Bernhard Conrads

Herr Amann, was ist die Rote Laterne?

Die Rote Laterne gibt es nur im Bodenseekreis, überreicht wird sie immer an den dienstältesten Bürgermeister. Eingeführt wurde sie vor rund 30 Jahren von Owingens ehemaligem Bürgermeister Karl-Friedrich Reiner. Ich bekam sie 2018 von Jürgen Beisswenger aus Immenstaad. Nächster Wechsel könnte 2023 nach dem Ende meiner Amtszeit sein. Potenzieller Nachfolger wäre dann Reinhold Schnell in Neukirch. Momentan bin ich aber noch die „rote Konstante“ hier im Kreis.

Erinnern Sie sich an ihren ersten Arbeitstag als Bürgermeister?

Klar, da haben Bürgermeisterstellvertreter Alfred Rock und ich uns im Schlosscafé Neyer getroffen. Dort hat er mir den Schlüssel von meinem Vorgänger in die Hand gedrückt und gesagt: „So, Herr Amann, jetzt sind Sie der neue Bürgermeister. Ich wünsche Ihnen einen guten Start.“ Dann bin ich mit meinem Schlüssel ins Rathaus marschiert und habe geschaut, wer überhaupt da ist. Bis zu meinem ersten Arbeitstag habe ich das Rathaus nie betreten.

Der Sportler Frank Amman. Hier beim Heiligenberg-Lauf 2006.
Der Sportler Frank Amman. Hier beim Heiligenberg-Lauf 2006. | Bild: Cornelia Hoyer

Sie waren vorher Kämmerer in Uhldingen. Was haben Sie vorher gemacht?

Ich habe nach Abitur und Wehrdienst an der Fachhochschule in Kehl die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt gemacht. Danach war ich vier Jahre (1989 bis 1994) bei der Stadt Meersburg in der Finanzverwaltung beschäftigt und innerhalb des Gemeindeverwaltungsverbands Meersburg-Stetten-Hagnau-Daisendorf für die finanziellen Belange der Gemeinde Hagnau zuständig. Eine wunderbare, erlebnisreiche Zeit.

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Wie ging es dann weiter?

Ich hatte mich dann erfolgreich um das Amt des Kämmerers der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen beworben. Dort war ich Leiter der Finanzverwaltung und kaufmännischer Geschäftsführer der Fremdenverkehrsbetriebe. In dieser Zeit habe ich mich intensiv mit der Kommunalpolitik in Heiligenberg auseinandergesetzt, mich informiert und darüber viel gelesen. Es war deutlich erkennbar, dass das Verhältnis Gemeinderat/Bürgermeister /Verwaltung gespannt und problembehaftet war. Es gab häufigen Personalwechsel, endlose Diskussionen innerhalb des Gemeinderats, kritische Leserbriefe, insgesamt eine sehr unbefriedigende Situation. Gemeinderatssitzungen glichen, so hatte man zumindest aus der Distanz den Eindruck, eher einem politischen „Kabarett“ als seriöser Arbeit. Und wie das dann so ist, zieht das die Menschen an.

Frank Amann beim Fassanstich 2008.
Frank Amann beim Fassanstich 2008. | Bild: Cornelia Hoyer

War das eine Art Belustigung für die Bürger?

Ja und nein. Manche amüsierten sich köstlich, weil der Unterhaltungswert hoch war, andere schämten sich für den Umgang miteinander und die Außendarstellung. Ähnliche Beispiele gibt es immer wieder, insgesamt schaden sie der Kommunalpolitik, weil sie auf die Akteure kein gutes Licht werfen. Für mich war schnell klar, in Heiligenberg will ich Bürgermeister werden. Das ist eine Gemeinde, die mir gefällt, die Ausstrahlung und Entwicklungspotenzial hat, zu der ich eine persönliche Beziehung habe – am Haldenlift bin ich wie viele andere Kinder der Region Ski gefahren. Die Probleme der Heiligenberger Kommunalpolitik sind nicht unbekannt geblieben, daher gab es dann auch mehrere Bewerber um das Amt des Bürgermeisters.

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Wie viel Kandidaten gab es?

Mit mir waren auf dem Wahlzettel fünf Herausforderer und der Amtsinhaber. Ich hatte das Glück, dass ich mich im ersten Wahlgang mit knapp über 50 Prozent durchsetzen konnte. Das war zwar eng, aber wie heißt es so schön: „Ein gutes Pferd nimmt die Hürde knapp.“

Hatten Sie bereits während des Studiums in Kehl Ambitionen auf ein Bürgermeisteramt?

Ja, das hat sich während des Studiums herauskristallisiert, auch schon während der Ausbildung in Bermatingen. Mich hatte weniger der Titel, mehr die Funktion und Gestaltungskraft beeindruckt, für eine Gemeinde die Verantwortung zu tragen und ein Stück weit auch eine Gemeinde verändern zu können. Ich finde das heute noch immer eine spannende Aufgabe.

Frank Amann bei seiner Wiederwahl 2007 mit seiner Frau Carmen.
Frank Amann bei seiner Wiederwahl 2007 mit seiner Frau Carmen. | Bild: Cornelia Hoyer

Zumal die Position des Bürgermeisters recht stark ist, zumindest hier in Baden-Württemberg.

In Bayern ist es ähnlich, aber es ist nicht so, dass jeder gestalten will, der Bürgermeister wird. Das muss man sehen, das hat sich ein Stück weit verändert. Heutzutage wünschen sich die Bürger eher dialogorientierte Mediatoren und Moderatoren, da bin ich eher ein Relikt aus einer fernen Zeit. Ich würde mich eher als empathischen Hardliner bezeichnen. Man sieht es aktuell in Salem, unserer Nachbargemeinde, die einen unglaublich engagierten, durchsetzungsstarken und fleißigen Bürgermeister an der Spitze hat, wie übrigens auch sein Vorgänger im Amt – der einen hohen Gestaltungs- und Veränderungswillen besitzt. Diese Veränderungsprozesse will ich gemeindepolitisch nicht werten, aber sie werden von vielen Seiten auf vielfältige Art und Weise kritisch, manchmal auch unfair begleitet. Da braucht es ein dickes Fell, um das alles auszuhalten. Und man fragt sich dann oft, ob man mit weniger Gestaltungskraft, mit weniger Mut, mit weniger Klarheit in seinen Aussagen die Funktion des Bürgermeisters nicht ebenso gut, sozusagen geschmeidig das Amt ausfüllen kann. Aber man ist, wie man ist, und kann da auch nicht aus seiner Haut. Darum gibt es das Amt auf Zeit und der Bürger entscheidet alle acht Jahre, wie er es gerne hätte. Wahltag ist eben immer Zahltag.

Zurück zu Heiligenberg. Was war denn das Erste, das Sie gemacht haben?

Ich bin durch die Büros und habe mich meinen künftigen Mitarbeitern vorgestellt. „Ich bin jetzt der Neue und freue mich auf unsere Zusammenarbeit.“

Man kommt als neuer Bürgermeister sozusagen in laufende Prozesse. Man muss sich gewiss ein Bild von dem machen, was alles gerade läuft.

Nein, das macht man schon im Wahlkampf. Im Wahlkampf sind die Themen gesetzt. Man führt ganz viele Gespräche mit Gemeinderäten, mit Vereinsvertretern, Feuerwehr und Bürgern und man sieht ja dann, welche Prozesse laufen und welche nicht. Es war nicht so, dass die Themen völlig neu waren, die mich im Rathaus erwarteten. Neu war die Verantwortung für das Gesamte, einschließlich Mitarbeiterführung. Mein Vorteil war: Von meinem Vorgänger habe ich hervorragende Planungsgrundlagen übernommen. Allein der Wille und Mut zur Umsetzung und das Vertrauen in das Verwaltungshandeln fehlte den damaligen Gemeinderäten. Die erste Amtszeit war deshalb mit der Umsetzung der Masterplanung zur städtebaulichen Erneuerung der Stadtplaner Binder und Senner belegt. Eine spannende Aufgabe. Das Ganze musste innerhalb von sechs Jahren fertig sein.

Frank Amann 2004 mit Nachwuchskickern.
Frank Amann 2004 mit Nachwuchskickern. | Bild: SK-Archiv/Probst

Warum so schnell?

Das hat uns das Regierungspräsidiums Tübingen sehr schnell signalisiert. Alle Maßnahmen lagen innerhalb eines klar definierten Sanierungsgebiets und für die Umsetzung gab es reichlich Zuschüsse. Diese 50-Prozent-Förderung war gebunden an eine zeitliche Umsetzung. Im Mai hatte ich angefangen, im Juli gab es eine Klausurtagung mit Vertretern des Hauses Fürstenberg, des Regierungspräsidiums und den Planern Binder und Senner. Im Rahmen der Klausurtagung hat man dann entschieden: Wir kündigen den Mietvertrag für den Festsaal im Schloss und integrieren im von meinem Vorgänger erworbenen Hummel-Areal (heute Sennhof) ein Bürgerhaus. Das war bis zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Das Alte Rathaus wird ein Haus der Vereine. Wir beginnen mit der Umgestaltung des Postplatzes und bauen einen zentralen Parkplatz, alles hinterlegt mit einem exakten Zeitablauf von plus/minus einem Jahr. Das hat man dann im Herbst 1999 vorgestellt und dann ging es an die Umsetzung. Das waren meine ersten sieben bis acht Jahre. Wir haben es mit einem Jahr Verspätung geschafft.

Lief alles reibungslos?

Vieles lief rund – mit Ausnahme des Alten Schulhauses, heute Pizzeria da Pino, neben dem Rathaus. Da wir für das Gebäude keine Nutzungskonzeption hatten, wollte eine knappe Mehrheit im Gemeinderat das Gebäude abreißen, die Fläche als Freianlage neu gestalten. Dazu habe ich auch gehört. Wir haben drei Mal mit 9:7 Stimmen für den Abriss gestimmt, den roten Punkt für den Abriss und eine fertige Planung für die Anlage hatten wir. Wir haben ein Jahr heftig um dieses Gebäude gerungen und gestritten. Da sind bis heute Narben geblieben, auf beiden Seiten. Das Ergebnis: Dank eines Zweitgutachtens des Landesdenkmalamtes steht das Gebäude immer noch.

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Aber so wie es jetzt geworden ist, ist es doch nicht schlecht, oder?

Es ist klasse! Ein Großteil der Abrissbefürworter sind heute Stammgäste. Aber das wussten wir damals nicht. Wir haben gute, kreative Investoren gefunden, die das Objekt mit einem Erbbaurechtsvertrag ausgestattet saniert haben. Heute sind wir alle glücklich, wie es geworden ist.

Rathaussturm 2008: Bürgermeister Frank Amann mit Narrenpräsident Markus Kast als Julius Caesar.
Rathaussturm 2008: Bürgermeister Frank Amann mit Narrenpräsident Markus Kast als Julius Caesar. | Bild: Cornelia Hoyer

Was war in den zurückliegenden 20 Jahren schön? Wo hat es geharzt?

Das Unangenehmste in den 20 Jahren war der siebenjährige Rechtsstreit um den Betrieb des neuen Bürgerhauses Sennhof am Schloss mit einem benachbarten Ehepaar. Das hat Zeit und Nerven gekostet und einige schlaflose Nächte mit sich gebracht. Zum Ende des Prozesses wurde dann der Druck aus der Bürgerschaft und den Vereinen immer stärker. Unterm Strich hat das Ergebnis gezählt: Wir haben den Prozess gewonnen und jetzt eine gute Lösung für die Nutzung gefunden.

Was war denn gut und schön?

Die Umsetzung der Sanierungsziele war ein städtebaulicher Meilenstein für unsere Gemeinde. Wer 20 Jahre nicht mehr in Heiligenberg war, wird es kaum wiedererkennen. Danach galt es, Luft zu holen und Projekte in den Teilorten anzugehen. Darunter die Sanierung des Gemeindehauses Wintersulgen und der Umbau der Kläranlage Hattenweiler zu einer Pumpstation mit Bau einer Druckleitung nach Altheim. Es ist einfach so, dass es Phasen gibt, wo man vorher denkt, überlegt und plant. Dann gibt es Phasen, wo gebaut und umgesetzt wird. Die zweite Wahlperiode war geprägt durch die Entwicklung des Postareals. Der Erwerb eines Hotels an einer solch exponierten Stelle, mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise, erforderte Mut und Überzeugungskraft. Wir haben zwischen 2009 und 2011 einen Bürgerbeteiligungsprozess initiiert. Auf Grundlage eines städtebaulichen Entwurfs, der die Wünsche und Vorstellungen der Bürgerschaft beinhaltet, haben wir den Bebauungsplan entwickelt. Ein Prozess, der 2013 beendet wurde. Danach folgte der Abriss. Nun sind wir, was Käufer und Konzept angeht, hoffentlich auf der Zielgeraden angekommen. Ab 2012 stand das Projekt Freibad/Freizeitareal im Fokus unsere Überlegungen. 2014 gestartet, haben wir 2019 dieses ambitionierte Projekt fertiggestellt. Da bin sehr stolz drauf, wie das geworden ist, weil es gestalterisch auch meine Handschrift trägt und mit dem Minispielfeld eine Idee von mir realisiert worden ist – für unsere sportbegeisterten Kinder und Jugendlichen.

Und in der dritten Wahlperiode?

In der dritten Wahlperiode stand und steht eine aktive und offensive Grundstückspolitik im Mittelpunkt. Beispiele: Die Baugebiete „Amalienhöhe II“ und „Am Sonnenhang“ wurden 2014 erworben, entwickelt und erschlossen. Zwischenzeitlich wurden fast alle Grundstücke verkauft. Die Einnahmen dienten der Finanzierung der genannten Projekte. Parallel Glasfaser- und Gasausbau im ganzen Ort. 2014 wurde die Gaskonzession an das Stadtwerk am See vergeben.

Kann man da nicht zufrieden sein?

Es ist keine Selbstverständlichkeit, als Bürgermeister für drei Amtsperioden das Vertrauen ausgesprochen zu bekommen. Gerade in unserer wunderbaren, attraktiven Wohn-, Erholungs- und Kulturlandschaft. Da zieht es viele Kandidaten an den See. Entscheidender Faktor ist also die Wiederwahl. Da bin ich mit meinen Ergebnissen sehr zufrieden. Zweiter Punkt: Man kann eine Gemeinde nur dann erfolgreich entwickeln und gestalten, wenn es mit dem Hauptorgan der Gemeinde, dem Gemeinderat, funktioniert. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Schlüssel für eine erfolgreiche Gemeindepolitik. Da hatte ich in den vergangenen 20 Jahren das große Glück, mit einem Gemeinderat zusammengearbeitet zu haben, der mir vertraut und an mich geglaubt hat, der manche Vision nicht als Spinnerei abgetan und einen hohen Gestaltungswillen hatte. Es sind Freundschaften entstanden, die in diesem Spannungsfeld der Kommunalpolitik sicherlich außergewöhnlich sind. Diese haben auch über Amtszeiten hinaus Bestand. Da bin ich sehr dankbar und zufrieden, weil sie mein Leben und das meiner Familie geprägt und ungemein bereichert haben.

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Wie sieht es mit einer vierten Amtsperiode aus?

Diese Frage stellen Sie am besten Ende 2022 nochmals. Bis dahin fließt noch „viel Wasser den Bach runter“. Bürgermeister ist auf alle Fälle für mich ein wunderbarer Beruf, der einem viel Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, der einen tagtäglich aber auch fordert. Das Schönste und Anstrengendste zugleich sind die vielen Begegnungen und Gespräche mit Menschen, die meinen Lebens- und Berufsweg gekreuzt haben und noch kreuzen werden. Das ist spannend, weil die positiven Momente deutlich überwiegen.