Vor der Zweiten Strafkammer des Ravensburger Landgerichts hat ein mehrtägiger Prozess gegen zwei polizeibekannte Männer, 54 und 31 Jahre alt, begonnen. Tatvorwurf: Um Geldschulden einzutreiben, sollen die Angeklagten Ende Juni 2021 nachts einen Bekannten in seiner Wohnung in Friedrichshafen überfallen und geschlagen sowie einen Laptop und eine Festplatte mitgenommen haben. Im Fall einer Verurteilung wegen Raubes und Körperverletzung drohen mehrjährige Freiheitsstrafen. Zur bizarren Geschichte gehören aber auch eine französische Bulldogge, Drogen und sogenannte Quarzsandhandschuhe.
Kaum haben Justizbeamte den beiden Angeklagten im kleinen Saal 3 des Landgerichts die Handschließen abgenommen, kündigen die Verteidiger Tomislav Duzel (Konstanz) und Franz Dichgans (Überlingen) Gegenerklärungen zur Anklage an. Der ältere Angeklagte, bulliger Typ mit Millimeterhaarschnitt, „will reinen Tisch machen und Abkehr von der Kriminalität“, ist zu hören. Der verschwundene Laptop solle Daten über Drogengeschäfte enthalten haben. Keine Angaben sonst momentan. Der Jüngere hingegen, so Anwalt Dichgans, sei „dummerweise am falschen Ort“ gewesen. Videoaufnahmen könnten seine Unschuld beweisen. Also wie und was nun?
Von Darmproblemen eines Hundes und Schulden
Es ist eine reichlich bizarre Geschichte, die Richter Franz Bernhard mit seiner Richterkollegin und zwei Schöffen ausführlich und eloquent von dem jüngeren Angeklagten zu hören bekommen. In der Tatnacht sei er mit seiner französischen Bulldogge unterwegs zum späteren Opfer gewesen, um mit ihm über die Darmprobleme des „armen Hundes“ zu sprechen. Auf dem Weg habe er „an nichts gedacht“, aber „zufällig“ den anderen Angeklagten getroffen, einen Bekannten, der „rumbrabbelte und von Schulden aus einem Tätowierauftrag schimpfte“.
Irgendwann standen die beiden Männer dann vor einem Haus in Friedrichshafen mit vielen Zimmern und keinen Klingeln. Der Mann mit dem Hund folgte brav – weil man sich so verhält, wenn ein Bekannter aus der älteren Generation das wünscht, so die wundersame Erklärung. Ansonsten sei nichts besprochen gewesen. Nachsatz: „Wir haben oft Ärger und der Ton ist rau.“
„Dem ging es nicht um Schulden, dem ging es um die Frau“
Der „Bruddler“ habe ihn dann noch aufgefordert, sich mit Maske und Kapuze unkenntlich zu machen, wegen der Videoüberwachung im Haus. Dann sei sein Begleiter zum angeblichen Schuldner rein, eine Tür ging zu Bruch, der Mann mit der französischen Bulldogge mit Darmproblemen hörte noch „Aua“- Schreie und beim Rückzug habe ihm der Bekannte einen Laptop in die Hand gedrückt. Der soll später in einem Fluss gelandet sein. Das Opfer war vier Tage krank.
Während der halbjährigen Untersuchungshaft muss dem jüngeren Angeklagten mit massiver Drogenerfahrung eine Erleuchtung gekommen sein, die er jetzt im Saal 3 noch loswerden will: „Dem ging es nicht um Schulden und die 50 oder 60 Euro. Dem ging es um die Frau.“ Ein Name wie ein Schlagertitel ist zu hören. Ihm dagegen sei es nur um seine französische Bulldogge gegangen, die für 300 Euro ein echtes, aber leider krankes Schnäppchen gewesen sei.
Angeklagter soll Quarzsandhandschuhe getragen haben
Nachzutragen wäre noch, dass der ältere Angeklagte mit der Militärfrisur jahrelang als Türsteher und Personenschützer sogar auf einer beliebten Urlaubsinsel arbeitete. Von Streitigkeiten und Schusswunden erzählt er, auch von drei zerbrochenen Ehen, hohen Schulden und dass ihm die harte Arbeit, Drogen und Wodka so zugesetzt hätten, dass er seit einigen Jahren im Krankenstand ist.
Und was hat es mit den sogenannten Quarzsandhandschuhen auf sich? Der frühere Türsteher soll solche Handschuhe beim Angriff auf das Opfer getragen haben. Im fast allwissenden Internet ist zu lesen, dass die Sandfüllung vor Schnittverletzungen schützt und Faustschläge „deutlich verstärkt“. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sie deshalb als gefährliches Werkzeug angestuft. Ein Angriff damit kann sich strafverschärfend auswirken. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.