Silvio „Sille“ Klingers Hafenkneipe, das „Pier 40“ an der Schanzstraße, ist in Friedrichshafen vor allem dafür bekannt, dass es hier auch nach Mitternacht noch etwas zu trinken gibt – wenn Kneipen nicht gerade wegen der Corona-Pandemie geschlossen sind, versteht sich. „In meinem Leben hat sich schon einiges verändert, aber das hier ist geblieben“, sagt Klinger, der die Kneipe als sein „Basislager“ bezeichnet. Parallel sei er Mitbetreiber des „City“ in Tettnang, zwischendurch habe er das Barzelt am Zeppelinhangar betrieben und weitere gastronomische Projekte gestemmt.
Drei Tage vor dem Mauerfall kehrte Klinger der DDR den Rücken
Silvio Klinger stammt aus Erfurt. Eigentlich war Judo seine große Leidenschaft. Dreimal ist er Meister geworden, damals noch in der DDR. „Drei Tage vor Mauerfall bin ich abgehauen und rüberkommen“, erinnert er sich. In Friedrichshafen habe er Verwandtschaft gehabt und der hiesige Judoverein habe ihm angeboten, ihn aufzunehmen: „So bin ich hier gelandet.“
Über den Sport habe er einen Kollegen kennengelernt, der damals schon an der Theke gearbeitet habe: „Da bin ich mitgekommen, denn gegen einen Zusatzverdienst am Wochenende hatte ich natürlich nichts einzuwenden“, so Klinger. „Unter der Woche habe ich als Elektriker gearbeitet.“ 1994 gründeten die beiden das Café Fresco in Meckenbeuren. Nach zwei Jahren trennten sich ihre Wege und Klinger eröffnete das „Pier 40“.

„Als ich das übernommen habe, haben wir hier eine Wand gezogen und die Pizzeria hat ein kleines Räumchen zum Sitzen dazubekommen.“ Ihm habe der Platz so gereicht. Die ganze Verkleidung, die Theke, das hätten sie im Prinzip alles selbst gemacht. „Das war alles leer, davor war hier drin eine Spielothek“, erklärt Klinger. „Die größten Veränderungen waren 1996, als wir aufgemacht haben, und vor elf Jahren, als wir die Theke hinten rausgeschmissen haben.“ In den 80er- und 90er-Jahren sei die Pilsbar-Mentalität aufgekommen. „Da galt: Je größer die Theke, desto besser“, beschreibt Klinger. Nun seien eher mehr Sitznischen gefragt.
Das Feierabendbier in der Kneipe stirbt aus
Insgesamt habe sich die Mentalität verändert. Etwa beim Feierabendbier: „Es ist aus der Mode gekommen, dass man nach der Arbeit zwei, drei Bier trinkt und dann heimgeht zum Abendessen“, sagt Klinger. Die ältere Generation mache das noch, aber das sterbe aus. Die Jüngeren kämen eher spätabends, bestellt werden dann Longdrinks und Spirituosen. Rein wirtschaftlich betrachtet sei das nicht schlecht. Der Bierpreis sei nämlich stark gestiegen. „Anfangs lag das Pils bei so 2,70 Mark“, erinnert sich Klingler. Um der Preissteigerung gerecht zu werden, müsste es jetzt mindestens vier Euro kosten. Das zahlt aber keiner.“ So werde das Bier quasi über die Spirituosen querfinanziert.
Mit dem späten Geschäft habe sich das „Pier 40“ einen Namen gemacht. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht zumachen, auch wenn gerade kein Gast mehr da ist“, betont Klinger. Im Gegenzug werde aber auch pünktlich Feierabend gemacht: „Um halb drei am Wochenende und um halb zwei unter der Woche gibt es die letzte Runde. So wissen auch die Mitarbeiter, wann sie nach Hause kommen.“

Statt Jubiläumsfeier heißt es weiter: abwarten
Aktuell beschäftigen Klinger vor allem die coronabedingte Situation und die Frage, wie es weitergeht mit den Regelungen für die Gastronomie. „Außenbewirtung ist für uns keine Lösung. Da fahre ich alles hoch und nachher ist schlechtes Wetter.“ Das Jubiläum sollte eigentlich groß gefeiert werden. Vorerst heißt es aber: abwarten, wann die Kneipe überhaupt wieder öffnen darf.