In den kommenden Tagen sollen die Mitarbeitergespräche zur Aufarbeitung der Vorwürfe am Medizin Campus Bodensee (MCB) beginnen. Bislang hat die beauftragte Kanzlei Feigen Graf Akten, Mails und andere Dokumente rund um die Vorwürfe erhalten und soll in Kürze die Mitarbeiter für Gespräche auswählen, wie laut SÜDKURIER-Informationen und Pressemitteilung des MCB bei einer Mitarbeiterversammlung am Montagnachmittag verkündet wurde.

Im Auditorium des Klinikums informierten der Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikums Friedrichshafens, Andreas Brand, der Medizinische Direktor des Klinikums, Roman Huber, sowie der Rechtsanwalt Andreas Minkoff von der Kanzlei Feigen Graf die rund 250 Mitarbeitenden. Demnach soll die Aufarbeitung bis spätestens Ende März laufen. Erst dann wolle man Konsequenzen ziehen, hieß es bei der Veranstaltung. Welche das sein könnten, blieb unausgesprochen. Im Vordergrund stünden allerdings die „Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit der Untersuchung“.

Das könnte Sie auch interessieren

Bei den Untersuchungen geht es um Vorwürfe einer inzwischen verstorbenen Oberärztin. Seit Ende 2021 soll es trotz mehrfacher Warnungen der Frau zu massiver Gefährdung von Patientenwohl gekommen sein. Die Klinik weist die Vorwürfe zurück. Die Vorfälle sollen nun erneut untersucht werden.

Geschäftsführung erhält keine Einsicht in Gespräche

Auf Basis der übergebenen Unterlagen sollen die Rechtsanwälte der Kanzlei bald erste Mitarbeiter zu Gesprächen bitten. Demnach sollen bis zu drei Rechtsanwälte die Gespräche mit den jeweiligen Mitarbeitern führen, die aus allen Bereichen des Hauses kommen können. Diese können sich einen Zeugenbeistand mitnehmen – das kann ein Anwalt oder eine andere Privatperson sein, die jedoch nicht in die Untersuchung involviert sein darf. Kosten für Anwälte werde das MCB übernehmen, hieß es bei der Versammlung.

Der Gesprächsinhalt soll mit Klarnamen schriftlich dokumentiert werden und nach Einsicht des jeweiligen Mitarbeiters anschließend an den Aufsichtsrat übergeben werden. Die Geschäftsführung werde keine Einsicht in die Inhalte der Gespräche haben, erklärte Oberbürgermeister Andreas Brand.

Nicht anonymisierte Gespräche sorgen für Unsicherheit

Dass die Mitarbeiter in der Dokumentation mit ihren echten Namen auftauchen, sorgt für Unsicherheit. Rechtsanwalt Andreas Minkoff erklärte dies damit, dass nur so eine effektive und transparente Aufklärung möglich sei. Daneben sei es aber auch möglich, sich anonym über einen Hinweisgeberschutz-Kanal zu beteiligen.

Wie aus Mitarbeiterkreisen zu hören war, besteht bei vielen auch weiterhin kaum Vertrauen in die Geschäftsführung, ebenso wenig in die Aufarbeitung. Das liege daran, dass die mit den Vorwürfen konfrontierten Verantwortlichen, ein Chefarzt und Medizinischer Direktor sowie Geschäftsführer Franz Klöckner, weiterhin im Klinikum arbeiteten. Da sich dies nicht ändern werde, habe auch die Veranstaltung kaum zu mehr Zuversicht geführt.

Enttäuschung über Redebeitrag von OB Brand

Für besondere Enttäuschung sorgte laut mehreren Teilnehmern der Redebeitrag von OB Brand bei der Versammlung. Dieser sprach über eine Vielzahl von Missständen im Klinikum, die aufgearbeitet werden müssten. Aus diesem Grunde habe man begonnen, eine Mediationsstelle einzurichten. Außerdem warb er für Verständnis, dass Konsequenzen erst nach Ende der Untersuchung getroffen werden könnten.

Das könnte Sie auch interessieren

Besonderen Applaus erhielt dagegen ein Mitarbeiter bei seinem Wortbeitrag. Er beklagte den Zustand, dass ein Chefarzt sein Amt als Medizinischer Direktor zwar bis Ende der Untersuchungen ruhen lasse, aber weiterhin im Klinikum arbeite. Das Vertrauen sei weiterhin „erschüttert“ und der aktuelle Zustand sorge bei Mitarbeitern für einen großen „Leidensdruck“. Aufgrund dieser Situation und mangelnden personellen Konsequenzen überlegten sich viele Mitarbeiter, ob das Häfler Klinikum für sie immer noch der richtige Arbeitgeber sei.