Die Stimmung in der Jettenhauser Mehrzweckhalle ist von Anfang an gereizt. Schon als die Moderatorinnen zu Beginn ein Stimmungsbild zum Stadtteil erheben wollen, brüllt jemand dazwischen: „Wir sind nicht hergekommen, um uns über Jettenhausen zu unterhalten, wir wollen uns informieren!“ und bekommt dafür Beifall. Als wiederholt die Mikrofone ausfallen, kommentiert ein anderer lautstark: „6000 Euro ausgeben und dann funktioniert die Technik nicht – größter Mist ever!“ Mitten in die von der Verwaltung präsentierten Informationen zu Zahlen, Daten, baurechtlichen Voraussetzungen und geplanter Betreuung ruft jemand: „Wir sollten mit den Faxen aufhören. Wir möchten jetzt Fragen stellen!“
Gemeinderat entscheidet Ende Oktober
Der Informationsteil geht unbeirrt über die Bühne: Bürgermeister Dieter Stauber erläutert, dass der Gemeinderat Ende Oktober über die Einrichtung einer Unterkunft für Geflüchtete in der Müllerstraße entscheiden werde. Vor der Inbetriebnahme werde ein runder Tisch für Anwohner und Ehrenamtliche eingerichtet.
Hans-Jörg Schraitle, Leiter des Amts für Bürgerservice, Sicherheit und Ordnung betont, dass die Unterbringung der vom Kreis zugewiesenen geflüchteten Menschen eine Pflichtaufgabe sei: „Die muss die Stadt Friedrichshafen erfüllen, ob sie will oder nicht.“ Das betreffe laut Königssteiner Schlüssel rund 30 Prozent der im Bodenseekreis ankommenden Menschen. Die meisten habe die Stadt bisher in Wohnungen einquartiert. Sinkendes Wohnraumangebot und steigende Flüchtlingszahlen machten aber größere Unterkünfte notwendig. „In diesem Jahr müssen wir noch etwa 123 Menschen aufnehmen.“
Zur Betreuungssituation vor Ort erklärt Sozialamtsleiterin Ines Weber, dass je eine halbe Stelle für Heimleitung und für Hauswirtschaft eingerichtet werde, alle Bewohner die Hausordnung unterschreiben müssten und eine soziale Beratung erfolge. „Diese Menschen sind schon eine Weile in Deutschland und wir versuchen, sie in Bildung und Jobs zu bringen.“

Dann beginnt die Fragerunde
Die anschließende Fragerunde wird immer wieder durch Einwürfe gestört wie „Wann stellt die Stadt auf Sachleistungen um?“, „Möglichst gute Bedingungen für Geflüchtete? Die sollen wieder hingehen, wo sie herkommen!“ und „Woher kommen die? Sind die vorbestraft?“ Im Verlauf der Debatte stellt sich heraus, dass die lautesten Zwischenrufe aus einer Gruppe um Mitglieder des AfD-Kreisvorstands kommen.
Gruppe um AfD-Kreisvorstand unter Zuhörern
Auch Mitglieder des AfD-Kreisvorstands melden sich zu Wort. „Die Stadt Ulm hat gestern mitgeteilt, dass sie keine Flüchtlinge mehr aufnimmt. Können Sie nicht mit den Kollegen dort zusammentun?“, verlangt Detlev Gallandt . „Die Stadt Ulm hat ihre Aufnahmequote bereits erfüllt, wir haben unsere Quote zum Teil noch nicht erfüllt“, stellt Bürgermeister Stauber richtig. Andreas Piekniewski fragt, wie die Vertreter der Verwaltung es mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, in der Migrationspolitik gegen Gesetze, Verfassung und Sitte zu verstoßen. „Wenn Ihnen so schlimme Dinge geschehen, erstatten Sie Anzeige, die Justiz wird das prüfen“, antwortet Stauber.
Auch in den Fragen der Anwohner überwiegt die Skepsis. Vor allem um zusätzlichen Lärm und geringere Sicherheit machen sie sich Sorgen. Hier antwortet Nicolas Riether, Leiter des Polizeireviers Friedrichshafen. Er berichtet, dass die Polizei sehr viele Anzeigen wegen Lärmbelästigung erhalte, Flüchtlingsunterkünfte seien hier aber keineswegs überrepräsentiert. Das gelte auch für den Sicherheitsaspekt: „Wir haben für die vergangenen neun Monate eine Auswertung in Bezug auf die Unterkünfte gemacht: Es gibt Vorkommnisse. In den meisten Fällen sind es Ordnungswidrigkeiten wie illegaler Aufenthalt, in seltenen Fällen Ruhestörung, Streitigkeiten und Körperverletzungen. In Friedrichshafen gab es aber in dieser Zeit keine einzige Messerstecherei.“
Auf die Nachfrage, ob gerade Frauen noch nachts gefahrlos allein unterwegs sein könnten, antwortete Stauber: „Sie können ja selbst bestimmen, wo Sie spazieren gehen und wo Sie sich sicher fühlen.“ Friedrichshafen sei eine relativ sichere Stadt. Der Gemeinderat habe zudem die Einrichtung eines kommunalen Ordnungsdienstes beschlossen, da die Sichtbarkeit von Sicherheitspersonal auch das Sicherheitsempfinden der Bürger erhöhe.
Wie sieht es mit Kinderbetreuung aus?
Ein Vater von drei Kindern ist wegen Engpässen in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen beunruhigt. „Die Kita meiner beiden jüngeren Kinder schließt jetzt schon einen Nachmittag, weil das Personal fehlt.“ In Friedrichshafen stünden derzeit 200 Kinder auf den Wartelisten für Kindergärten und Kitas, erwidert Stauber: „Wenn wir einen Platz vergeben, spielt immer eine Rolle, ob die Mutter arbeitet. Flüchtlingskinder werden also sicher nicht bevorzugt.“ In die Schule könne ohne Ausnahme jedes Häfler Kind gehen.
Sehr viele Teilnehmer wollten wissen, wer zukünftig in dem Gebäude in der Müllerstraße wohnen wird. „Sind das Familien oder alleinreisende Männer?“, fragt eine Anwohnerin, eine andere, ob Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtlinge kommen, eine dritte Wortmeldung erkundigt sich nach dem Stand im Asylverfahren. „Das wissen wir nicht. Die Personen werden uns vom Landratsamt gemeldet und erst dann erfahren wir Herkunftsland, Alter und ob es Alleinreisende oder Familien sind“, erklärt Stauber. Amtsleiter Schraitle ergänzt, dass das Gebäude in der Müllerstraße so eingerichtet werde, dass es Familien aufnehmen könne.
Verwaltung will alle Fragen beantworten
„Das ist ein schwieriges Thema und ich weiß, dass das bei Ihnen keine Glücksgefühle auslöst“, fasst Stauber am Ende des Abends zusammen. Er verspreche jedoch, dass die Verwaltung alle Fragen beantworten und sich weiter um die Situation vor Ort kümmern werde.