Die Schulleiter sind sauer, auch wenn der Brief an Andreas Köster sehr moderat im Ton ist. Es scheint der berühmte Tropfen gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Um 35 Prozent wurden die Schulbudgets gekürzt, steht in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt.
Umsetzung des Bildungsauftrags „erheblich behindert“
Die Schulleiter bitten darum, nun wenigstens an einigen Standorten um eine teilweise Rücknahme der Streichungen. Die behindere die Schulen „erheblich in der Umsetzung unseres Bildungsauftrags“, heißt es in dem Papier, das der Geschäftsführende Schulleiter in Friedrichshafen, Steffen Rooschüz, gezeichnet hat.
Kein Geld für einen Klassensatz Schulbücher
Die Misere bleibt auch Schülern und Eltern nicht verborgen. Beim Elternabend in einer zehnten Klasse am Karl-Maybach-Gymnasium hieß es beispielsweise, dass kein Geld für einen Klassensatz neuer Englischbücher da sei, obwohl deren Anschaffung wegen des neuen Bildungsplans eigentlich nötig wäre.

Vor vier Wochen machte Sonja Utz, Vorsitzende des Elternbeirats an der Gemeinschaftsschule Schreienesch, ihrem Ärger bereits öffentlich Luft. „Während in anderen städtischen Bereichen schnelle finanzielle Hilfen sichtbar möglich sind, lässt man die Schulen dieser Stadt nicht nur im Stich, sondern kürzt ihnen obendrein auch noch drastisch ihre Etats“, erklärte sie auf Anfrage unserer Zeitung, wie die Schulen mit den Auswirkungen der Pandemie klar kommen.
Ein Blick in den städtischen Haushalt für 2020 bestätigt das. Mit dem im Sommer vom Gemeinderat beschlossene Plan wurden die Budgets jeder Schule laut Rathaus pauschal um 15 Prozent gekürzt. Ein Beispiel: Bekamen die 15 städtischen Schulen im vergangenen Jahr rund 570 000 Euro für Lern- und Lehrmittel, sind es in diesem Jahr rund 100 000 Euro weniger. Geld, das nicht nur für Bücher fehlt. Jede Schule hat durch die Corona-Pandemie zusätzliche Ausgaben, für die im Budget kein Platz ist – von Desinfektionsmittel bis zu deutlich mehr Kopierpapier.
Stadt bestätigt: Eine Viertel Million Euro weniger im Schulbudget
Auf Anfrage bestätigt das Rathaus, dass zusätzlich eine haushaltswirtschaftliche Sperre von weiteren 20 Prozent erlassen wurde, die aber nicht nur die Schulbudgets betreffe. Durch eine Aufstockung um zehn Prozent im Herbst „betragen die Einschränkungen schließlich 25 Prozent“, so das Rathaus. Vom Schulbudget von etwas mehr als einer Million Euro stünden damit in diesem Jahr rund 780 000 Euro zur Verfügung. Die Kürzung betrage rund 244 000 Euro.

Doch die aktuelle Finanz-Misere ist es nicht allein. Seit 2015 steht der Schulentwicklungsplan. Seitdem ist ein Investitionsstau an den Schulen beschrieben, der vom Rathaus im Wesentlichen von Jahr zu Jahr weiter geschoben wird. Schon im Dezember 2016 wurden dem Sozialausschuss des Gemeinderats die größten Baustellen aufgelistet: Schreienesch-Schule und Schulzentrum Ailingen brauchen dringend eine Mensa, die Albert-Merglen-Schule mehr Platz und eine Generalsanierung. Auch die Grundschule Fischbach muss erweitert werden.
Weil viele Schulhöfe sanierungsbedürftig sind, einigte man sich auf drei, die zuerst dran sein sollten. Am KMG werden die Arbeiten in diesem Jahr tatsächlich abgeschlossen. Die Pausenhöfe am Schulzentrum Ailingen und der Graf-Soden-Schule – Platz zwei und drei auf der Prioritätenliste von 2016 – sehen aus wie vor vier Jahren. Auch hier ging nichts vorwärts.
Große Hoffnungen nach Klausurtagung im Dezember 2019
Umso größer waren die Hoffnungen der Schulleiter nach der Klausurtagung im Dezember 2019. 30 drängende Fragen zur Schulentwicklung in der Stadt wurden diskutiert, der Gordische Knoten schien endlich gelöst. Danach wurden zwei Millionen Euro extra für 2020/21 im Stadthaushalt bereit gestellt, um die Großbaustellen anzugehen.
Wieder gab es eine Prioritätenliste: Seither steht der Neubau der Merglen-Schule ganz oben. Bis dahin braucht es eine Container-Lösung, um ausreichend Platz für die Kinder zu schaffen. Als „dringend sanierungsbedürftig“ schafft es nun neu die Turn- und Schwimmhalle der Tannenhagschule auf die Liste. Das Bad ist so marode, dass der Komplettausfall droht. Bei den Schulhöfen soll jetzt die Pestalozzischule als nächstes dran sein, die seit Jahren vertröstet wird. Und weil Gymnasien und Realschule diesmal nicht locker ließen, steht jetzt die ebenfalls seit Jahren nötige Sanierung der naturwissenschaftlichen Fachräume auch auf der Agenda der Stadt.

Doch in den vergangenen elf Monaten ist nach dem Geschmack der Rektoren erneut zu wenig passiert. Die Prozesse gingen „sehr langsam voran“, schreiben die Schulleiter an Köster. So langsam, dass sie weder für die Schulen noch die Eltern sichtbar sind, die den Schulleitern immer hartnäckiger auf den Füßen stehen.
Rathaus: „Keine Mittel für Schulentwicklungsplanung“
Von einer Million Euro, die in diesem Jahr Schwung in die Schulinvestitionen bringen sollte, sind nach Angaben des Rathauses bislang exakt 62 693,07 Euro ausbezahlt worden. Erklärt wird dies mit „erheblichen finanziellen Einbußen“ für die Stadt durch die Corona-Pandemie. Deshalb konnten „im Corona-Not-Haushalt letztlich keine Mittel für allgemeine Schulentwicklungsplanungen berücksichtigt werden“, antwortet die Pressestelle auf SÜDKURIER-Anfrage.
Wie ist der Stand der Investitionen an den Schulen?
Bleibt Problem Nummer drei, das die Schulen gerade in diesem Jahr enorm drückt. Am heutigen Mittwoch erhält der Sozialausschuss von Andreas Köster speziell dazu einen Bericht zum Stand der Dinge.
Digitalisierung wieder Thema im Sozialausschuss
Denn auch mit der Digitalisierung hängt die Stadt hinterher, obwohl gerade erst Medienwagen mit Beamer, Dokumentenkamera und Laptop für die Klassenzimmer angeschafft wurden – allerdings ohne DVD-Player oder eine für den Fernunterricht nutzbare Webcam am Rechner. Fünf Schulen sind laut Auskunft des Rathauses immer noch nicht ans Glasfasernetz angeschlossen. Fernunterricht ist hier schlicht nicht möglich. Und dort, wo es schnelles Internet gibt, fehlt ein W-Land-Netz bis in die Klassezimmer.