Plötzlich hält Christoph Becker, von der Deutschen Einheit für Fernstraßenplanung und Bau GmbH (Deges), die für die B 31-neu zuständig ist, einen Moment inne. Er bleibt im Waggershauser Tunnel stehen und kneift die Augen zusammen. Als könne er es noch gar nicht so recht fassen, dass dieser Tunnel, der von Anfang an nur Probleme bereitete, im Rohbau endlich fertig ist.

„Am Anfang hat uns der Baugrund sehr weh getan“, sagt er. Die 60 Grad steile Böschung war nicht so stabil wie gedacht. Mit der Folge: Die Baugrubenwände drohten einzustürzen. Um das zu verhindern, „haben wir sie mit Spritzbeton aufwendig gesichert“, sagt Becker. Der Beton sei dabei auf der ganzen Länge – also auf ungefähr 900 Metern – und in einer Tiefe von bis zu zehn Metern „in den Boden genagelt worden“. Und das kostete vor allem eins: „Zeit“, wie Becker sagt. Genau genommen ein Jahr: Die Arbeiten am 700 Meter langen, zweiröhrigen Tunnel, die 2017 starten sollten, fingen erst 2018 so richtig an.
Trotz mehrfacher Verzögerungen ist der Tunnel nahezu fertig. Die offizielle Abnahme folgt
Und dann auch noch Corona. Becker hält die Hände vor das Gesicht, als wolle er sich den Schweiß von der Stirn wischen und sagen: „Puh, nochmal Glück gehabt.“
Denn auch coronabedingt gab es im April Verzögerungen, als die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen – aus Österreich, der Schweiz und vom Balkan – nicht mehr einreisen und zuliefernde Firmen einzelne Materiallieferungen nicht mehr schicken konnten.

Trotz allem sei der Tunnel jetzt „quasi fertig“, nur die technische Ausstattung fehle noch. Und trotz allem würden einzelne Bauprojekte wie die Radwegbrücke zwischen Kluftern und Fischbach jetzt sogar früher fertig – noch im September. Ein Teilstück der B 31-neu ist im August schon für den Verkehr freigegeben worden.
Tief drinnen im Tunnel ist es kühl, dunkel. Und leise. Noch vor einem dreiviertel Jahr herrschte Lärm, als bis zu 80 Arbeiter im Inneren des Tunnels werkelten, um die 80 Zentimeter dicken Wände und die Decke zu installierten. Maschinen ratterten und röhrten. Und Becker sah in regelmäßigen Abständen nach dem Rechten. Jetzt ist es leise, weil der Tunnel im Rohbau schon steht und es an diesem Tag viel zu sehr regnet, als dass die Bauunternehmen die letzten Arbeiten noch machen könnten.
„Nächste Woche ist auch schon die offizielle Abnahme“, sagt Becker. Ein Bauwerksprüfer des Landes komme vorbei und überprüfe den Rohbau noch einmal. Gibt er grünes Licht, geht es an die technische Ausstattung des Tunnels.

So werden dann etwa Kameras eingebaut, die sich in der Tunnelleitzentrale bei einem Brand automatisch anschalten. Das Ganze funktioniert so, erklärt Becker: Kohlendioxidmessgeräte im Tunnel und Brandmeldekabel an der Decke registrieren den Rauch, der bei einem Brand entstehe und leiten ein Signal an jene Kamera weiter, die der Rauchstelle am nächsten ist. Sie fängt das Bild ein. Und wer in der Tunnelleitzentrale – die dann sowohl für Waggershauser- wie den anschließenden Riedleparktunnel zuständig wird – sitze, erkenne am Bild, „wie groß der Brand ist, ob noch eine zweite Feuerwehr dazu gerufen werden müsste“, sagt Becker. Auch bei anderen Notfällen könne man über das Kamerabild schneller Entscheidungen treffen.

Damit die Feuerwehr im Brandfall das Wasser nicht kompliziert in den Tunnel führen müsste, ist ein Hydrant in der Mitte beider Tunnelröhren verbaut. Auch eine Notrufnische gibt es auf beiden Seiten des Tunnels und eine Verbindungstür, durch die man im Notfall die Röhre wechseln könnte.
Brände müssen simuliert werden, um die Technik zu testen
Im Frühjahr 2021 soll der Tunnel komplett fertig sein. Was bis dahin noch zu tun ist? „Kleinigkeiten“, sagt Becker. Oberhalb des Tunnels müssten noch Lärmschutzwände eingezogen und zum Riedleparktunnel als Verbindungsstück noch eine Straße gebaut werden.

Der spannendste – und zeitaufreibendste – Teil sei aber die Technik im Inneren des Tunnels zu testen. Funktionieren die Kameras? Die Lüftungsanlagen? Die Funksysteme? Gehen im Falle eines Notrufs die Durchsagen an die Verkehrsleitzentralen und ans Radionetz? Werden Polizei, Rettungsdienst und Ordnungsamt automatisch informiert? „Um das zu testen, starten wir nächstes Jahr verschiedene Brandversuche“, sagt Becker. Überwachte Brandversuche mit einer normierten Menge an Qualm und Rauch.
Gerade die Testung und Feineinstellung der Lüftungsanlage sei relativ aufwändig. Sollte es zu einem Brand kommen, müsste sie „die Rauchgase möglichst gleichmäßig aus dem Tunnel herausdrücken“, sagt Becker und deutet an die Decke des Tunnels, drei Lüfter mit einem Durchmesser von 1,20 Metern werden dort gerade eingebaut. „Nur liegt es nicht in der Natur des Rauchs, sich aufhalten zu lassen.“ Es wird also Wochen – und mehrere Simulationsversuche – dauern, bis die Umdrehungszahl der Ventilatoren so eingestellt sei, dass die Lüftungsanlage einwandfrei funktioniert.
„So etwas kann man nicht am Computer simulieren“, sagt Becker. „Das muss man vor Ort machen, mit den Gegebenheiten des Tunnels.“