Über 50 Beschäftigte des Klinikums sitzen bei der Ratssitzung am Montagnachmittag in den Zuschauerreihen. Bekommt der Medizin Campus Bodensee (MCB) die zusätzlichen Millionen, um den Betrieb bis Ende 2025 abzusichern? Nach langer Diskussion sind zwei Dinge klar: Die Stadt steht hinter dem MCB. Doch ohne die Hilfe des Landkreises wäre das nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

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Dem Klinikverbund steht wirtschaftlich das Wasser bis zum Hals. Bis Ende 2025 hat der MCB aktuell einen Finanzbedarf von 52,3 Millionen Euro, für den die Stadt als Hauptgesellschafter in die Bresche springen muss. Eine neuerliche Finanzspritze von jeweils rund 6 Millionen Euro für dieses und nächstes Jahr beschloss der Rat. Allein könne die Stadt das aber nicht mehr stemmen, macht OB Andreas Brand in der Ratssitzung am Montag erneut klar.

Was wird mit der Klinik Tettnang?

Friedrichshafen bitte den Bodenseekreis deshalb formal darum, „in Gespräche über eine Beteiligung einzutreten“. Und: Er spüre „eine Bereitschaft dazu“, so Brand vor dem Gremium. Ziel müsse es sein, rief der OB den MCB-Beschäftigten im Saal zu, bis März 2025 weitestgehend Klarheit zu haben. Klarheit auch darüber, wie sich der Bodenseekreis als Mitgesellschafter der Klinik Tettnang positioniert. Der Aufsichtsrat werde im nächsten Jahr letztmalig Zuschüsse beantragen. Mit anderen Worten: Ohne Unterstützung aus dem Landratsamt steht das Tettnanger Krankenhaus auf der Kippe. Das Sanierungs- und Medizinkonzept für das Schwesterkrankenhaus ist noch nicht beschlossen.

Mit Landrat Luca Prayon im Gespräch

Wie steht der Landkreis zum Wunsch nach Unterstützung? Landrat Luca Prayon nahm eingangs der Kreistagssitzung am Dienstag dazu Stellung. Er berichtete, dass er im Tagesverlauf mit Oberbürgermeister Andreas Brand zum Thema Klinikum Friedrichshafen telefoniert habe. In den nächsten Tagen finde ein Kennenlernen mit dem zukünftigen OB Simon Blümcke statt, bei dem ebenfalls das Klinikum thematisiert werde. „Es gibt also bereits einen guten Austausch zwischen den kommunalen Verwaltungsspitzen“, teilt die Kreisverwaltung auf Anfrage mit. Zunächst brauche man einen Einblick in die aktuellen Planungen von Stadt und Klinikum. „Erst danach kann gemeinsam darüber gesprochen werden, wie es in der Zukunft weitergehen könnte.“

Landrat im Bodenseekreis, Luca Prayon.
Landrat im Bodenseekreis, Luca Prayon. | Bild: Landratsamt Bodenseekreis

Wie schwierig die Situation ist, leugnet auch Anthea Mayer in der Gemeinderatssitzung nicht. Die Sana-Managerin ist seit April in der Geschäftsleitung und ab November alleinige Geschäftsführerin des MCB. Franz Klöckner verlässt das Unternehmen Ende Oktober. Sie sprach vom „Vertrauen, das verloren gegangen ist“, womit sie das negative Image meint, das der MCB seit dem Freitod einer Oberärztin hat, die vergeblich Missstände angeprangert hatte. „Wir tragen unseren Teil der Verantwortung“, so Mayer, die sich wortreich bei den MCB-Beschäftigten bedankte, quasi die Stellung gehalten haben.

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Hohe Folgekosten nach Klinikskandal

Dieser Skandal, in dessen Zentrum ein inzwischen entlassener Chefarzt steht, hat für den MCB auch wirtschaftliche Folgen. Die Erlöse in der Kardiologie sind laut Brand in Millionenhöhe eingebrochen. Für nächstes Jahr wird ein Risikopuffer von 8 Millionen Euro gebraucht, um das noch laufende Compliance-Verfahren und alle daraus resultierenden Folgekosten zu finanzieren. Diese externe Untersuchung stehe kurz vor dem Abschluss, hieß es in der Sitzung.

Gemeinderat stellt sich hinter den MCB

Ein Statement des Gemeinderats zog sich durch alle Fraktionen. „Wir stehen in schwierigen Zeiten uneingeschränkt hinter dem MCB“, erklärte Hannes Bauer für CDU, SPD/Linke, FDP und Netzwerk. Die Klinik sei unverzichtbar für die Region, man stehe in der Verantwortung für die Beschäftigten. Man habe auch kein Interesse, sich kurz- oder mittelfristig vom Tettnanger Krankenhaus zu trennen. Aber: „Das wird eine Herkulesaufgabe.“ Die Unterstützung des Landkreises sei dabei „unabdingbar“, erklärte Dagmar Hoehne für die Freien Wähler. Sie forderte Ratskollegen mit Doppelmandat im Kreistag dazu auf, „Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten“.

Das Sanierungs- und Standortkonzept für die Klinik Tettnang ist noch nicht beschlossen.
Das Sanierungs- und Standortkonzept für die Klinik Tettnang ist noch nicht beschlossen. | Bild: nicoandersohn

Auch die Grünen stehen zu einhundert Prozent hinter dem Klinikverbund, erklärte Fraktionschefin Christine Heimpel. Doch das Geld dafür könne die Stadt „ab sofort“ nicht mehr allein aufbringen. Der Antrag der Grünen, den Betriebskostenzuschuss für 2025 nur unter Vorbehalt in den Haushaltsplan zu schreiben, fand im Rat aber keine Mehrheit.

AfD: „Finanzieller Scherbenhaufen“

Andere Töne schlug nur die AfD-Fraktion an. Der MCB stehe vor einem „beachtlichen finanziellen Scherbenhaufen“, die Stimmung in Krankenhaus sei „bemerkenswert schlecht“, erklärte Ralf Döschl. Mit zwei alten Kliniken sei auf Dauer kein wirtschaftlicher Betrieb möglich. Für ihn sei die Abservierung des „fähigen und renommierten Chefarztes“ nicht alternativlos gewesen, was der Klinik wirtschaftlich nun mit voller Wucht auf die Füße falle, so Döschl. Diese Ansicht teile er nicht, erklärte OB Brand unter dem Beifall der MCB-Beschäftigten im Saal. Die Kündigung aus wichtigem Grund stütze sich auf Fakten aus der Compliance-Untersuchung.