Es ist Samstagabend, Deutschland hat soeben gegen Portugal gewonnen. Draußen wird rhythmisch gehupt, die Klangkulisse ist nicht ungewöhnlich für einen Abend während der Fußball-Europameisterschaft. Wer allerdings nicht nur lauscht, sondern auch hinsieht, stellt fest: Da sind auch viele Fahrzeuge mit lauter Musik und hupend unterwegs, an denen zumindest keine Deutschlandflagge auf Fußball-Euphorie als Beweggrund schließen lässt. Immer wieder röhren Motoren, knallen Auspuffe und quietschten Reifen. Es bildet sich kein Korso, wie man ihn kennt, Anwohnern ist das Bild dennoch vertraut: Aufgemotzte Autos kurven durch die Stadt.

Norbert Reichert, der im Bereich Hinteren Hafen lebt, wo die Autos ebenfalls lautstark vorbeifahren, erklärt: „Es war an diesem Wochenende ruhiger als vor der großen Polizeiaktion vor drei Wochen, aber das Grundproblem ist dennoch nicht verschwunden.“ Der Anwohner, der auch mit weiteren Haushalten im Gespräch ist, hatte vor zwei Wochen im Gespräch mit dem SÜDKURIER einen runden Tisch vorgeschlagen, an dem sich alle Beteiligten – also die Stadtverwaltung, die betroffenen Anwohner sowie jene Menschen, die sich mit ihren Autos treffen und herumfahren – zusammensetzen, um gemeinsam eine langfristige Lösung zu finden.

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„Wir sehen derzeit keine Veranlassung für einen runden Tisch, zumal es seitens der Stadt keine Alternativangebote geben wird“, erklärt Andrea Kreuzer, Pressesprecherin der Stadtverwaltung, auf Anfrage. „Die Tatsache, dass sich Menschen mit für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugen treffen, ist grundsätzlich erlaubt – solange und sofern die geltenden Regeln des Lärmschutzes und die sonstigen Vorschriften eingehalten werden. Es ist grundsätzlich nicht verboten, dass sich Autofahrer auf Parkplätzen treffen.“

„Es ist grundsätzlich nicht verboten, dass sich Autofahrer auf Parkplätzen treffen.“
Andrea Kreuzer, Pressesprecherin der Stadtverwaltung
„Wir sollten uns mit dem Hintergrundrauschen abfinden. Dabei hat damit von uns ja niemand ein Problem.“
Norbert Reichert, Anwohner

„Das ist in etwa das, was uns Anwohnern gegenüber auch schon von der Stadtverwaltung gesagt wurde“, kommentiert Norbert Reichert. „Wir sollten uns mit dem Hintergrundrauschen abfinden. Dabei hat damit von uns ja niemand ein Problem: Natürlich können sich Menschen treffen und natürlich fahren in dieser Gegend auch Autos.“ Das gehe allerdings auch völlig am eigentlichen Problem vorbei. Worum es sich dabei handle, lasse sich einfach zusammenfassen: „nächtliche Ruhestörung“.

Reichert möchte das Angebot zum Dialog nochmals betonen. „Es bringt doch nichts, wenn wir nicht miteinander reden. Wir möchten eine echte Lösung finden.“ Auch sei es ärgerlich, dass von der Stadt nach wie vor nur punktuelle Maßnahmen unternommen würden.

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Stadt: Stationäre Blitzer oft mit sehr überschaubarer Wirkung

Auch zu dieser Kritik hatten wir die Stadtverwaltung um Auskunft gebeten. Gäbe es die Möglichkeit, dauerhaft Blitzer entlang der einschlägig bekannten Routen aufzustellen und zusätzlich fest installierte Lärmpegelmessgeräte? „Wir erhalten, insbesondere in der Sommerzeit, regelmäßig Lärmbeschwerden aus dem gesamten Stadtgebiet“, schildert Andrea Kreuzer. „Es kann deshalb keine Lösung sein, im gesamten Stadtgebiet stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen aufzustellen.“

Diese stationären Anlagen hätten oftmals eine sehr überschaubare Wirkung, zumal nach dem Passieren der Anlage oftmals wieder beschleunigt werde, erklärt die Pressesprecherin weiter. Im Übrigen gebe es für Lärmmessungen deutlich kompliziertere Anforderungen an eine beweiskräftige Messung und Dokumentation, die dann auch Grundlage für eine gerichtsfeste Ahndung wäre.

Diese Parkplatzausfahrt dient Autoposern mitunter als Start- und Ziel für ihre Runden.
Diese Parkplatzausfahrt dient Autoposern mitunter als Start- und Ziel für ihre Runden. | Bild: Lena Reiner

Polizei: Einzelne „Problemfälle“ bringen ganze Szene in Verruf

Wie schätzt die Polizei die Situation ein? Simon Göppert von der Stabstelle für Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Ravensburg antwortet: „Die ‚Poser‘-Thematik ist generell nicht neu.“ Das „Posen“ beziehungsweise das Flanieren und Auffallen mit dem Auto habe aufgrund mehrerer Faktoren – gelockerten Corona-Beschränkungen und besserem Wetter beispielsweise – in den vergangenen Wochen wieder zugenommen, unterscheide sich aber in Häufigkeit und Intensität nicht von vergangenem Jahr.“ Eine Ausnahme zu den vergangenen Jahren habe der 29. Mai gebildet.

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Auch von der Polizei möchten wir wissen, ob es eine Lösung für dieses länger bekannte Problem geben könnte. Auch Göppert betont zunächst, dass es nicht verboten sei, sich mit öffentlichen Fahrzeugen auf Parkplätzen zu treffen, solange die geltenden Regeln eingehalten würden: „Es sind nur einzelne ‚Problemfälle‘, die die ganze Szene in Verruf bringen und ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer oder Anwohner agieren.“

Der Polizeivollzugsdienst nehme regelmäßig im Regeldienst sowie auch bei Schwerpunktaktionen Fahrzeug- und Personenkontrollen vor und behalte die Szene so im Blick. Große Kontrollaktionen, wie kürzlich erfolgt, seien dabei sehr personalintensiv und daher aufgrund endlicher Ressourcen und anderweitiger Einsatzlagen nicht ständig leistbar: „Um die dabei festgestellten Verstöße konsequent ahnden zu können und ein genaueres Lagebild über einzelne ‚Problemfälle‘ zu bekommen, setzen die zuständigen Behörden auf einen stetigen Informationsaustausch und eine enge Zusammenarbeit.“