Bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt ist für Passanten auf dem Romanshorner Platz kein Durchkommen mehr. 160 Teilnehmer der OB-Radtour haben sich dort versammelt und ziehen ihre neongelben Warnwesten an. Andreas Brand verteilt Armbändchen an die Bürger, die ihn auf seiner letzten Radtour als Oberbürgermeister von Friedrichshafen begleiten wollen.
Seit 2010, immer am letzten Ferienwochenende, ist diese Radtour ein fester Termin in seinem Kalender. Und jedes Mal freue er sich darauf, sagt er. Es sei ein besonderes Gefühl, den Bürgern Einblick in Projekte und Vorhaben zu bieten, die sonst nicht möglich sind. Zwei Feuerwehrautos mit Getränken an Bord, um den schlimmsten Durst zu löschen, begleiten die Radler um 13.15 Uhr hinaus auf die Eckenerstraße. Das erste Ziel ist die Kitzenwiese.
Erstes Ziel: Kitzenwiese
Viel ist noch nicht zu sehen von der neuen Kita Habakuk. Vor den Bürgern liegt eine betonierte Bodenplatte für einen Kindergarten mit 2400 Quadratmeter Fläche. 14 Millionen Euro soll er kosten. „Als Stadt wollen wir bis 2040 die Klimaschutzziele erreichen“, sagt Brand. Deshalb wir eine Menge Geld in die Hand genommen, um das Gebäude mit Photovoltaik und Wärmepumpe so klimaneutral wie möglich zu bauen. Nach Fertigstellung, geplant ist Ende 2025, soll es Platz für 155 Kindern bieten.
Weiter geht es durch den Seewald bis Lochbrücke. Hier muss die gelbe Karawane die B30 überqueren. Neben den beiden Feuerwehrautos zum Sperren der Straße kommen auch die Polizeibeamten Ralf Fischer und Jürgen Traub zum Einsatz. Traub ist seit der ersten Tour dabei und schätzt daran die Gelegenheit, mit den Bürgern zwanglos ins Gespräch zu kommen. Früher, erzählt er, hätten sie die Radtour mit dem Motorrad begleitet. Jetzt herrsche „Waffengleichheit“. Das heißt, auch die Polizei ist auf E-Bikes unterwegs. Und das bedeutet ordentlichen Fußeinsatz für die Männer. Kreuzung sichern, warten bis der letzte Radler passiert, dann mit Vollgas unter Einsatz der Klingel – ein Martinshorn haben die Räder noch nicht – an allen vorbei, um an der nächsten Kreuzung für Sicherheit zu sorgen. „Wir sind nicht nur sportlich, wir sehen es auch sportlich“, sagt der Polizeioberkommissar.
Unbekannte Wege
Auf einem Weg entlang der Bahn, dann über Sammletshofen nach Brochenzell, vorbei an Maisfeldern und Apfelplantagen, kommen viele ins Staunen. Diese Wege kennen sie noch nicht. In Meckenbeuren auf der Baustelle „Alte Schmiede“ werden 160 Räder geordnet abgestellt. Im Rohbau hat Joachim Föhr mit seinen Mitarbeitern ein Kuchenbüffet und Stehtischchen mit Getränken aufgebaut. Die Kühle des Gebäudes und das kulinarische Angebot werden dankbar angenommen und die Schlange an der Kaffeemaschine ist viele Meter lang.
Föhr mit seiner Hotelbetreibergesellschaft ist Pächter eines der beiden Gebäude, das in 52 Appartements Wohnen auf Zeit anbieten wird. Damit soll Fachkräften auf der Suche nach einer Wohnung genauso ein Dach über dem Kopf geboten werden, wie einer Familie, die das Ravensburger Spieleland besuchen will. Mit Tagungsräumen, einem Beautysalon und einer Bäckerei mit Café wird für die Bedürfnisse der Gäste gesorgt. Im anderen Gebäude entstehen 25 Wohnungen, eine Tiefgarage bietet ausreichend Platz für die Fahrzeuge.
Bauherr ist die Zeppelin Vermögensverwaltungsgesellschaft, eine Tochter der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Geschäftsführer Jörg Bischof informiert die Bürger über den Bau: Die Gebäude werden mit Erdwärme geheizt und gekühlt, die Wärmepumpen über PV-Anlagen auf den Dächern mit Strom versorgt und entsprechen damit KfW 40 Plus, dem derzeit höchsten Energie-Effizienz-Standard für Gebäude. Bereits für das kommende Jahr ist die Fertigstellung geplant.
Letzte Station: Zeppelin-Hangar
Abfahrt. Die Tour hinkt jetzt eine halbe Stunde dem Zeitplan hinterher. Zunächst über denselben Weg, dann Richtung Hirschlatt, Messegelände und durch Tor zwei des Zeppelin-Hangars wird das letzte Besichtigungsziel erreicht. Draußen macht gerade ein Luftschiff unter Getöse am Mastfahrzeug fest. An Informationen zum neuen Zeppelin NT, dessen Hülle noch schlaff am Boden liegt, ist erst einmal nicht zu denken. Fünf Luftschiffe der neuen Technologie gebe es auf der Welt, sagt später Eckhard Breuer, Geschäftsführer der Zeppelin Luftschifftechnik und der Zeppelin Reederei. Davon fliegen drei in den USA, zwei sind in Friedrichshafen stationiert. Jetzt wird zum nächsten Frühjahr ein dritter fertiggestellt, der am Flughafen Essen/Mühlheim seine Heimat findet.
Noch hängt das 75 Meter lange Gerüst unter der Decke der 34 Meter hohen Zeppelingarage, die mit einer Länge von 110 Metern Platz für drei Luftschiffe bietet. In der Hülle, die wie ein Strumpf über das Skelett gezogen, mit Kabelbindern daran befestigt und schließlich zugeschweißt wird, werden später 7500 Kubikmeter Helium für den nötigen Auftrieb sorgen. Gefertigt wurde die Hülle in Philadelphia, bei einer Firma, die auch die Raumanzüge für die Nasa produziert. Noch ein Blick auf die 40 Quadratmeter großen Carbon-Leitwerke aus Biberach und dann ist um 17 Uhr Endspurt angesagt. Beim Feuerwehrhaus ist zum Abschluss ein Grillfest angesagt.