Im Januar war das erste Mal: Rund 50 Personen versammelten sich, zündeten Kerzen an, gedachten der verstorbenen Oberärztin. Es folgten Treffen im Februar und im März mit ähnlich vielen Teilnehmern. Es ging darum, ein Zeichen für die Aufklärung der mutmaßlichen Missstände zu setzen. Eine Häflerin lobte: „Ich hoffe wirklich, dass sie mit solchen Aktionen weitermachen.“

Doch das Ritual gibt es nicht mehr. Der Grund: Die Mitarbeitenden trauen sich offenbar nicht mehr, zu einer Mahnwache aufzurufen – und das hat eine Vorgeschichte.

Stilles Gedenken am Klinikum in Friedrichshafen am Neujahrsabend.
Stilles Gedenken am Klinikum in Friedrichshafen am Neujahrsabend. | Bild: Lena Reiner

Keine Aufrufe zur Mahnwache nach Vorfall

Zu den Mahnwachen hatten Mitarbeiter seit Jahresbeginn regelmäßig in einer Mitarbeiter-App des Klinikums aufgerufen – immer mit einem gleichen Text und gleichem Bild der Oberärztin. Wie Mitarbeiterin Katja Scheider erzählt, habe das Klinikum nach der Mahnwache im März über den App-Betreiber der Klinik einen angeblichen Urheberrechtsverstoß wegen der Nutzung dieses Fotos erhalten. Das Bild dürfe so lange nicht intern verwendet werden, bis eine Einwilligung durch die Angehörigen vorliege, hieß es von der Geschäftsleitung. Die Mitarbeiterin, die den Aufruf für März gepostet hatte, wendete sich an Scheider in ihrer Funktion als Betriebsrätin. Nach Informationen unserer Redaktion sollen in diese Vorgänge auch Anwälte des Klinikums involviert gewesen sein.

Anschließend informierte die Personalabteilung die Mitarbeiterin über den angeblichen Verstoß. Folgen hatte der Vorfall für sie nicht. Die Mitarbeiterin fühlte sich danach aber eingeschüchtert und wolle zu keiner Mahnwache mehr aufrufen. Aus Sorge vor Anfeindungen will sie nicht namentlich genannt werden. Das gilt auch für andere Mitarbeiter, mit denen der SÜDKURIER zu dem Thema gesprochen hat. Sie sind der Redaktion aber persönlich bekannt. Nach dem Vorfall hat jedenfalls kein anderer Mitarbeitender einen Aufruf veröffentlicht.

Kurios ist dabei: Das besagte Foto soll ein Polaroidbild sein. Mitarbeitende hätten dieses zu Lebzeiten von der verstorbenen Oberärztin geknipst, heißt es. Sie hatten es im Dezember 2023 abfotografiert, um es für Mahnwachen zu nutzen. Daher stellt sich die Frage: Warum war das Urheberrecht bei einem Polaroidbild so wichtig, mit dem Mitarbeiter zu einer Mahnwache aufrufen wollen? Oder befolgte das Klinikum nur die üblichen Regularien?

Mitarbeiter weist auf „potenziell nicht autorisierte Nutzung“ hin

Die Geschäftsleitung des Klinikums bestätigt die Vorgänge auf SÜDKURIER-Anfrage. Viktoryia Putyrskaya, Referentin der Geschäftsführung, verweist dabei auf gängige Regeln und Pflichten zum Urheberrecht. Die interne Messenger-App des Klinikums solle „selbstverständlich medien- sowie urheberrechtlichen Ansprüchen genügen“. In diesem Fall sei man im März „durch einen Mitarbeitenden auf eine potenziell nicht autorisierte Nutzung“ hingewiesen worden. „Durch diesen möglichen rechtlichen Verstoß, war das Klinikum gehalten zu prüfen, ob eine Einwilligung der Angehörigen der verstorbenen Oberärztin vorliegt.“

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Nachdem eine Angehörige versichert hatte, dass die Mitarbeiterin dazu autorisiert gewesen sei, habe man den Vorgang abgeschlossen. „Dem Klinikum war vorher nicht bekannt, dass diese Person zu einer Verwendung des Fotos autorisiert war“, sagt Putyrskaya im Namen der Geschäftsführung. Eine Antwort auf die Frage, ob Anwälte des Klinikums in diese Vorgänge involviert gewesen seien, gibt die Geschäftsleitung nicht.

„Seit Monaten eine Stimmung der Angst“

Für Detlef Kröger, Anwalt der verstorbenen Oberärztin, sind diese Vorgänge ein weiteres Beispiel dafür, wie Mitarbeiter im Klinikum unter Druck gesetzt würden. „Ich erlebe unter den Mitarbeitern seit Monaten eine Stimmung der Angst.“ Sein Eindruck sei, dass „kritische Stimmen mundtot“ gemacht werden sollen.

Detlef Kröger, Anwalt in Illertissen.
Detlef Kröger, Anwalt in Illertissen. | Bild: Benjamin Schmidt

Er nennt ein weiteres Beispiel, von dem er aus dem Klinik-Umfeld erfahren haben will: Mitarbeiter, die im Rahmen des Compliance-Verfahrens Aussagen gemacht hätten, warteten wochen- oder gar monatelang auf das versprochene Unterschreiben ihrer Protokolle, erzählt Kröger. Diese Sorge schilderten mehrere Mitarbeitende auch gegenüber dem SÜDKURIER. Bis sie das Protokoll unterzeichnen konnten, sei für sie unklar gewesen, wer Einblick in die Aufzeichnungen der Befragungen der Kanzlei Feigen Graf habe.

Die Geschäftsführung des Klinikums weist diese Vorwürfe zurück. „Einblick in die Protokolle haben bisher lediglich die Rechtsanwälte sowie die jeweils befragten Personen“, heißt es. „Die Rechtsanwälte von Feigen Graf legen sowohl bei der Befragung als auch bei der anschließenden Zusammenfassung der Gespräche mit Zeugen und Betroffenen größten Wert auf eine ordentliche Abfassung.“ Dies nehme insbesondere bei der in kurzer Zeit großen Zahl an geführten Gesprächen viel Zeit in Anspruch, sagt Referentin Putyrskaya.

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Gedenkstelle bald hinter statt vor Hauptgebäude

Im April gab es die bislang letzte Mahnwache, damals ohne Aufruf in der internen Messenger-App. „Mittlerweile ist es ein wenig im Sande verlaufen“, wie Scheider schildert. Bald soll zudem die Gedenkstelle am Haupteingang entfernt werden. Der Gedenkort hinter dem Hauptgebäude am Hubschrauber-Landeplatz soll bleiben, wie Pressesprecherin Susann Ganzert erklärt. Mitarbeitende hatten diese mit Genehmigung der Geschäftsführung bereits Ende 2023 eingerichtet. Die Pressesprecherin betont: „Das Klinikum hat großes Verständnis für den Wunsch von Klinikmitarbeitenden, der verstorbenen Oberärztin zu gedenken.“

Gehören die Mahnwachen der Geschichte an? „Aktuell wollen wir das so lassen“, sagt Scheider. Vor allem wolle man den Juli abwarten. Dann soll die interne Untersuchung des Klinikums abgeschlossen werden und die Freistellung der Ärzte enden, gegen die ermittelt wird. Sie könnten dann wieder ins Klinikum zurückkehren – während die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen sie weiter andauern.