfüllt habe, sei sie 2022 zunächst ohne ihn – aber gemeinsam mit den Kindern – nach Deutschland gegangen. Rund sechs Monate später habe die Familie dann gemeinsam in Deutschland gelebt.
Seine Frau habe Arbeit gefunden, er selbst musste noch die sprachlichen Qualifikationen erbringen, sagte er aus. Daher hätten sie vom Vermögen aus ihrem Heimatland und dem Gehalt der Frau gelebt. Er kümmerte sich um die Kinder. Auf ihre Ehe angesprochen, sagte der Angeklagte aus, diese sei anfangs sehr innig und liebevoll gewesen. Doch dann habe sich ihr Verhalten geändert. So sei sie zunehmend aggressiv und angriffslustig gewesen. Ihre Gefühlsschwankungen hätten ihn irritiert. Nach dem Umzug nach Deutschland habe sich das noch verstärkt. „Sie ist ein Narzisst“, gibt er an.
47-Jähriger muss gemeinsame Wohnung verlassen
In Nordrhein-Westfalen, wo die Familie lebte, habe sie ihn wegen Vergewaltigung angezeigt. Im Mai 2024 sei er der Wohnung verwiesen worden. Seine Frau habe ihm den Kontakt zu den Kindern verwehrt, das beschreibt er als Qual. Auch seine Ehefrau spricht von einer Liebesheirat, doch nach vier bis fünf Jahren hätten die Schwierigkeiten begonnen. Sie spricht von häuslicher Gewalt, „aber nicht so schlimm und so oft wie später in Deutschland“, gab die 45-Jährige vor Gericht an. Streitigkeiten hätten sich in der Regel um die Beziehung gedreht.
Er sei eifersüchtig gewesen, habe ihr Beziehungen mit anderen Männern vorgeworfen, sie kontrolliert. Schon vor der Tat habe er sie zwei Mal gewürgt, auch Todesdrohungen ausgesprochen. Vor allem in den letzten Tagen in der gemeinsamen Wohnung habe sie wirklich Angst vor ihm gehabt. Auch davor, dass er ihr die Kinder wegnimmt und ins Ausland bringt. „Ich habe immer gesagt, wir sind eine Familie. Aber jetzt musste ich meine Kinder und mich beschützen.“
Zur Tat gibt sie an, sie habe sich vor der Arztpraxis umgedreht und ihn entdeckt. Er habe sie mit zahlreichen Vorwürfen konfrontiert. „Als ich um Hilfe gerufen habe, ist er wütend geworden und hat mich gewürgt – zunächst aber wieder losgelassen“, erläuterte die 45-Jährige. Nachdem sie erneut um Hilfe gerufen habe, habe er sie mit beiden Händen gewürgt und ihr mit dem Tod gedroht. „Dann wurde alles schwarz. Als ich wieder zu mir gekommen bin, lag ich am Boden und habe die Stimme einer Frau gehört.“ Bis heute könne sie nicht glauben, was passiert sei.
„Er hat keinen Ton gesagt und ist verschwunden“
Die Stimme, die sie wahrgenommen hatte, war die einer 73-Jährigen, die gerade in der Straße geparkt hatte, als sie ein „Riesengeschrei hörte“. Vor Gericht sagte die Zeugin aus: „Es klang, als ob jemand jemanden umbringt.“ Sie sei den Geräuschen gefolgt und habe einen Mann am Boden kniend vorgefunden. „Ich habe gerufen, dass er weggehen soll.“ Das Handy habe sie bereits in der Hand gehabt, um die Polizei zu alarmieren. „Er ist aufgestanden, hat keinen Ton gesagt, mich mit Riesenaugen angesehen und ist verschwunden“, betonte sie.
Die Frau sei apathisch gewesen. Als sie an die Straße gehen wollte, um den Einsatzkräften den Weg zu weisen, habe die Frau geflüstert: „Er wollte mich umbringen. Lass mich bitte nicht allein.“ Also habe sie die Frau in ihr Auto gesetzt. Sie habe überall am Hals Striemen gehabt. Ein Polizist sagte vor Gericht aus: „Sie war sichtlich in Sorge, dass ihr Ehemann die Schule der Kinder findet und sie mitnehmen könnte.“ Daher habe man umgehend die Schule und das Frauenhaus informiert. Eine Polizistin machte zudem deutlich: „Sie hatte Würgemale am Hals, wie ich sie bisher nicht gesehen habe.“
Am Montag wird der Prozess um 9 Uhr fortgesetzt. Neben weiteren Zeugenaussagen werden die Sachverständigen gehört. Auch die Plädoyers werden erwartet.