„Wir dürfen uns durch die Lolli-Tests nicht in falscher Sicherheit wiegen“, sagt ein Mann aus Kluftern, der seinen Namen nicht nennen möchte. Seine Familie hat gerade eine Corona-Infektion durchzustehen, er fürchtet sich vor Stigmatisierung. Diese verläuft glimpflich, beide Kinder haben so gut wie keine Symptome und auch seiner Frau geht es einigermaßen gut. Aber die Begleitumstände ärgern ihn.
Rathaus bestätigt „Häufung“ an Corona-Fällen in Kluftern
Im Kindergarten Kluftern seien inzwischen mindestens neun Kinder mit Corona-Infektionen bekannt. Nach Angaben der Stadt gab es hier in Kalenderwoche 45, der zweiten Novemberwoche, tatsächlich „eine Häufung“ an Corona-Fällen. Die hätte nach Ansicht des Vaters vielleicht vermieden oder früher entdeckt werden können, wenn die Schnelltests zuverlässiger gewesen wären.
Genau davor hatte im Frühjahr die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Häfler Kitas gewarnt. Sie bezweifelte die Aussagekraft der Schnelltests, vor allem bei asymptomatischen Kindern. Das Angebot für Kinder halte sie für „unsinnig und nicht nachvollziehbar“, da die Tests eine „falsche Sicherheit“ suggerierten, äußerte sich Nicole Dathe im April dieses Jahres, als die Schnelltests in den Häfler Kitas eingeführt wurden.
Zwölf Lolli-Test-Ergebnisse falsch-negativ
Im Kindergarten Kluftern kam es so. „Bei neun Kindern und drei Erwachsenen hat der Test mehrfach zu falsch-negativen Ergebnissen geführt. Nur bei einem Kind schlug der Lolli-Test an“, berichtet der Vater. Er sieht darin einen Grund, warum die Infektionskette im Kindergarten spät erkannt wurde. So richtig stutzig wurde er, weil selbst bei PCR-positiven Befunden bei seinen Kindern der – erneute – Schnelltest negativ blieb.
Nach eigenen Recherchen stellte er fest, dass exakt das verwendete Testmodell „Realy Novel Coronavirus“ des chinesischen Herstellers Hangzhou Realy Tech Co. beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht mehr gelistet ist. Am 16. November informierte er darüber alle relevanten Stellen: den Ortsvorsteher, das Rathaus, das Gesundheitsamt im Bodenseekreis, aber auch das Regierungspräsidium Tübingen. Denn das Modell wird in allen Kitas der Stadt eingesetzt.
Bestände sollen erst aufgebraucht werden
Zwei Tage später erhielt der betroffene Vater von der Stadt die Nachricht, es handele sich um eine Verwechslung. Demnach sei das aktuell verwendete Testmodell „nicht als mangelhafter Test von der BfArM-Liste genommen“ worden. Er sei nur nicht mehr aufgeführt, weil die bei den Corona-Schnelltests übliche Notfallzulassung abgelaufen sei. Laut Lieferant sei die reguläre Zulassung für die Hersteller zu teuer. Der Test habe aber eine CE-Kennzeichnung, die weiterhin gültig sei. Man werde die noch vorhandenen Bestände aufbrauchen und dann das Testmodell zum Jahresbeginn umstellen. Diese Aussagen erhielt auch unsere Zeitung auf Nachfrage.
„Dieser Test erfüllt jedoch nicht die ... festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests. Der Test wurde daher am 21. September 2021 aus der BfArM-Liste gestrichen.“Aus dem Schreiben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
Das mit dem CE-Kennzeichen bestätigt das BfArM, teilt unserem Leser aber mit Schreiben vom 16. November mit: „Dieser Test erfüllt jedoch nicht die durch das Paul-Ehrlich-Institut in Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests. Der Test wurde daher am 21. September 2021 aus der BfArM-Liste gestrichen.“ Auch diese Information habe er umgehend dem Rathaus zur Kenntnis gegeben, so der Vater aus Kluftern. Im Übrigen handelt es sich um dasselbe Präparat, dass die Stadt Markdorf bis vor kurzem einsetzte und nach den gleichen Hinweisen schnell aus dem Verkehr zog.
Allerdings ist schon die Auswahl dieses Schnelltests fraglich, weil er laut Anweisung auf der Packung „nur für den professionellen Einsatz“ vorgesehen ist. Dies bestätigt die Bezirksregierung Düsseldorf, in deren Zuständigkeit die Überwachung des Händlers, der Luxus Lebenswelt GmbH in Willich, fällt. Die Behörde teilte unserem Leser mit, dass der Test „nicht zur Anwendung durch Laien zugelassen“ sei.
Knapp 60.000 Tests in Kita allein bis Ende September
Vor diesem Hintergrund erscheint die Auswahl des Testmodells angesichts der – freiwillig investierten – Kosten doppelt zweifelhaft. Immerhin stellt die Stadt den Kitas schon seit Monaten die Lolli-Tests zur Verfügung, damit Erzieherinnen und Kinder getestet werden können. Nach Angaben des Rathauses wurden allein bis zum 26. September dieses Jahres knapp 15.000 Tests an Mitarbeitende ausgeteilt sowie über 44.000 Tests für die Kinder. Die Kosten dafür beliefen sich bis dahin auf rund 280.000 Euro. Ob die Stadt das Geld vom Land vollständig erstattet bekommt, ist noch fraglich.

Am Donnerstag teilte die Stadt auf SÜDKURIER-Anfrage mit, dass die bisher verwendeten Lolli-Tests nun doch umgehend ausgetauscht werden. Mit dem Lieferanten sei vereinbart, dass er diese Schnelltests zurücknimmt und andere liefert, die gelistet sind. Das neue Präparat erfülle alle Anforderungen des Robert-Koch-Instituts und sei sehr zuverlässig. Die Bestellung liege aber noch im Zoll zur Abfertigung, teilte die städtische Pressestelle mit. Im Rathaus hofft man, dass die neuen Tests in den nächsten Tagen geliefert werden, um sie dann direkt an die Kitas auszugeben.
Reaktion ließ lange auf sich warten
Der Vater aus Kluftern ist froh: Ein Wechsel des Testmodells erst im nächsten Jahr wäre angesichts der derzeit rasant steigenden Infektionszahlen zu spät gekommen. Trotzdem wundere er sich, dass eine Reaktion der Stadt so lange auf sich warten ließ. Immerhin habe er bereits am 16. November alle relevanten Behörden informiert. Ob der neue Test zuverlässiger anzeigt, ob ein Kind mit Corona infiziert ist, bleibe abzuwarten.