Karlheinz Fahlbusch

Rund 2800 Betriebe im Gebiet der Handwerkskammer Ulm stehen zur Übergabe, weil die Inhaber aus Altersgründen ausscheiden wollen. Im Bodenseekreis sind es 405 Betriebe. Bei der Schreinerei und Zimmerei Nadler in Kirnbach bei Heiligenberg ist der Betriebsinhaber 58 Jahre alt und hat eigentlich noch Zeit. Hubert Nadler sagt aber: „Es ist besser, man macht sich rechtzeitig Gedanken.“ Sein Sohn Manuel wird den Betrieb übernehmen.

23-Jähriger lernte nicht im väterlichen Betrieb

Den Meisterbrief hat er bereits in der Tasche und ebenso Erfahrungen, die er in anderen Betrieben gesammelt hat. Der 23-Jährige hat nämlich nicht im väterlichen Betrieb gelernt, sondern sich bewusst für einen anderen Ausbildungsbetrieb entschieden. Ab dem neuen Jahr wird er jedoch zusammen mit Hubert Nadler in der Werkstatt und auf der Baustelle stehen. Der Jungmeister ist überzeugt, dass es keine Probleme geben wird: „Wir verstehen uns gut.“

Vater Hubert Nadler ließ dem Sohn freie Hand bei der Berufswahl

Hubert Nadler hatte seinen Betrieb 1995. Seinen Sohn hat er in der Berufswahl nicht beeinflusst. Der hatte sich schon in der zweiten Grundschulklasse entschieden, dass er mal etwas mit Holz machen wolle. „Mein Vater hat gesagt: Mach‘ das, was du willst“, erinnert sich Manuel Nadler, der seinen Wunsch von damals mittlerweile realisiert hat. „Ich habe mich gefreut, dass er Interesse hat, habe ihm aber viele Freiheiten gelassen“, erzählt der Vater. Was das war? „Er musste in den Ferien nicht im elterlichen Betrieb mitarbeiten, wie seine Kumpels. Er war lieber beim Nachbarn in der Landwirtschaft. Mithelfen am Samstag stand nur an, wenn es unbedingt notwendig war.“ Doch der Junge habe in seiner Freizeit immer gern kleine Holzhäuschen gebaut. So wie dies ein echter Zimmermann in einer anderen Größenordnung macht.

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Nach der Zimmerer-Lehrer eine Lehre im Schreinerhandwerk

Im Jahr 2012 machte Manuel Nadler den Hauptschulabschluss, begann bei der Zimmerei Braun in Herdwangen eine Ausbildung und arbeitete dort auch als Geselle ein Jahr. Als Gesellenstück fertigte er das Modell eines Dachstuhls an. An die Meisterausbildung dachte er da noch nicht, dafür an eine weitere Lehre im Schreinerhandwerk. Diese absolvierte er bei der Schreinerei Heusel in Obersiggingen. Im Leistungswettbewerb der Schreiner wurde Manuel Nadler im September 2018 Kammersieger und Dritter beim Landesentscheid. Als Gesellenstück fertigte er eine Glasvitrine mit einem ungewöhnlichen Unterbau.

Nach den zwei Lehren setzte Manuel Nadler den Meister obendrauf

Seine nächste berufliche Station war die Firma Kopp in Kirnbach. In dem Schreinerei- und Zimmereibetrieb war für den Schreiner nicht so viel zu tun, also arbeitete Manuel Nadler im Bereich Zimmerei mit. Und da keimte dann der Wunsch, die Meisterschule zu besuchen. Das Meister-Bafög und die Begabtenförderung erleichterten ihm diesen Entschluss. Sechs Monate auf der Meisterschule in Biberach im vergangenen Jahr brachten ihm viele neue Erkenntnisse. Auch solche, die es erleichtern, selbst einen Betrieb zu führen. Der Meisterbrief gilt in Deutschland ein Ausweis für Qualität und hat in der Bevölkerung laut des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ein hohes Renommee. Nicht zuletzt kann er auch Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Manuel Nadler bekam den Meisterbrief mit der Post. „Die Feier fand nur virtuell statt“, schmunzelt der 23-Jährige.
Manuel Nadler bekam den Meisterbrief mit der Post. „Die Feier fand nur virtuell statt“, schmunzelt der 23-Jährige. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Der Meisterbrief für Manuel Nadler kam kürzlich mit der Post, die Meisterfeier fand virtuelle statt. „Ist für mich okay“, schmunzelt der junge Handwerksmeister. Vater Hubert freut sich, dass der 23-Jährige ab Januar im elterlichen Betrieb mitarbeiten wird. Und auch darüber, dass er sich keine Sorgen um die Betriebsnachfolge machen muss. „Ja“, sagt der Junior, die Übernahme komme auf ihn zu. „So ist es abgemacht.“

Sohn steigt als Stellvertreter des Vaters ein

Manuel Nadler wollte noch ein Jahr als Meister anderswo arbeiten, ehe er im Familienbetrieb einsteigt. Nadler hat zehn Mitarbeiter in Vollzeit. Wie werden die auf den Juniorchef reagieren? Wird er überhaupt etwas zu sagen haben? „Er ist auf jeden Fall mein Stellvertreter“, macht Hubert Nadler deutlich. Das werde besonders dann gelten, wenn der Senior krank sein sollte. „Die komplette Kalkulation geht über meinen Tisch“, erläutert der Firmeninhaber. Das bedeutet: Fällt der Chef aus, dann wird es schwierig mit neuen Aufträgen. Doch dieses Problem ist jetzt gelöst, wenn der Sohn einsteigt.

Auch für einen Zimmermann gäbe es in der Region genug zu tun

Nadler macht das, was auf dem Markt gefragt ist. Als Fotovoltaik-Anlagen auf den Markt drängten, erstellte die Firma viele Produktionshallen. Einfamilienhäuser und Wohnmodule gehören längst zum Portfolio, aber auch kleinere Aufträge, wie die Treppe für das Haus. Wichtig ist Hubert Nalder auch das ökologische Bauen. Und weil man nie weiß, was noch kommt, hat sich Manuel Nadler auch Kenntnisse als Restaurator angeeignet. Kirchen, Glockenstühle und denkmalgeschützte Häuser gäbe es viele in der Region. Und da sei auch immer für einen Zimmermann etwas zu tun. Auch der Bau von Blockhäusern könnte ihn reizen. Ob er noch den Betriebswirt im Handwerk draufsetzt, wie sein Vater dies gemacht hat, das weiß er noch nicht. Da sei auch noch etwas Zeit. Neben dem Staplerführerschein hat er auch noch eine Schulung für Kräne gemacht. „So etwas braucht man heute auf dem Bau“, sagt Nadler Junior.

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In der Freizeit bei Feuerwehr, Narren und Kleintierzüchtern aktiv

Auf der Walz war der Jungmeister nie. „Das ist nicht so mein Fall“, schmunzelt er. Da müsse man drei Jahre weg und dürfe seinem Zuhause nicht näher als 50 Kilometer kommen. Nichts für den jungen Mann, der sich selbst als heimatverbunden und bodenständig bezeichnet. Bei der Feuerwehr in Hattenweiler ist er stellvertretender Kommandant und im Narrenverein hat er viele Freunde. Wenn er sich als Stellvertreter mit dem Vorsitzenden des Kleintierzüchtervereins in Pfullendorf trifft, dann kann er gleich noch beruflich fachsimpeln, denn der ist ebenfalls Schreiner. Manuel Nadler züchtet Geflügel. Und er hat noch eine andere Leidenschaft: das Ringen.

Georg Beetz
Georg Beetz | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

„Die Unternehmensnachfolge ist schwierig“

Georg Beetz ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bodenseekreis und zuständig für 2 800 Betriebe.

Man hört immer wieder, dass Handwerksbetriebe aufgeben müssen, weil es keine Nachfolge gibt. Wie stellt sich die Situation im Bodenseekreis dar?

Die Statistik sagt uns, dass in den kommenden fünf Jahren rund 14 Prozent der Betriebe eine Nachfolge suchen. Dies ist ein Durchschnittswert. Wir gehen davon aus, dass es in einer wirtschaftlich starken Region wie im Bodenseekreis eher ein wenig einfacher ist, eine Nachfolgeregelung zu finden.

Trifft das auf alle Betriebe zu oder gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen?

Unabhängig ob Handwerk, Handel oder Industrie: Die Unternehmensnachfolge ist prozentual betrachtet über alle Branchen ähnlich schwierig – wobei wir im Handwerk beobachten, dass Gründungen eher wieder leicht zunehmen und damit auch Nachfolgeregelungen.

Woran liegt es, dass es im Handwerk mit der Nachfolge schwierig ist?

Aufgrund der Bildungspolitik der vergangenen Jahre mit dem Trend zu Abitur und Studium fehlen qualifizierte Fachkräfte. Das hat auch die Politik erkannt und setzt wieder verstärkt auf die duale Ausbildung.

Kann der Meisterzwang ein Hindernis sein? In anderen Ländern gibt es das so nicht.

Der Meisterzwang bildet nur bei oberflächlicher Betrachtung ein Hindernis. Dies hat insbesondere die Entwicklung in gewissen Branchen, in denen die Meisterpflicht abgeschafft wurde, gezeigt. Dort gab es zunächst mehr Gründungen, die aber sehr oft nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwanden, weil die Qualität und die Ausbildungsbereitschaft sanken. Nicht umsonst wurde deshalb die Meisterpflicht etwa bei Raumausstattern und Fliesenlegern wieder eingeführt.

Gibt es Branchen, wo die Nachfolge nur ein geringes Problem ist?

Eine branchenspezifische Betrachtung ist sehr schwierig. Es spielen viel zu viele Faktoren mit, ob eine Übergabe gelingt.

Was empfehlen Sie, damit die Nachfolge gelingen kann?

Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Betriebsübergabe, am besten schon fünf Jahre vor dem geplanten Ausstieg. Ebenso wichtig ist es, den Betrieb marktfähig zu halten und aktuelle Entwicklungen zu beobachten, wie etwa derzeit die Digitalisierung.