Es war das letzte Wochenende im Mai, als auf dem Parkplatz des Bodenseecenters ein großes Treffen von Auto- und Tuningfans stattfand. „Wir haben Friedrichshafen hops genommen“, war danach in den sozialen Medien als Kommentar zu Videos zu lesen, die zahlreiche Autos und Menschengruppen auf dem Parkplatzgelände zeigten, während im Hintergrund ein Streifenwagen der Polizei vorbeifuhr. Ein Nutzer markierte sogar den Account der Landespolizei Baden-Württemberg und bedankte sich bei dieser dafür, dass es keine willkürlichen Kontrollen gab.

Bild 1: Laute Autos und leise Töne? Wie Tuner und Anwohner zusammenfinden könnten
Bild: Screenshot/Lena Reiner

Die Polizei selbst zog in einer Pressemitteilung hingegen eine andere Bilanz: Hunderte Anhänger der Poser- und Tuning-Szene hätten sich im Stadtgebiet von Friedrichshafen getroffen und für einen Polizeieinsatz gesorgt. Insbesondere auf den Parkplätzen am Hinteren Hafen und auf dem Gelände des Bodenseecenters hätten sich die Autoliebhaber getroffen und in Großgruppen zusammengestanden. „Zu Spitzenzeiten waren etwa 350 Personen auf dem Parkplatz am Bodenseecenter anwesend, die am Samstagabend bis in den frühen Sonntagmorgen hinein für Ärger sorgten“, heißt es in der Mitteilung.

Der Parkplatz am Friedrichshafener Bodenseecenter wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag vorsorglich abgesperrt.
Der Parkplatz am Friedrichshafener Bodenseecenter wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag vorsorglich abgesperrt. | Bild: Lena Reiner

Durch den entstandenen Müll, die laute Musik und das fortwährende Aufheulen von Automotoren hätten sich viele Anwohner gestört gefühlt, sodass vermehrt Anrufe bei der Polizei eingegangen seien: „Zeitgleich lieferten sich mehrere Besitzer hochmotorisierter Pkw auf der Messestraße ein Autorennen, das erst durch das Einschreiten der Polizei unterbunden wurde. Durch starke Polizeipräsenz gelang es, das Treffen, das wohl über soziale Medien organisiert worden war, aufzulösen.“ Da über die Kanäle, die das Zusammentreffen als Erfolg verbuchten, ein weiteres Treffen an denselben Orten angekündigt wurde, zogen Polizei und Stadtverwaltung für das erste Juniwochenende Konsequenzen.

Parkplatz und Polizeipräsenz am ersten Juniwochenende

Der Parkplatz am Bodenseecenter wurde um 22 Uhr abgesperrt. Bereits am frühen Abend waren Streifenwagen im Stadtgebiet und an den besagten Treffpunkten unterwegs. „Die Polizei hat die einschlägigen Treffpunkte bereits ab dem frühen Abend im Blick gehabt und der Szene zuzuordnende Fahrzeuge Verkehrskontrollen unterzogen“, erklärt Pressesprecherin Daniela Baier.

Auch die Beobachtungen des SÜDKURIER zeigten: Es kam zu keinem weiteren Großtreffen in Friedrichshafen. Nur auf einem Parkplatz in Manzell war ein kleine Gruppe Fahrzeuge zu sehen. Die meisten Fahrzeuge schienen das Stadtgebiet zügig zu verlassen, nachdem sie die Absperrung am Parkplatz des Bodenseecenters bemerkt hatten.

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„Die Sperrung der Zufahrt zum Bodenseecenter wurde durch die zuständige Verkehrsbehörde – die Stadt Friedrichshafen – verkehrsrechtlich angeordnet“, erklärt Baier. Die Maßnahme habe sich aus polizeilicher Sicht für die Örtlichkeit bewährt. Trotz der hohen Polizeipräsenz und der Kontrolle von weit über hundert Fahrzeugen kam es zu etlichen Verstößen gegen die Geschwindigkeitsgrenzen.

„Der traurige Spitzenreiter wurde von den Beamten mit knapp 30 km/h zu schnell gemessen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei. Ein Expertenteam der Verkehrspolizei habe vier der getunten Wagen wegen zu lauter Auspuffanlagen und unerlaubter Veränderungen sichergestellt. Ein Fahrzeug legten die Polizisten still, weil kein Versicherungsschutz bestand.

Vereinzelt wird dennoch gerast Video: Lena Reiner

Die Polizei habe die sozialen Netzwerke überwacht, schildert Baier auf Anfrage: „Hierbei wurden Aufrufe mehrerer Nutzer zu einem größeren Treffen am Samstag in Friedrichshafen festgestellt.“ Zu den genutzten Medien und Methoden werde aus taktischen Gründen keine Auskunft erteilt, antwortet Baier auf die Frage, ob entsprechende Tiktok-Accounts verfolgt würden.

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Zu gegebenenfalls in Videos gezeigten Gesetzesverstößen erläutert sie: „Die Polizei unterliegt dem sogenannten Legalitätsprinzip und muss Straftaten von Amts wegen verfolgen. Wenn der Polizei Straftaten bekannt werden, so werden Ermittlungen eingeleitet. Bei Ordnungswidrigkeiten hat die Polizei Erforschungen nach pflichtgemäßem Ermessen einzuleiten und alle unaufschiebbaren Maßnahmen zu treffen. Auch hierzu ist die Polizei verpflichtet.“ Bei im Internet eingestellten Videos sei die Beweisführung allerdings oft schwierig, da die Örtlichkeiten und Tatzeiten oft nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen seien.

Doch wieso ist kein generelles Unterbinden der Belästigung durch Autolärm und Raserei möglich, wie es an diesem Wochenende erfolgreich gelungen ist? Baier erklärt: „Da die Szene äußerst mobil ist, können sich Treffpunkte innerhalb weniger Minuten verlagern.

Dies stellt auch für die Polizei einen enormen Aufwand dar, dem sie nur mit einem großen Kräfteaufgebot entgegentreten kann, so wie es am Samstag der Fall war.“ Zudem sei ein Treffen von Menschen an sich – sofern es den gesetzlichen Bestimmungen (Corona, Lärm und so weiter) unterliege – per se nicht untersagt. Hier müsse immer der Einzelfall beurteilt und gegebenenfalls Platzverweise erteilt werden.

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Norbert Reichert gehört zu den Anwohnern im Bereich des Hinteren Hafens, die schon lange von besagtem Lärm betroffen sind. Er sagt: „Wir sind erst am Sonntag aus dem Urlaub zurückgekommen, da fiel uns auf, dass es ungewöhnlich ruhig ist.“ Seitdem er im April 2020 nach einem fünfjährigen Auslandsaufenthalt zurück nach Friedrichshafen gezogen sei, bestehe das Lärmproblem: „Es geht hier auch nicht um ein gewisses Hintergrundrauschen, mit dem man an diesem Standort rechnet. Es geht darum, dass wir nachts nicht schlafen können und die Aktivitäten, nenne ich es mal, sowie die Anzahl der Fahrzeuge und Menschen hat sich kontinuierlich gesteigert.“

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Am Hinteren Hafen träfen sich Autofans, die dort mit lauten Motoren ihre Fahrzeuge zur Schau stellten und immer wieder auch mit überhöhter Geschwindigkeit von dort aus losfahren würden. „Ich bin mit mindestens sechs weiteren Haushalten im Gespräch, die schon auf unterschiedliche Art selbst aktiv geworden sind: Sie haben sich an die Stadtverwaltung gewendet, Leserbriefe geschrieben, die Polizei gerufen“, schildert er.

Selbst ein Gespräch mit dem zuständigen Bürgermeister habe bereits stattgefunden. Das Ergebnis bezeichnet er als „einfach nur frustrierend“. Er habe den Eindruck, dass vonseiten der Stadtverwaltung Kreativität und Dialogbereitschaft für eine Lösungsfindung fehlten; es werde mal Lärm gemessen, mal Geschwindigkeiten, aber es bleibe bei punktuellen Maßnahmen.

Anwohner wünschen sich einen runden Tisch

„Nur weil es jetzt am Wochenende hier durch den großen Polizeieinsatz ruhig war, ist das ja keine Dauerlösung“, betont Norbert Reichert. „Die Fahrzeuge bleiben deshalb ja nicht in der Garage, sondern werden dann eben anderswo vorgeführt und hergezeigt.“ Er sei davon überzeugt, dass es der Mehrheit der Autofans nicht darum gehe, Anwohner zu belästigen: „Die möchten eben ihre Autos vorführen.“

Genau daher würde er sich einen runden Tisch wünschen, an dem Vertreter der Stadtverwaltung und die übrigen Beteiligten zusammenkämen: „Dann könnte man eine Lösung suchen, die für alle taugt.“ Ein Ort für jene, die ihre Autos vorführen wollten, der außer Hörweite von Wohngebieten liege, fände er vorstellbar: „Vielleicht kann man sich auch etwas bei Gemeinden abgucken, die schon eine solche Lösung gefunden haben.“

Mateusz Ostroznys legales Tuningtreffen endete im Jahr 2020 mit einer Anzeige wegen des Verstoßes gegen Corona-Auflagen. Davon lässt er ...
Mateusz Ostroznys legales Tuningtreffen endete im Jahr 2020 mit einer Anzeige wegen des Verstoßes gegen Corona-Auflagen. Davon lässt er sich nicht abhalten, weiter nach legalen Orten für Tuningtreffen zu fordern und Dialogbereitschaft zu signalisieren. | Bild: Lena Reiner

Ähnlich äußert sich Mateusz Ostrozny, der bereits in Überlingen und Singen versucht hat, legale Tuningtreffs auf die Beine zu stellen. Er zeigt sich erfreut über die Anwohnerinitiative in Friedrichshafen und betont: „Ich würde jederzeit dazukommen, wenn ein solches Gespräch stattfindet.“ Er selbst sei gerade dabei, ein Treffen mit den Oberbürgermeistern von Konstanz, Singen, Überlingen und Friedrichshafen mit der Tuningszene zu organisieren.