„Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht in großen Buchstaben in den Schaufenstern der Hallhuber-Filiale in der Friedrichstraße. Martin Huchler, der die Filiale in Friedrichshafen betrieben hat, sieht eine Mischung an Gründen, die zur Schließung geführt hat. „Letztlich war für uns ausschlaggebend, dass die Fläche so nicht mehr für uns lohnend betreibbar ist.“ Eine Rolle habe dabei sicherlich die Corona-Pandemie gespielt, aber davon erhole sich die Stadt merklich.

Im Vergleich zu Tettnang habe es hier länger gedauert, dass die Menschen zurück in die Innenstadt kamen. „Aber das ist auch klar: Friedrichshafen hat einen deutlich höheren Touristenanteil – aus der Schweiz und Österreich, aber auch Gäste aus Stuttgart und München.“ Die seien während der Corona-Zeit gänzlich ausgefallen, hätten auf (Tages-)Ausflüge verzichtet. „Was das angeht, sind wir wieder optimistisch und wir sehen auch sonst Potenzial in Friedrichshafen“, betont er. Die Huchler-Filialen in Friedrichshafen und Tettnang sind dabei sein Maßstab.

Die Frequenz an diesem Standort habe deutlich abgenommen, erklärt Geschäftsführer Martin Huchler.
Die Frequenz an diesem Standort habe deutlich abgenommen, erklärt Geschäftsführer Martin Huchler. | Bild: Lena Reiner

Für Hallhuber galt eine besondere Situation. Zwar habe er das Ladengeschäft seit 2009 betrieben – zunächst als Gerry-Weber-Filiale – aber seitdem habe sich Einiges an der Lage verändert; zunächst direkt gegenüber der Abriss der ehemaligen Trapp-Filiale. Auch der Wechsel direkt auf der anderen Straßenseite zeige Wirkung. Statt Bio am See ist hier nun ein Fahrradladen. Der Mittagstisch des Bioladens habe immer einige Menschen angezogen: „Wir hatten zu dieser Zeit eine deutlich höhere Frequenz vor unserem Laden messen können.“

Abrissarbeiten an der Friedrichstraße am Eingang der Fußgängerzone.
Abrissarbeiten an der Friedrichstraße am Eingang der Fußgängerzone. | Bild: Lena Reiner

Hinzu komme die Fußgänger- und Fahrradbrücke, durch die tatsächlich deutlich weniger Menschen den Übergang mit Ampel Richtung Nordstadt nutzten. „Auch dadurch kommen weniger Passanten bei uns vorbei“, schildert Huchler. Zu guter Letzt sei eine solche Fläche generell schwerer rentabel, da sie mit 240 Quadratmetern für ein gemischtes Markenangebot an Kleidung vergleichsweise klein sei. „Mitarbeiterkosten sinken in Relation natürlich, wenn die Fläche größer wird“, gibt er zu bedenken. Allerdings könne er insofern beruhigen, dass das Geschäft nach Ende der Hallhuber-Zeit nicht leer stehen werde: „Unser Vermieter hat bereits einen Nachmieter gefunden.“

Dennoch sieht er auch Verbesserungsbedarf bei der Attraktivität der Innenstadt. „Die Mieten werden von Vermieterseite aus doch sehr optimistisch berechnet. Da wird der Totentanz im Winter selten berücksichtigt“, erklärt er. Obendrein sei die Verkehrssituation ein Problem, hier müsse dringend etwas passieren, damit die Innenstadt besser und bequemer erreichbar werde.

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Wenige Straßen weiter kündigt noch ein Modegeschäft den Räumungsverkauf an: „Alles muss raus“ heißt es in der Orsay-Filiale in der Fußgängerzone. Blieben also auch hier die Kunden aus? Der aktuelle Räumungsverkauf bei Orsay spricht eigentlich für und nicht gegen Friedrichshafen als Standort, verrät der Medienbeauftragte Wolfgang Weber-Thedy. Er ist kein hausinterner Pressesprecher, sondern begleitet Unternehmen dann, wenn es hart auf hart kommt. Wie passt diese Aussage zur im Schaufenster angekündigten Ladenschließung? „Seit Ende Januar befindet sich die Orsay Deutschland in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, seit November gab es ein Schutzschirmverfahren, um das Unternehmen zu erhalten.“

Rabatte auch bei Orsay: Im Schaufenster wird die Schließung der Filiale angekündigt.
Rabatte auch bei Orsay: Im Schaufenster wird die Schließung der Filiale angekündigt. | Bild: Lena Reiner

Dabei seien sogenannte Sanierungspläne gemacht worden, die die Schließung von 79 Filialen vorsahen. 76 mussten letztlich geschlossen werden. Friedrichshafen war keine von ihnen, was bedeutet, dass die Filiale zu den lohnenswerten gezählt habe, erklärt Weber-Thedy: „Alle Filialen, die jetzt im Schlussverkauf stehen, sind für die Fortführung vorgesehen.“ Da noch keine Nachfolgelösung für den stationären Einzelhandel gefunden worden sei – also noch nicht klar ist, wer den sanierten Unternehmensteil fortführen werde – sei die Lage allerdings insgesamt unklar: „Es gibt zwar Interessenten, aber noch keinen festen Vertrag.“ Das Unternehmen habe daher entschieden, allen Vermietern, Mitarbeitern und Dienstleistern vorsorglich die Verträge aufzukündigen, sodass diese Gelegenheit hätten, sich neu zu orientieren. Drei Monate Übergangszeit hätten diese dadurch nun.

Was sagt Stadtmarketingleiter Thomas Goldschmidt zur Lage der Innenstadt?

Zu laufenden Gesprächen zu Veränderungen nach den beiden Ladenschließungen dürfe er nichts verraten, betont Thomas Goldschmidt vom Stadtmarketing. Insgesamt gelte aber: Angesichts der extremen Rahmenbedingungen und großen Herausforderungen habe sich der Häfler Einzelhandel in den vergangenen beiden Jahren erfreulich konstant gezeigt. „Insbesondere die inhabergeführten Geschäfte erweisen sich als Stabilitätsanker. Wo Lücken entstanden sind, wurden diese oft schnell wieder geschlossen, sodass die Leerstandsquote in der Innenstadt nicht gestiegen ist“, führt Goldschmidt aus.

Thomas Goldschmidt, Stadtmarketing-Geschäftsführer
Thomas Goldschmidt, Stadtmarketing-Geschäftsführer | Bild: Sabine Wienrich

Es dürfe aber auch nicht übersehen werden, dass die Reserven der Geschäfte nun mehr als aufgebraucht seien. Die nächsten Monate seien daher für viele Einzelhändler entscheidend. Die drei größten Sortimentsbereiche in der Innenstadt sind Bekleidung (rund 48 Prozent), Nahrungs- und Genussmittel (rund 13 Prozent), Schuhe und Lederwaren (rund elf Prozent). Viele Veränderungen in den vergangenen beiden Jahren hätten Neues in die Innenstadt gebracht, so Goldschmidt. Sicher gebe es aber trotzdem noch Lücken im Branchenmix.

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