Als das Torture Ship im Juli wieder in Friedrichshafen ablegte, war das Pier voller Zuschauer. Lack, Leder, Pferdeköpfe und Masken? Alles kein Problem fürs tolerante Friedrichshafen. Da gab es auch mal andere Zeiten!
Bis 2014 stach nämlich neben dem Sadomaso-Schiff auch ein Swingerschiff in den See. Damals vermieteten die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) ihr MS Schwaben an einen Veranstalter, der Swingerpartys an Bord veranstaltete. Sexspiele und Partnertausch inklusive.
„Wir haben Erotik genug im Fernsehen!“
Das war Magda Krom, eine Ikone der Friedrichshafener CDU und damals noch Gemeinderätin, ein richtiger Dorn im Auge. Dem SÜDKURIER gegenüber bezeichnete sie das Schiff als ‚unanständig‘. „Wir haben Erotik genug im Fernsehen. Da brauchen wir das nicht auch noch auf dem Bodensee“ – so die Meinung der CDU-Politikerin. Da die BSB eine 100-prozentige Tochter der Konstanzer Stadtwerke ist, schwappte eine regelrechte Welle der Empörung über den See.
Zunächst verteidigten die BSB und ihre einstige Geschäftsführerin Petra Collini die Vermietung noch. „Niemand wird gezwungen, da mitzufahren. Und wir müssen auch nicht mitmachen. Insofern ist doch alles noch im legalen Bereich“, sagte Collini im Februar 2014 dem SÜDKURIER.
Swingerschiff als Gefahr fürs Image?
Doch dann schaltete sich Roger Tscheulin, bis heute Konstanzer CDU-Fraktionschef, ein und verfasste einen Protestbrief an OB Uli Burchardt. „Heute Swinger-Event, morgen Familienausflug zur Mainau und den Pfahlbauten? Das geht nicht zusammen“, schrieb er. Und schließlich waren sich die Christdemokraten beider Städte einig: Das Swingerschiff bedeutet einen Imageschaden – für die BSB und damit den ganzen Bodensee!
Tatsächlich amüsierte sich bereits die gesamte deutschsprachige Presse über die Debatte am Bodensee. „Sex on the See“ titelte die „Stuttgarter Zeitung“. „Das Bums-Boot vom Bodensee wird versenkt“, hieß es im Schweizer Boulevardblatt „Blick“. Und sogar im fernen Hamburg schrieb die „Zeit“ über den „Wirbel über die Erotikschiffe am Bodensee“.
Das alles passte dem Konstanzer OB Uli Burchhardt überhaupt nicht. „Es geht hier nicht um sexuelle Toleranz oder Prüderie. Es geht einzig um die Frage, ob die BSB Schiffe für Sexveranstaltungen verchartert. Das lehne ich klar ab. Die BSB hat einen touristischen Auftrag“, ließ er von seinem damaligen Sprecher Walter Rügert erklären. In seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke bat Burchardt schließlich, die BSB zu prüfen, ob man den Vertrag mit dem Swinger-Veranstalter aufheben könne. Der hatte das MS Schwaben bereits für Ende August erneut gebucht.
Neue Richtlinien zur Vermietung der Schiffe erlassen
Schließlich durfte diese bereits gebuchte Fahrt dann noch stattfinden – doch alle weiteren: verboten. Die BSB erhob nämlich neue Richtlinien zur Vermietung der Schiffe, mit denen Sexpartys auf dem See untersagt wurden. Gegenüber dem SÜDKURIER haben die Schiffsbetriebe damals erklärt: Sobald die Nutzungskonzepte für mögliche Veranstaltung im Jahr 2015 vorlägen, würden diese gemäß der neuen Richtlinien geprüft.
SÜDKURIER-Reporterinnen fahren mit
Am 30. August 2014 war es dann soweit: Das Swinger-Schiff startete unter Beobachtung vieler Schaulustiger zu seiner letzten Fahrt von Friedrichshafen Richtung Romanshorn. Unter den 570 Gästen waren dieses Mal auch zwei SÜDKURIER-Redakteurinnen, die sich den Stein des Anstoßes mal genauer anschauen wollten.
„Zuerst gab es Schnitzel, Kartoffelsalat, Wienerle oder Gulaschsuppe“, berichtete Kerstin Mommsen später unseren Leserinnen und Lesern. Doch irgendwann habe es fast kein Plätzchen mehr gegeben, an dem sich nicht gerade irgendwelche Besuchergrüppchen – zu zweit, zu dritt, zu viert – vergnügten. Das Fazit der beiden Redakteurinnen: „Auf dem Swingerschiff passiert genau das, was sich wohl die meisten so ausmalen und worauf sich mehrere hundert Besucher schon lange gefreut haben. Und solange hier jeder freiwillig an Bord und bei der Sache ist, ist das auch absolut in Ordnung.“

Übrigens stand auch das Sadomaso-Schiff schon viele Mal in der Kritik. Weiterfahren durfte es allerdings immer. „Anders als beim Swingerschiff scheint man sich geeinigt zu haben, dass man uns schräge Vögel in Ruhe lässt“, sagt Veranstalter Thomas Siegmund dem SÜDKURIER. Sex? Den gebe es nicht auf dem Schiff. Unser Reporter, der am Samstag am Pier stand, berichtete allerdings, dass ihm von einem Fetisch-Fan in Lack und Leder augenzwinkernd zugeflötet wurde: „Ihr wisst gar nicht, was ihr hier verpasst!“